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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 1
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Trog, Hans: Deutsche Malerei in der Schweiz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0041

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DEUTSCHE MALEREI IN DER SCHWEIZ

VON

HANS TROG

Die grosse Hodler-Ausstellung im Züricher
K.unsthaus wurde durch eine „Ausstellung
deutscher Malerei, neunzehntes und zwanzigstes Jahr-
hundert" abgelöst. Fünf Wochen dauerte sie bei sehr
lebhaftem Besuch. Hundertsechzig Nummern sind
zusammen gekommen. Auf fünfunddreissig Künst-
ler verteilten sie sich. Aus dem Gute öffentlicher
Sammlungen — in Dresden, Leipzig, Frankfurt,
Bremen, Hamburg, Magdeburg, Düsseldorf, Darm-
stadt, Mannheim, Wiesbaden — wie aus dem Be-
sitze privater Sammler in Deutschland (wozu einiges
wenige aus der Schweiz hinzukam) und auch aus
den Ateliers der Künstler war die Kollektion gebildet
worden. Nur weniges ging seiner Entstehung nach
hinter 1850 zurück. So drei Bilder von Ludwig
Richter, Landschaften mit figürlicher Staffage aus
jener entscheidenden Zeit, da er, von dem charakte-
ristischen Reiz der deutschen Natur getroffen, von
der bis dahin ausschliesslich gepflegten italienischen
Landschaft sich wegwandte zur liebevollen, innig ge-
fühlten Schilderung der heimischen Natur und das
„fast krankhafte" Heimweh nach dem Süden abthat.
Ferner drei von den sechs vorgeführten Arbeiten
Adolf Menzels: neben zwei landschaftlichen Vor-
würfen, dem prächtig weiträumigen „Am Kreuzberg
bei Berlin" und dem „Garten des Justizministeriums"
mit seiner reichen Feinheit der Grün-Nüancen das
geistreich vornehme Interieur „Die Störung" mit
seinem warmfarbigen Lichtzauber. Von den fünf
Spitzweg, die in einem kleinen Kabinett ein artiges
Sonderdasein fristen durften, gehörte der eine, „Ver-
dächtiger Rauch", just der Zeit der Halb jahrhundert-
wende an; es ist jenes Bildchen, dessen Fernsicht
uns malerisch mehr interessiert als der nach dem
Feuer ausspähende behagliche alte Vogel- und
Kakteenliebhaber.

Auf eine eindrucksame Repräsentanz guter,
qualitätsvoller deutscher Malerei, wie sie hauptsäch-
lich von den sechziger Jahren an in die öffentliche
Erscheinung tritt, war das Absehen der Ausstellung
gesichtet. Man hätte ihr mit Liebermann und
Malern wie Corinth und Slevogt, die seit 1900 in
Berlin schaffen, einen Abschluss geben und damit
dem Impressionismus gewissermassen das letzte Wort

lassen können. Man hat das nicht gethan, son-
dern mit löblicher Gerechtigkeit auch die neueste
Strömung berücksichtigt, die sich auf den recht
vieldeutigen Namen Expressionismus behaften lässt,
und dem individuellen Ausdrucksbedürfen des
Künstlers nach Farbe und Form den Primat zuer-
kennt. Eine Vertretung mit zwei Dutzend Arbeiten
ist dieser Richtung gegönnt worden. Man hat
Bilder von Beckmann und Rösler und Carl Hofer
in die Nachbarschaft dieser Ausdruckskünstler ge-
hängt, freilich nicht in die der radikalsten. Diese, die
Marc, Macke, Nolde, Pechstein, Schmidt-Rottluff,
sprachen sieh in einem grossen Saal als Allein-
herrscher aus.

Eine leidenschaftliche Phantasie-Landschaft Ko-
koschkas, der ja in Deutschland mehr Verständnis
für seine Kunst gefunden hat, als in seiner österreich-
ischen Heimat, hing zwischen zwei ehrlich aus dem
Geist des Impressionismus gebornen Landschaften
Röslers: psychisch-künstlerisch zwei sehr getrennte
Welten. Aber überhaupt: von dieser Abteilung der
modernsten Stürmer oder Sturm-Künstler — das em-
pfand man in dieser Ausstellung besonders stark —
gilt, wenn man an das Kunstwollen und -vollbringen
der Menzcl,Leibl, Liebermann, derThomaund Trüb-
ner, der Feuerbach und Mare'es denkt, in einem fast
unheimlichen Sinn der Worte: es beginnt eine neue
Ordnung. Die Zukunft, eine dunklere, rätselvollere,
als vielleicht je eine da war, wird über ihre Lebens-
fähigkeit und Amalgamierungskraft zu entscheiden
haben.

Deutscher Süden und Norden, München und
Berlin: die beiden grossen Ströme in der deutschen
Malerei des neunzehnten Jahrhunderts machte die
Ausstellung deutlich sichtbar. Daneben dann auch
die Auseinandersetzung deutscher Künstler mit
Italien, das sie als das Lebenselement und die Vor-
bedingung ihrer Kunst empfanden. Feuerbach und
Hans von Marees waren unmittelbare Nachbarn im
Züricher Kunsthaus, thronten gewissermassen iso-
liert für sich. Inmitten stolz-kühler Feuerbache:
der majestätisch sich entfaltenden Nanna im weissen
Mantel vor pompejanischrotem Grunde, demMando-
lienenspieler, dem grossen Profilkopf der Nanna

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