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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Ausgrabungs- und Fundberichte aus Italien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0107

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIX. Jahrgang 1917/1918 Nr. 18. 8. Februar 1918

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 10 Mark.
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leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
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AUSGRABUNGS- UND FUNDBERICHTE
AUS ITALIEN

In »The Times Literary Supplement« vom 15. Novem-
ber finden wir einen umfangreichen archäologischen Bericht
der bekannten englischen Archäologin Eugenie Strong von
der Britischen Schule in Rom, für das Jahr 1917, den wir,
soweit er für uns Interessantes bietet, in Ermangelung
direkter deutscher Berichte wiederzugeben genötigt sind.

In Rom haben sich die Ausgrabungen mehr auf die
Umgebung und die äußere Peripherie der Stadt geworfen,
wo verschiedene Arbeiten im Gange sind. Die wichtigsten
Entdeckungen sind im Südosten der Stadt nahe bei der
Porta maggiore und der Via praenestina auf einem kleinen
Striche Land unter den Geleisen der Linie Rom — Neapel
gemacht, wo in derTiefe von 14 Metern ein Gebäude aus dem
2. Jahrhundert n. Chr. aufgedeckt wurde. Es handalt sich um
eine prächtige Säulenhalle 14X8 Meter im Basilikastil mit
Atrium, Apsis und einem durch Pilasterreihen in drei Flügel
geteilten Schiff. Jede nur brauchbare Wand ist mit kühnen
und flotten Stuckdekorationen geschmückt. In der Muschel-
nische der Apsis ist eine Aphrodite (?) dargestellt, die von
einem Eros längs dem Wasser hingedrängt wird, der auf
dem Felsenufer steht, während ein Triton bereit ist, die
Göttin mit einem ausgebreiteten Tuch zu empfangen.
Unterhalb der Apsisnische findet sich eine Nike mit Sieges-
kranz. Die Tonnengewölbe des Schiffes und der Flügel
sind in unzählige Panele abgeteilt, welche die Prozesse
und die Abenteuer der Seele in dieser Welt und Be-
lohnung und Strafe in der andern Welt darstellen. In der
Höhe der Seitenschiffe läuft ein breiter Fries, auf dem
Oranten mit Opfer- und rituellen Gegenständen und Sym-
bolen der Auferstehung und des Lebens nach dem Tode
abwechseln; in der Vorhalle rahmen Stucco-Tondi diony-
sische Szenen ein. Die Hauptfarbe im Innern ist ein
glänzendes Weiß, aber in der Vorhalle findet man auch
eineii breiten Würfel in pompsjianischem Rot mit glän-
zenden Darstellungen von Blumen, Vögeln usw., während
die Decke in saphirblaue Quadrate geteilt ist. Ver-
schiedene Löcher im Gewölbe und in den Mauern lassen
erkennen, daß die Basilika in der Vergangenheit ausge-
raubt worden ist. Es fehlen Mosaikbodenbelag, ein Altar,
der an der Apsis stand, und sechs niedere Lampen, deren
Basen sich noch an den Pilastern erkennen lassen. Der
alte Eingang führte auf Umwegen zur Via praenestina.
Es ist schwierig, in Ermangelung jeder Inschrift den Zweck
der Gebäulichkeiten zu erkennen; man darf aber aus den
erhaltenen Darstellungen schließen, daß es die Initiations-
halle irgend einer religiösen Brüderschaft oder Sodalitas,
die mit den eleusischen Mysterien in gewissem Zusammen-
hang steht, war. Zurzeit kommt man auf einer fast senk-
rechten Leiter in die Tiefe von 50 Fuß zu den Ruinen
herunter. Unglaubliche Schwierigkeiten hatten die Aus-
grabungen wegen der mächtigen Eisenbahnlinie, die dar-
über führt, zu überwinden; namentlich die erste Sicherung
der Bauten machte wegen der ständigen Erschütterung
durch die darüber fahrenden Eisenbahnzüge unendliche
Mühe. — Ganz in der Nähe fand man drei Gräber aus

der republikanischen Zeit, in denen die Bildnisse der Ver-
storbenen fast unversehrt in ihren Nischen standen, ganz
am Ende der Villa Wolkonski, wo gerade die neue Viale
di Santa Croce erweitert wird. Diese Gräber hat man in
situ wieder hergestellt, sie liegen in einer Linie mit einem
vor Jahren entdeckten Columbarium und scheinen eine alte
Straße, vermutlich die Via caelimontana antiqua, eingefaßt
zu haben.

