Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

DOI Artikel:
Gronau, Georg: Hans Olde
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0051

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIX. Jahrgang 1917/1918 Nr. 9. 30. November 1917

Die Kunstchronik und der Kunstmärkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 10 Mark
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei cer Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A Seemann, Leipzig, Hospitalstr.IIa,
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

HANS OLDE

Am 25. Oktober ist, im dreiundsechzigsten Jahr,
der Akademiedirektor Hans Olde in Kassel gestorben.
Schwerer, mit äußerlicher Ruhe getragener Kummer
über den Verlust des ältesten Sohnes, der von erfolg-
reicher U-Bootfahrt nicht zurückkehrte, hatte die
kernige Kraft des Körpers brüchig gemacht; so erlag
er rasch, nach wenigen Tagen. In seiner holsteini-
schen Heimat wurde er am Gedenktag der Refor-
mation beigesetzt.

Einem alten Geschlecht aus den Marschen ent-
stammt, war Hans Olde bestimmt, einst den väter-
lichen Stammsitz zu übernehmen. Auf eigener Scholle
wuchs er als freier Mann auf, verleugnete äußerlich
die nordische Herkunft nicht, die aus seinen blauen
Augen einem entgegenblitzte, und bei verbindlichster
äußerer Form nicht den unabhängigen Sinn und den
selbstbewußten Stolz eines Aufrechten. Wohin ihn
die Zufälle äußeren Geschehens führen mochten:
immer wieder kehrte er auf das ererbte Gut Seekamp,
nahe bei Friedrichsort, zurück und wurde jedes
Jahr in den Sommermonaten zum Landwirt. Sein
Wunsch war, in nicht zu ferner Zeit aller amtlichen
Pflichten bar den Lebensabend in gelassenem Tun
auf heimatlichem Boden zu verbringen.

Wie aber das Schicksal ihm diesen schönen Ab-
schluß seines reichen Lebens vorenthielt, so führte es
ihn weit ab von dem Beruf, auf den ihn die Über-
lieferung des Hauses hinwies. In dem Knaben, der
auf dem Marschgut Süderau 1855 geboren war, regte
sich frühzeitig gestaltend künstlerischer Sinn. Dem
inneren Drange widerstand lange der Wunsch des
Vaters, vielleicht auch das eigene holsteinische Blut,
und so ward Hans Olde zunächst Landwirt und über-
nahm als Verwalter ein Gut. Erst mit 24 Jahren
ward aus dem Landwirt der Künstler.

Die vergangenen Jahre waren darum nicht ver-
loren; ihnen verdankte er eine gesunde, echte Ver-
trautheit mit der Natur in der unermeßbaren Fülle
ihrer Erscheinungen, in dem Wechsel von Farbe und
Licht. Er brachte von eigener Anschauung mehr mit
auf die Akademie, als jüngere Elemente ihr eigen
nennen können; sein Verhältnis zur Natur war ein
besonderes, tief inniges und blieb es sein ganzes
Leben lang. Nie ward er müde zu wandern, und
nichts kleidete den sehnigen Körper besser als das
Sportkostüm. Weil er es über alles liebte, Natur in
ihren zartesten Geheimnissen zu belauschen, war er
ein leidenschaftlicher Jäger; seine Augen leuchteten,
wenn er von Morgen- oder Nachtstimmungen sprach,
die er im Walde erlebt hatte.

Auf dem Boden dieser persönlichen, stets erneuten
und daher nie verblassenden Naturanschauung erwuchs
seine gesunde, deutsche Kunst. Denn sie war deutsch,
trotzdem er, wie fast alle deutschen Maler aus der
zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, in Paris
seine letzte Ausbildung erfahren hatte, nachdem ein
paar Jahre Münchener Akademie, wo er bei Löfftz
arbeitete, vorhergegangen waren (1879—1884). Wenn
Olde rückschauend seiner Studienjahre gedachte, sprach
er eigentlich nur von der Zeit, wo er die Akademie
Julian besucht hatte (1886). Hier hatte er gelernt, was
er wollte; nicht den schönen Galerieton, sondern die
Fähigkeit für die Licht- und Luftprobleme, die ihn
beschäftigten, den richtigen technischen Ausdruck zu
finden. Noch einmal hat Paris ihn künstlerisch ge-
fördert, als er ein paar Jahre später Bilder von Claude
Monet kennen lernte, in denen er vollendet vor-
getragen sah, was er erstrebte. So ward Olde zu
einem der frühesten und ersten Vertreter des Im-
pressionismus in Deutschland — nicht als einer der
Mitläufer, sondern aus innerer Überzeugung.

Bald wurde sein Name genannt; die Bilder, die
er ausstellte, fielen auf, wie Neues aufzufallen pflegt,
Gegenstand des Angriffs mit unverständiger Kritik
und billigem Witz. Das war z. B. in München das
Schicksal seines Bildes »Wintersonne«, das heute, ein
Bestandteil des Vermächtnisses von Königs, der Na-
tionalgalerie gehört. Von Widerstand unbeirrt schritt
Olde auf dem Wege weiter, den er für den richtigen
hielt, und stand rasch unter den Führern der »neuen
Richtung«. Ein paar seiner besten Arbeiten gingen
in öffentlichen Besitz über, »Kühe« in die Kunst-
halle in Kiel; den »Stier« erwarb die Dresdener
Galerie. Es waren dies Bilder jener großzügigen
Art, wie sie in jener gesundesten Zeit des deutschen
Impressionismus gemalt worden sind, in denen Licht-
und Luftstimmung das Figürliche mit der Landschaft
zur künstlerischen Einheit gestaltet. Ein prächtiges
Stück dieser Art, die »Ernte«, hat sich Weimar ge-
sichert; ein Schnitterpaar im wogenden Korn, ein-
gebettet in strahlendster Mittagssonne.

. Neben der Landschaft und dem Tierstück hatte
Olde frühzeitig auf dem Gebiet sich betätigt, auf dem
er seine stärksten Erfolge davon getragen hat: im
Bildnis. Noch in seinen Anfängen hat er ein höchst
eindrucksvolles Porträt einer seiner Schwestern ge-
malt, die im Reitkostüm, von einem großen weißen
Hund begleitet, durch flimmernden Buchenwald
schreitet. Den greisen Vater, das gefurchte Gesicht
vom schneeweißen Bart umrahmt, stellte er dar gegen
den winterlichen Wald in seiner hellen Pracht ge-
sehen. Mit Vorliebe hat er stets seine Modelle mit
 
Annotationen