Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe (16.1918)

I.ODEWIJK SCHELFHOUT, LANDSCHAFT, 1915

LODEWIJK SCHELFHOUT

VON

ERICH HANCKE

Vergleicht man deutsche Künstler mit franzö-
sischen oder holländischen, so wird man die
Begabung der Ausländer leicht überschätzen, denn
bei ihnen ist das Verhältnis von Begabung und
Leistung ein anderes wie bei uns. Sie bringen
ihre Fähigkeiten restloser zur Entfaltung, ihre Kunst-
geschichte zeigt gleichsam einen Wald von graden
Stämmen, während bei uns vorwiegend Krummholz
zu sehen ist, über das sich nur sehr vereinzelt schön-
gewachsene Bäume erheben. Und das liegt nicht
an der Kraft des Samenkorns, sondern an dem
Boden, in das es gepflanzt ist. Jene Künstler haben
vor den unsrigen die ungeheuren Vorteile einer
lebendigen Überlieferung voraus.

Die Abbildungen dieses Aufsatzes sind mit Erlaubnis des
Kunstverlags von Emil Richter, Dresden reproduziert, dem auch
die Originale gehören. d. Red.

Namentlich in Holland ist die Überlieferung
niemals unterbrochen gewesen, und obgleich es
auch dort nicht an Reaktionen gefehlt hat, so
konnten sie doch die Beharrlichkeit nicht über-
winden, mit der man an dem einmal als richtig Er-
kannten festzuhalten entschlossen war, während bei
uns jedes Neue der Feind des Voraufgegangenen ist
und seine Daseinsberechtigung dadurch zu erweisen
sucht, dass es das Alte mit Stumpf und Stil ausrot-
tet, um die Kunst von Grund aus neu zu erfinden.

Wir haben jetzt das Schauspiel einer solchen
mehr zerstörenden als aufbauenden Umwälzung in
der Kunst täglich vor Augen, deshalb wird es lehr-
reich sein, zu sehen, wie sich die Kräfte, die bei
uns am Werke sind, in der durch die Überlieferung
bedingten Erscheinung eines holländischen Künst-
lers manifestieren.

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