Die Forschungen unter der Basilika des hl. Sebastian
an der Via Appia, wo die Tradition das zeitweilige Begräbnis
der hl. Apostel Peter und Paul annimmt, wurden ener-
gisch fortgesetzt. In dem untersten archäologischen Stratum
unter der Basilika apostolorum des 4. Jahrhunderts wurden
weitere Columbarien und zwei weitere Zimmer unter dem
Presbyterium des im Vorjahre entdeckten römischen Hauses
ausgeräumt. Die Wanddekoration dieses Hauses gehört
zu den besten Beispielen Augusteischer und Claudio-
Neronianischer Wandmalerei; ein Seestück von merkwür-
diger Schönheit ist darunter, das einen Hafen mit in die
See stechenden Booten darstellt, während am Ufer ein
ländliches Fest unter einem Zelthimmel, der zwischen einem
malerischen Turm und einem großen Baum ausgebreitet ist,
stattfindet. Welch ein Zusammenhang besteht zwischen der
römischen Villa und dem komplizierten Gebäude aus dem
3. Jahrhundert n. Ch., das sich unter dem Schiff der Basi-
lika befindet, ist, ist noch nicht festgestellt. Dieses Gebäude
war wahrscheinlich eine Trichila (Pavillon, Laubhütte), ein
Erholungsplatz für die Pilger, welche, wie die unzähligen
Graphiti bezeugen, in Mengen die in den frühesten Zeiten
durch das Andenken an die- beiden Apostel geheiligte
Stätte besuchten. Die Ausgrabung bietet natürlich hier
besondere Schwierigkeiten, da die prächtige, vom Kardinal
Scipio Borghese im 17. Jahrhundert errichtete Kirche unter
allen Umständen geschont werden muß. Der letzte Be-
richt führt aus, daß die Ausgrabungen aber doch zweifel-
los imstande sind, das noch dunkle Problem über den
Ursprung des Kultus der Apostel am dritten Meilenstein
der Via Appia lösen zu helfen.

In Ostia wurde ein viereckiger Markt, der durch ein
Zentralgebäude in zwei Hälften geteilt wird, nördlich vom
Weg zwischen Theater und Vulkantempel, weit unter dem
Niveau der kaiserlichen Stadt angeschnitten. Nahe dabei
wurden weitere Fragmente der örtlichen Fasti gefunden,
von denen Teile schon früher in römische Museen gelangt
waren. In den Neufunden sind Ereignisse der Jahre 36 bis
39 n. Chr. verzeichnet, u. a. ein' Bericht über den Tod des
Tiberius zu Misenum am 16. März 37, von dem Transport
seiner Leiche nach Rom durch die Soldaten und von den
Begräbnisfeierlichkeiten des Kaisers. Unter den neuerdings
aufgedeckten Häusern findet sich ein neues Schema, indem
ein langer Balkon um zwei Seiten herumläuft. Ein anderes
zeichnet sich durch vortreffliche Wandmalereien, darunter
Bildnisse von Dichtern, Philosophen und Tänzerinnen aus.
Weitere Funde aus Ostia sind: ein schönes Fragment
eines Marmorbodenbelags mit den Jahreszeiten, eine kleine
Säule aus Cipollino mit einem Relief des guten Hirten —
eins der wenigen christlichen Andenken aus Ostia — und
ein Rundaltar mit Götterdarstellungen.
 
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