Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

DOI Heft:
Heft 8
DOI Artikel:
Ein Brief Hans Thomas
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0334

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ß

t

MAX LIEBERMANN, LITHOGRAPHIE ZU „KLEISTS KLEINEN SCHRIFTEN"

EIN BRIEF HANS THOMAS
AN DEN VORSTAND DER FREIEN SEZESSION IN BERLIN

Karlsruhe, 6. April 1918.

Dass mich die Freie Sezession zum Ehrenmitglied
ernannt hat, freut mich sehr, und so lebhaft ich
diese Ehrung zu schätzen weiss, so verbindlich ist auch
mein Dank dafür.

Ein bald Achtzigjähriger darf wohl solche Ehrungen
unbedenklich annehmen, wenn sie auch von oft sich
entgegengesetzt scheinenden Vereinigungen an ihn
kommen. In meinem Alter kennt man keine Befeh-
dungen mehr, die aus Meinungen und oft recht grauen
Theorien entspringen, man kennt nur noch die frei ge-
wordene Kunst, die ihr Recht hat, weil sie ein Spiegel-
bild der schaffenden Menschenseele sein will; die Zeit
des Kampfes hat aufgehört, und ich sehe in allen
Zweckvereinigungen der Künstler nur die Sorge um
das Gedeihen der Kunst und ihrer Entwicklung, die
nur in der Freiheit gedeihen kann.

Als eine Art Rechtfertigung, dass ich bei vielen
Vereinigungen Ehrenmitglied bin, erlaube ich mir es
auszusprechen, dass wenn ich ja ein Kämpfer war, ich
nur damit zu thun hatte, in stiller Art meine eigne

Freiheit des Schaffens zu behaupten; wenn ich dadurch
ungewollt auch zu einen Kämpfer für die Kunst im all-
gemeinen wurde, so kommt das von der Ausdauer, mit
der ich gegen vielfache Gegnerschaft durch mein langes
Leben hindurch mich behauptet habe.

Künstler können ja doch nur gedeihlich ihren Wesen
nach schaffen, wenn sie sich frei, frisch, fromm und
froh fühlen — vor solchem Schaffen kann keine Dogma-
kunst schädlich wirken. Wir müssen zu dem Vertrauen
kommen, dass alle Bestrebungen in der Kunst aus dem
ernsten Willen hervorgehen, das zu suchen und zum
Ausdruck bringen zu wollen, was in der Seele meist
unbewusst verborgen liegt und nach Gestaltung ver-
langt; wie die sich formt können wir nicht überwachen,
weiss es der Künstler meist vorher selber nicht. —
Mit gegenseitigen Vertrauen ist es möglich, über alle
mitlaufenden Irrtümer hinweg zur guten Kunst zu ge-
langen.

Mit deutschem Gruss

ergebenst

Hans Thoma.

5*4
 
Annotationen