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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 3
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Scheffler, Karl: Gelegentlich der Herbstausstellung der Berliner Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0132

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I

GELEGENTLICH DER HERBSTAUSSTELLUNG DER BERLINER SEZESSION

VON

KARL SCHEFFLER

Den Lesern des Lichtwarkschen Aufsatzes „Der
junge Künstler und die Wirklichkeit", der in
diesem Hefte zu finden ist, sei der Besuch dieser Aus-
stellung empfohlen: denn sie ist wie eine Illustration des
von Lichtwark Vorgetragenen, vor allem dessen, was er
über Kunstausstellungen anmerkte. Damit soll nicht
gesagt sein, dass sie problematischer oder „unwirk-
licher" sei als andere Veranstaltungen dieser Art. Im
Gegenteil, der Eifer, womit die Berliner Sezession sich
zu behaupten strebt und womit sie neue Jugend um sich
sammelt, ist der Absicht nach nur rühmenswert; und
auch der Erfolg ist so gut, wie er den gegebenen Ver-
hältnissen noch sein kann. Aber es fällt diese Aus-
stellung jetzt so bequem mit den grundsätzlichen
Äusserungen Lichtwarks zusammen, und sie bestätigt
dessen allgemeine Anmerkungen so schlagend, dass sie
es sich schon gefallen lassen muss, einmal als Zeichen
der Zeit herangezogen zu werden.

Ich greife einen Fall heraus, der mir besonders
lehrreich zu sein scheinr. In der relativ kleinen Aus-
stellung (172 Nummern) ist Franz Heckendorf mit
sechs Bildern vertreten. Alle Bilder haben grosses
Format, zum Teil Museumsformat, und geben einem
wesentlichen Teil der Ausstellung das Gepräge. Vor
fünf Jahren kam Heckendorf zu mir , um seine ersten
Versuche zu zeigen. Er war blutjung, kaum zwanzig-
jährig schätze ich, eben der Schule entwachsen und
ganz ein autodidaktisch arbeitender Anfänger. Das
Talent war unverkennbar und der gute Wille war er-
frischend. Heute, nach fünf Jahren, wo der Künstler
ungefähr fünfundzwanzig Jahre jung ist, hat er schon
seinen „Stil" gefunden, malt er auf grossen Leinwänden
nordische und südliche Landschaften, Figuren und
Bildnisse jährlich zu Dutzenden und entfaltet er
nebenbei eine hurtige Thätigkeit auch als Zeichner und
Graphiker, obwohl seine Zeit durch militärische Pflichten
beschränkt sein muss. Alles, was er macht, stellt er aus,
irgendwo ist fast immer etwas von seinerHand zu finden.
Und überall hat er Erfolg. In den fünf Jahren zwischen
den ersten Versuchen und der jetzt zur Schau ge-
tragenen jungen Meisterschaft hat der Künstler an
Talent sicher nicht verloren; im Gegenteil, er hat sich
schnell, den Betrachter mehr und mehr von seiner Be-
gabung überzeugend, entwickelt. Zugleich hat er sich
eine Geschicklichkeit angeeignet, deren Ergebnisse
Staunen erregen. Die Bilder fliessen nur so aus dem
vollen Pinsel hervor. Scheinbar sehr neuartig, aber zu-
gleich angenehme Erinnerungen an die Nazarener,
Deutsch-Römer und Romantiker weckend, durch eine

gewisse heroische Note, der es nicht an jugendlicher
Frische fehlt, bestechend und durch eine sonore deko-
rative Klangkraft erfreuend. Doch sind alle Arbeiten
nur Embryos. Dort wo Heckendorf aufhört, müsste
er eigentlich erst beginnen. Kaum eines dieser Bilder,
so schöne Qualitäten vorhanden sind, verdient schon
die Öffentlichkeit. In jeder Arbeit stellt der Maler
sich als ein Suchender und Tastender vor, als einer,
der das Schwerste noch zu lernen hat: genau soviel an
einem Bild zu thun, bis es ein Organismus geworden
ist, der für sich leben kann, in jeder Arbeit den Vor-
satz restlos zu verwirklichen. Aber nicht genug, dass
die Ausstellungen diesem unfertigen Talent jedes ein-
gesandte Bild abnehmen und gut plazieren; der sehr
junge Künstler gehört obendrein schon dem Vorstand
und auch der Jury der Berliner Sezession an, das heissr,
von seinem unreifen Urteil hängt die Aufnahme oder
Ablehnung manches Bildes mit ab. Er soll an verant-
wortungsvoller Stelle urteilen, bevor er über sich selbst
nur einigermaassen ein Urteil hat, er soll die deutsche
Kunst repräsentieren, bevor er sich über das Wesen
des Künstlerischen selber klar ist. Das ist Unfug! Das
ist eine phantastische Unwirklichkeit, im Sinne Licht-
warks. Ich wähle diesen Fall, weil ich fest an die Rein-
heit der Gesinnung, an den Ernst und an das starke
Talent Heckendorfs glaube, weil hier nicht einmal ein
krankhafter Ehrgeiz im Spiel zu sein scheint. Es hat
sich alles wie von selbst gemacht. Aber eben, dass
die Verhältnisse so sind, dass in dieser Weise viele
junge Talente zu Opfern eines verdammenswerten Be-
triebes werden, ist so traurig. Denn dass die jungen
Künstler von Schlage Heckendorfs früher oder später
Opfer werden, dass sie ihr Bestes dreingeben und ihre
Künstlerkeuschheit verlieren müssen, ist leider schon
erwiesen. Dieses Leben von den Ausstellungen und für
die Ausstellungen determiniert heute fast alle jungen
Begabungen. Neben Franz Heckendorf gerät sein gleich-
alteriger Freund und Studiengenosse Erich Waske —
auch ein „Talent" — infolge der Optik des Ausstellungs-
saales immer tiefer in einen aufgeblasenen Stil hinein,
der die Mitte hält zwischen idealistischer Mystik und
photographiemässiger Banalität. Und ganz zum Pro-
grammmaler wird der junge Bruno Krauskopf, der in
einem Stilleben auch ein nicht gewöhnliches Talent ver-
rät, voll barocker Fülle und Lebendigkeit, und der da-
neben seinen Ruhm sucht in formal und gedanklich er-
klügelten Symbolismen in Riesenformaten, oder der mit
einem anspruchsvoll altmeisterlich auftretenden Damen-
bildnis in die Nähe Zwintschers und ähnlicher falschen

in
 
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