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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Orbaan, Johannes A. F.: Joseph Wilpert
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIX. Jahrgang 1917/1918 Nr. 16. 25. Januar 1918

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 10 Mark.
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leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
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JOSEPH WILPERT

Es liegt eine so ideale Besprechung des
Meisterwerkes Wilperts »über die Römischen
Mosaiken und Malereien der kirchlichen
Bauten vom 4. bis 18. Jahrhundert* vor1), daß
ich von vornehin darauf verzichten muß, der
sonst so ehrenden Einladung der Redaktion
zu diesem Zwecke Folge zu leisten. Ich möchte
anstatt dessen nur einiges mitteilen aus meiner
persönlichen Bekanntschaft mit dem Autor und
über die jetzt schon zur Vorgeschichte der
Gegenwart gehörige Umgebung, wo seine herr-
liche Arbeit entstand und fast ihre Vollen-
dung erreichte.

Als unser Jan Veth zur Vatikanischen Bibliothek
kam, um Rembrandtstiche zu studieren, sah ich oft
seinen Blick umherschweifen, und ich hoffte im stillen,
daß er einige der über alte Schriften gebückten Cha-
rakterköpfe zeichnen würde . . .

Einmal habe ich dort sogar eine Gruppe gesehen,
wie in Rubens' ex voto Gemälde seiner Italienischen
Reise, in einem lebenden Bilde.

Egger und Hülsen waren damals an der Vorbe-
reitung ihres Heemskerk-Werkes, und ihre Aufmerk-
samkeit war bei irgend einem Stich, der mit dem
braven Maarten zu tun haben könnte.

Es muß etwas sehr Interessantes und Feines gewesen
sein, wie immer wenn die zwei sich hinreißen lassen.

Der Bibliothekar Ehrle wurde herbeigerufen und
Kristeller, und da bildete sich die Gruppe, die sich
tief in mein Gedächtnis prägen mußte. Noch und
für immer, wenn ich mir einen schönen Zusammen-
hang in der »ecclesia militans* der Wissenschaft zu
Trost und Anregung denken darf, rufe ich das
lebende Bild hervor.

Nicht die Gegensätze von Lebensberuf, gewöhn-
lichem Aufenthalt und auch keine Äußerlichkeiten soll-
ten dort den Zufall als Maler so sehr bemüht haben;
mehr die Aufgabe, die gemeinsame Anstrengung glück-
lichst veranlagter und durchschulter Geister zum plasti-
schen Ausdruck zu bringen.

Ein gemeinsamer Wille des Wissens vereinte sich
dort in seltsamer Kraft auf einen historischen Gegen-
stand, der von den ruhigen Augen doch in Fasern
gegliedert wurde, wie in Rembrandts Anatomie, aber
ohne die Erregung der Jüngeren, mit der errungenen
Ruhe eines Tulp oder Vesalius.

Ich konnte nicht umhin, den Eindruck auszuar-
beiten und mir klar zu machen, wieviel dort in

1) Harnack in der »Theologischen Literaturzeitung«
1917, Nr. 3, Sp. 52 ff.

knapper Zusammenstellung der jetzigen Kenntnisse
eines halben Jahrhunderts regster Kulturgeschichte
einen geistigen Hain um das Studienobjekt bildete.
Mit Ventun", Pastor, Gnoli wäre der Zauberkreis, um
die Vergangenheit heraufzubeschwören, geschlossen
gewesen!

Es mag ein Spiel des Gedächtnisses sein, daß
dieses Bild sich in meiner Erinnerung immer aus-
dehnt. Ich sehe als reichliche Staffage dazu die Eng-
länder Bannister und Gasquet, den lieben und in-
telligenten Michel, Celani an seinem schwierigen
Burckhardt (den Zeremonienmeister), Pollak und Frey
in den Rechnungsbüchern der Reverenda Fabbrica,
Fischel, dem eben während der Entscheidung über
das Sein oder Nicht-Sein einer Raffael-Zeichnung ein
Epigramm einfällt, Sobotka mit Mancini beschäftigt.
Aber es ist möglich, daß dabei ein heimlicher Okkul-
tismus mitwirkt, der in der Überanstrengung einer
fürchterlichen Wirklichkeit die Toten und Lebenden
und im Kampfe weilenden zu vereinen sucht, mit
denen, die einander wie lebende Tote gegenüber-
stehen . . .

Sicher bin ich dessen, daß auch die schlanke,
elastische Figur Wilperts in den Rahmen des Bildes
hineintrat aus geschichtlich enfernteren Sphären.

Das curriculum vitae eines Prälaten liegt abseits
von den Heerstraßen des gewöhnlichen Lebens.

Von ihm wußte man, daß ein großer Abschnitt
seiner Tätigkeit sich in dem unterirdischen Rom außer
den Mauern abspielte.

Es würde ihn in einer geheimnisvollen Hülle ver-
steckt haben, wenn seine markante Persönlichkeit sich
nicht von selbst eine solche Verkleidung verbeten hätte.

Doch spürte man, daß er kam aus dieser Zauber-
welt, und tiefer als je ihre neuen Rätsel aufdeckte,
wo zum viertenmal eine eigene Kulturwelt aus den
Hypqgaeen hervorblühen sollte.

Der erste Akt war — nach vereinzelten Probe-
fahrten mittelalterlicher Pilger — die Entdeckung
eines Roms an sich, neben der Via Salaria, mit van
Winghen unter den Protagonisten; dann, um 1600,
die Reisen und Erlebnisse des Bosio, in seinem an
solchen Stellen fast abenteuerlichen Roma Sotferranea
reizend beschrieben; drittens die klassische Zeit von
de Ros'si und seiner Schule, letztens, als ein Atlas
der eine ganze Welt trägt, allein: Wilpert.

Die Wissenschaft der Christlichen Archäologie
hatte es mit jeder dieser nur angedeuteten Stufen
ihrer Entwicklung, auch in der Breite des umfaßten
Gebietes zu solchem Umfang gebracht, daß es nur
einer ganz auserlesenen Intelligenz gegeben war, sich
 
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