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N°. 21.

Kunst-Blatt.

Donnerstag, 12. März 1 8 2 y.

Ueber die Kunstausstellung zu Berlin im Oktober
1828, von Amalie v. Hclvig, gcb. Freyin
v 0 n I m h 0 f.

(Fortsetzung.)

Außer einigen Bildnissen hatte Hr. 2> Wolf, frü-
her in der französischen Schule gebildet, auch die Preis-
aufgabe des Kunstvereins, Leander von den Meeresnym-
pheu aufgefunden und beweint, ansgeführt, worin die
Hauptgestalt in natürlicher und edler Lage den Kunstfor-
derungen entsprach. Von den Nymphen schien uns die,
aus der Fluth emporgerichtet, nach dem todten Leander
aufblickende am glücklichsten gedacht, wie auf dem gefälli-
gen Bilde nur der Hcro minder eckigte Bewegung zu
wünschen war, die auf hoher Tempelwarte, vom ersten
Strahl des wiederkehrendeu Lichtes berül-rt-, von dem
verhaßten Tage, der ihr zugleich die Leiche des Geliebten
zeigt, auf immer scheidet.

Diesem zur lieblichen Mythe gewordenen Schmerz
scharf eutgegengesezt, stellte 2- A. Rambo ur aus Trier
uns das Bild von Ugolino's Schicksal, tiefsinnig gedacht,
als ein romantisches Epos in einer Weise dar, die nns
auf einen Blick die ganze Begebenheit in ihren Bezie-
hungen zur Mit - und Nachwelt zeigt. Längs der, we-
nigstens vier Fuß breiten und etwa drey Fuß hohen Ta-
fel läuft eine altersgraue Mauer, über deren gezackten
Zinnen nur wenig von freycr Luft sichtbar, indeß die
starken Quadern sich unten zu drey Pforten wölben, gleich-
sam uns die Gräuel des im 2>mern tief zerrissenen Pisa
offenbarend. Dem Beschauer links starrt Ugolino mit
brennendem Blick auf des Thurmes Pforte, welche ihn
und seine vier Knaben lebendig zu begraben, wir eben
vom feindseligen Erzbischof Ruggieri aufschließe» sehen.
Grell kontrastirt das weiß damastne Priesterkleid mit dem
hämischen Ausdruck der tief charaktervollen Züge. Wenige
Gewappnete begleiteg den unglücklichen Fürsten, wovon
der Eine, nach Schergen Weise, den Strick scharf anzieht,
der dessen Hände bindet. Des Stolzen Muth ist gebro-
chen, wie er zugleich mit sich das Liebste, seine Kinder,
verloren sieht. 2ui Ausdruck dieser Knaben zeigt sich des

Künstlers richtiges Gefühl, indem wir jeden seinem Alter
gemäß sich bey dem ergreifenden Auftritte geberden sehen,
dessen finstere Deutung nur dem ältesten Bruder vorzu-
schweben scheint, der, noch des Vaters Schutze ver-
trauend, still ergeben zu ihm aufblickt, indeß die beyben
mittleren zwischen Unbehagen und Neugier scheu umher-
sehen, der kleinste Knabe aber nach dem alten Spielge-
fährten, dem großen schönen Hund, sich umkehrt, der dem
Gebieter treu zur Todespforte folgte. Wie hier im Hin-
tergründe die gewölbte Brücke sichtbar wird, sehen wir
zur -Rechten ebenfalls durch hohe Bogen deS Arno Fluth,
die jenes Thurmes Fuß bespült, von dessen Zinne hier
Ruggieri die Schlüssel hinabwirft, und somit die unglück-
seligen Gefangenen dem Hungertode weiht. Mit Abscheu
wendet der bärtige Flnßgott im Vorgrunde sein Antlitz
von der schaudervollen That, und schrevend, mit ängstlich
ausgespanntem Fittig fliehen die frommen Schwäne, indeß
der Himmel, feuerentflammt, den Hintergrund mit ah-
nungsvollen Glutheu röthct.

Am besten gelang in diesem Bilde dem Künstler die
dichterische Behandlung seiner Aufgabe. Wir glauben ei-
nen Klageruf der Natur zu hören, die sich über das Ent-
setzliche empört, das in seiner lezten grausendeu Vollen-
dung im Mittelbllde mit dem Blick in'S 2»nere des
Hungerthurmes sich aufthut.

Wir wenden uns von einer Schmerzensgruppe, die
den kleinen Gaddo bereits todt zu des Vaters Füßen, die
Uebcrlebenden in einen 2ammerknäuel verschlungen dar-
stellt. Entsezt und tief erschüttert sehen wir gleich dar-
unter im Basrelief der Mauerwölbung das Bild der
Strafe, welche Dante über beyde Feinde bey seinem Be-
such in der Hölle verhängt findet, wie nämlich der, noch
immer vom Hunger gepeinigte Ugolino an Ruggieris
Schädel nagt. Zu beyden Seiten erkennt man Dantes
und Virgils Profil ebenfalls als Basrelief; längs dem
vbern Theil der Mauer lesen wir die Ueberschrift, dem
Giov. Villani, einem gleichzeitigen Geschichtschreiber, ent-
nommen :

„Lori fu Io ingiusto Iraditorc , da traditore tradito
giustamente,“
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