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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 7
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Kunstausstellungen
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UNSTAUSSTELLUNGEN

^g^pp BERLIN

S^Wja^SMji^i Der Oberlichtsaal bei Paul Cassirer
.JgBlB^K^Isil war angefüllt mit Bildern vonLudwig
Meidner, die an den Wänden einen
Höllenspektakel machten. In der Erinnerung wirkt
aber weder die Farbe noch die Form lebendig nach.
Was nachwirkt, ist schliesslich etwas Menschliches.
Künstlerisch realisiert ist dieses Menschliche nicht,
oder doch nur in einigen Punkten. Auch verstimmt es,
weil es sich zu sehr ohne Scham vordrängt, allerhand
lauten Unfug verübt und sich um zehn Jahre jünger
gebärdet als es sein dürfte. Aber schliesslich hat es
doch etwas Ergreifendes, einer gequälten Seele zuzu-
sehen, die mit allen Mitteln den Sieg will. Psycho-
logisch ist hierdurch der heftige Manierismus der Meid-
nerschen Form erklärt. Es ist ein Monumentalmanie-
rismus, der etwa zu dem Schweizer Urs Graf, oder zu
einigen Meistern der sogenannten Donauschule hinüber-
weist. Meidners rastlose Form ist ein gotisches Barock,
sie ist wie das Ergebnis geistiger Detonationen; aber
sie wirkt trotzdem nicht eben tief, sie ist etwas obenhin
leidenschaftlich, ist oft nur ein Ergebnis der Selbst-
berauschung. Und die Farbe, so inbrünstig sie gemeint
ist, schmeckt stark nach der Palette und beruht auf

«

GUSTAV

Die Hauptstadt Österreichs hat mit Klimt nicht
einen ihrer besten Maler verloren, sondern recht eigent-
lich den Maler des neuen Wien. Er repräsentierte doit
die neue Zeit in der Malerei, wie Joseph Hoff mann es
als Architekt und Kunstgewerbler repräsentiert. Wenn
wir also konstatieren, dass der Tod Klimts uns im Reich
ein unverwindbarer Verlust nicht ist und nicht sein
kann, so ist damit zugleich gesagt, dass das Wiener
Kunstempfinden der Auffassung dessen, was man in
Berlin, im westlichen Deutschland oder selbst in Mün-
chen für Kunst hält, ziemlich fremd gegenübersteht.
Wir wissen im Reich die seltenen Qualitäten Klimts
zu schätzen: sein handwerklich gut fundiertes Astheten-
tum, seine mit reichen kunstgewerblichen Wirkungen
spielende Anmut, seine damenhafte Zartheit und Ele-
ganz des Vortrags, seine Phantasie, eine Fläche ge-
schmackvoll zu füllen und eine verblüffende Kreuzung
von Dessin und malerischer Bildwirkung herzustellen:
aber der Wert dieser Kunst spricht nur zu unserer Ein-
sicht, nicht zum Instinkt; die Atmosphäre, worin sie
heranwuchs und heimisch war, ist uns zu dünn, die

z

etwas wohlfeilen Komplementäreffekten. Im Gedächt-
nis bleibt vor allem der Ausdruck einiger Bildnisse;
wesentlich ist die Empfindung, womit die vom Lebens-
leid, von dunklen, schlimmen Instinkten modellierten
und deformierten Antlitze gequälter Menschen dar-
gestellt sind. Das Reifste, das am meisten Über-
zeugende sind einige Bildniszeichnungen. Sie erheben
sich hier und da bis zum ausdrucksvoll Schönen. In
ihnen ist das Eitle überwunden, wogegen die Bilder
mehr oder weniger von einer gewissen Thersiteseitel-
keit um das gebracht werden, was Meidner als Schrift-
steller doch so sehr betont: um Unbefangenheit, Ein-
falt der Anschauung und wahre Keuschheit. Meidner
wird zweifellos als Künstler in dem Maasse an Be-
deutung gewinnen, wie er es lernt sein bedingtes Ich
weniger wichtig zu nehmen. Das von ihm selbst ge-
schriebene Katalogvorwort ist peinlich zu lesen. Meid-
ner sagt: „Aber heute bin ich sehr verwirrt, beschämt
und gedemütigt, da ich euch hinaustrug auf eine
offene Tiibüne, ihr Genossen der Leidenschaft und
des Grams." Ja, warum thut er es dann? Was soll
diese falsche Geste? Mit seinem ganzen Wesen sehnt
Meidner sich doch nach der Öffentlichkeit. Er thut
anachoretenhaft. Aber: „ach, wie geern mag uns Kat
Fisch!" K. Sch.

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KLIMT f

Formensprache ist uns zu sehr ein gesellschaftliches Ge-
lispel, der ganze Interessenkreis ist uns zu künstlich.
Es ist uns unmöglich, in Klimt einen grossen Neuerer
zu sehen; wir sehen in ihm vielmehr den legitimen
Nachkommen des karnevalseligen Dekorateurs Makart
und wir — halten Makart für den Stärkeren. Klimt
hat sich offenbar mehr zugemutet, als er leisten konnte.
Er war von Natur ein reizendes Walzertemperament
und wo in seinen Werken dieser Rhythmus durchbricht,
da nimmt er ohne weiteres gefangen. Er hatte aber
den Ehrgeiz ein Symphoniker zu sein, er huldigte einem
Klingerschen Tiefsinn, wo seine Natur heiteres Spiel
forderte, und der präraffaelitische Einschlag in seiner
Form verführte ihn zu einer ihm nicht gemässen Feier-
lichkeit.

Sei dem aber wie ihm wolle: in seinen Bildern und
Zeichnungen ist das neue Wien. Selbst die jüngsten
Wiener, so weit ihr Ehrgeiz auch Klimts Ziele über-
flügelt, werden nie ganz von ihm loskommen. Nicht
von seinem Geist und nicht von seiner Handschrift.

K. Sch.

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