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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 3
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Künstler-Anekdoten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0134

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WHISTLER UND WILDE

Viele der funkelnden Paradoxe über Kunst, die man
in Wildes „Intentions", in seinem „Verfall der Lüge"
und seinem „Dorian Gray" lesen kann, stammen nicht
von Wilde selber, sondern von Whistler. Dieser, der
ebenfalls sehr eitel war, ärgerte sich darüber, schwieg
aber. Einst sassen beide bei einem Diner einander
gegenüber und Whistler Hess wieder einmal ein Brillant-
feuerwerk von Paradoxen steigen. Wilde war begeistert
und registrierte das Neue schnell in seinem Gehirn. Bei
einem besonders schlagenden Ausspruch rief er aus :
„Schmetterling, der Witz ist gut, der ist sehr gut, den
möchte ich selbst gemacht haben." Whistler entgegnete
ruhig: „Keine Angst, Oskar, ich bin sicher, du wirst ihn
machen."

WHISTLER UND STANFORT WHITE

In New York wurde ein Klub eingeweiht, dessen
Haus der bekannte Architekt Sranfort White gebaut
hatte, ein Eklektizist nach dem Herzen der reichen
New Yorker. Die Halle war englisch-gotisch, die
Bibliothek im Empire-Stil, der Speisesaal im Stil Fran-
cois L, das Lesezimmer wie aus der Zeit Ludwigs XVI.
Whistler hielt die Eröffnungsrede. Da er in dieser
Rede auch einige Worte des Dankes an den Architekten
richten sollte, fand er sj.ch mit dieser Aufgabe ab, in-
dem er sagte:

„In this building, Mr. White, you have shown a great
deal of tastes. And some of them are good."

EIN BRIEF WHISTLERS

An den ersten Sekretär der Internationalen Kunst-
ausstellung München.

Geehrter Herr! Ich bestätige hiermit den Empfang
Ihres Geehrten, das mich offiziell davon in Kenntnis
setzt, dass das Komitee mir die zweite goldene Medaille
zuerkennt.

Bitte, übermitteln Sie den Herren des Komitees
den Ausdruck meiner gemässigten und wohlanständigen
Freude und meine völlige Würdigung der mir ver-
liehenen zweitklassigen Ehrung.

Womit ich die Ehre habe, geehrter Herr, mich
Ihnen zu empfehlen, als Ihr ergebener,
gehorsamer Diener

I. Mc. Neill Whistler.

WHISTLERS VORSCHLAG ZUR GÜTE

Der Kritiker der „Times" hatte eine Aquarellzeich-
nung Herkomers, die Ruskin darstellt, das erste Öl-
porträt genannt, „das wir von dem grossen Meister be-
sitzen".

Whistler merkte dazu in einer öffentlichen Glosse
an, es sei ja nicht zu verlangen, dass ein Kunstkritiker
ein Aquarell von einem Ölbild mit den Augen sollte
unterscheiden können. Aber er sollte wenigstens im-
stande sein, den Unterschied mit Hülfe des Geruchs-
sinnes festzustellen. Oder er solle, falls er einen
Schnupfen hätte und nicht riechen könnte, wenigstens
Gewissenhaftigkeit genug haben, entweder den Feuer-
wehrmann oder den Galeriediener der Ausstellung zu
bitten, für ihn mit der Nase festzustellen, ob es sich
um Aquarell oder Ölfarben handle, damit der Zeitung
eine Blamage erspart werde.

SECHZEHNTER JAHRGANG. DRITTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 9. NOVEMBER. AUSGABE AM I. DEZEMBKR NEUNZEHNHUNDERTS IEBZEHN
REDAKTION: KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER IN BERLIN. GEDRUCKT IN DER OFFIZIN

VON W. DRUGULIN ZU LEIPZIG
 
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