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N°. 53,

K u n st - B l a t t

Donnerstag, a3. April 1829.

Dcuische Kunst in Genf.

Der um Genf hochverdiente Professor Piktet grün-
dete wenige Jahre vor seinem Tode eine Gesellschaft für
Künste, d:e tey dem regen Eifer für Alles Gute und
Nützliche in unserer Stadt und bey der fast allgemein ver-
breiteten Wohlhabenheit schnell emporkam, wiewohl bey
dem vorherrschenden praktischen Nützlichkeitslinn die bil-
dende Kunst hier so wenig recht anfkommen und gedeihen
kann, wie die Poesie, ihre Schwester und Genossin.

Schon bey ihrem Entstehen theilte sich die Gesellschaft
in mehrere Elasten: für die bildende Kunst cv°aux-»-ns),
für Industrie und Mechanik, und für Agrikultur. Alle
legten passende Sammlungen an.

Als das neue Museum R a t h vollendet war, vertauschte
die ganze Gesellschaft ihr enges, kleines Lokal gegen dieses
schöne und würdige Gebäude, und breitete sich in den Sä-
len, Zimmern, Hallen, Hörsälen und Arbeitsstätten aus.
Alles vcrvollkommnete sich schnell im Verhältnis So
auch die Schulen für Linienzeichnung', Zeichnung nach le-
benden Modellen, Kupferstecher - und Bildhauerku nst, Archi-
tektur u. s. w.

Ebenso wurden zahlreiche und bedeutende Geschenke
von Gypsabgüffen und Originalgemälden gemacht, seit-
dem sie in schönen Sälen verständig aufgestellt und dem
Publikum geöffnet waren.

Die Classe der bildenden Kunst, von der hier vor-
zugsweise die Rede seyn soll, vereinigte bald, was Genf
jezt an Künstlern, Kennern, Sammlern und Freunden
der Kunst Vorzügliches aufzuweisen hat: Favre-Bertrand,
Decandolle, Töpfer, Andeoud, Duval, Sellon, Vonstetten,
Constant, Vaucher und manche Andere. Auch unsere
Stadt - und Landesregenten nahmen Theil und legten
den Syndikenstab für einen Augenblick ab, um unter den
Andern freundlich Platz zu nehmen.

Bald fand man die gewöhnlichen Sitzungen zu trok-
ken, weil sie sich nur mit Angelegenheiten der Gesellschaft
und der Classe beschäftigten, und suchte sie daher durch

Vorträge über Gegenstände der bildenden Kunst selbst
zu erheben, würdiger und mannichfaltiger zu machen.

So begann unser erster Syndikus Rigaud eine an-
ziehende Geschichte der Kunst in Genf. Der Architekt
Vaucher (Erbauer des Museums Rath) Vorträge über
Baukunst. Andere ließen Parallelen zwischen 'Raphael und
Michel-Angelo, Bemerkungen über Reynolds, .Wilkie und
andere folgen. Jeder brachte von nun an in die Sitzung
mit, was in Beziehung auf die Kunst interessant seyn
konnte: Handzeichnungen, neue englische und französische
Kupferstiche, Lithographien u. s. w.

Da die Literatur und Kunst in Genf durchaus fran-
zösisch ist, so zeigt sich hier fast überall eine unwissende
Geringschätzung der bildenden Kunst in Deutschland, ihrer
'Bestrebungen und Leistungen. Es herrschen darüher die
irrigsten Begriffe und kaum hat man hier den Namen
Thorwaldsen aussprechen hören; erst vor einiger Zeit
wurde er Einigen durch den Globe bekannt. Alle übri-
gen deutschen Künstler, die Schinkel, Klenze, Dannecker,
Rauch, Cornelius, Schnorr, Riepenhausen, Heß und an-
dere werden mit dem Collektivnamen: gotluque zusammen-
gefaßt. Ist es doch selbst in Paris nicht besser.

Dies bewog ein Mitglied der Classe, den D. Chri-
stian Müller, die Geschichte der bildenden Kunst in Deutsch-
land seit ihrem Beginne bis auf die neueste Zeit in einer
Reihe von Vorträgen zu behandeln. Diese waren natür-
lich nur auf sein Publikum berechnet, und mußten daher
Vieles ausschließen, was bey Behandlung dieses Gegen-
standes in Deutschland selbst erforderlich gewesen wäre.

Indessen dürfte es vielleicht nicht ganz uninteressant
seyn, hier einen Auszug dieser deutschen, auf französi-
schem Boden geschriebenen und für Franzosen berechneten
Kunstgeschichte zu geben, zumal gar Manches darin Be-
ziehung auf die französischen Ansichten von deutscher Kunst
im Allgemeinen hat.

Wie vor einigen Jahren bey Müllers Vorlesungen
über deutsche Literatur begannen die Zuhörer damit, bey
der Einleitung vornehm die Achseln zu zucken und den
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