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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 8
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Scheffler, Karl: Elternbildnisse
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0302

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KARL BEGAS, BILDNISSE SEINER ELTERN
BERLIN, NATIONALGALERIE

ELTERNBILDNISSE

VON

KARL SCHEFFLER

Man soll kein Prinzip übertreiben. Denn all-
zustarre Konsequenz kann es machen, dass
eine Wahrheit sich unmerklich in Irrtum verkehrt.

Der Grundsatz, dass der Stoff für die Qualität
der Malerei nicht ausschlaggebend ist, bedarf heute
keiner Begründung mehr. Es wird längst eingesehen,
dass ein kleines Stilleben, künstlerisch ein umfang-
reiches Geschichtsbild weit übertreffen kann, dass
ein Bildnis mehr wert sein kann als ein Heiligenbild,
oder dass, wie Degas sich einmal beim Vergleich
eines Stillebens von Manet mit einem Jupiter von
Ingres ausdrückte, „eine so gemalte Birne jeden
Gott umschmeisst". Das sind im Laufe der Jahre
Banalitäten geworden.

Aber es giebt auch hier Einschränkungen.
Wenn man die Malerei des neunzehnten Jahrhunderts
durchgeht, und auch wohl die früherer Zeiten, so
wird man, zum Beispiel, die Entdeckung machen,
dass die führenden Künstler, die zuerst Revolutionäre

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und später Klassiker waren, besondere Sorgfalt
immer auf die Bildnisse ihrer Eltern verwandt haben,
oder, anders ausgedrückt, dass die Elternbildnisse
im Lebenswerk dieser Künstler fast immer einen
besonderen Platz einnehmen, dass sie Höchst-
leistungen innerhalb des den Malern Erreichbaren
darstellen. Forscht man der Ursache nach, so kommt
man zu dem Schluss, dass diese Bildnisse so wohl
geraten sind, weil die freie Meisterschaft des
Könnens in diesen Fällen besonders sorglich geleitet
worden ist von einer innigen Pietät, von einem
grossen menschlichen Verstehen, von einer schönen,
achtungsvollen Liebe. Es zeigt sich, dass die
Sympathie, die der Künstler für seinen Gegenstand
hat, doch nicht gleichgültig ist, dass sie die Qualität
erhöht, dass sie dem Kunstwerk ein Etwas hinzu-
fügt, das durch nichts anderes zu ersetzen ist. Was
man liebt, das kennt man besonders genau, und
diese Kenntnis erweist sich als ein forderndes

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