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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Küppers, Paul Erich: Zur Handtextilienausstellung in der Kestner-Gesellschaft Hannover
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0182

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339 Zur Handtextilausstellung in der Kestner-Oesellschaft Hannover — Personalien — Ausstellungen 340

Durch die Beteiligung fast aller in Deutschland auf
diesem Gebiete erfolgreich tätigen Kräfte konnte man
diese Ausstellung als ein zutreffendes Bild der deutschen
Handtextilkunst betrachten. In zahlreichen technisch
schönen Arbeiten klangen Erinnerungen, besonders
an das handarbeitsfreudige Biedermeier, noch allzu
deutlich nach; in einer großen Anzahl von Erzeug-
nissen der Nadelkunst aber wurde das Wirken des neuen
Geistes in erfreulicher Klarheit sichtbar. Die Bild-
stickereien von Frau Martha Worringer-Bonn, um
nur einige wenige Namen zu nennen, die Krippen-
figuren und Applikationen von Melly Joseph-Stuttgart,
die straffkomponierten Wandbehänge von Frau Frank-
Meisel und die mit männlichem Radikalismus vor-
getriebenen Arbeiten von Frau Düllberg-Arnheim
zeigten das neue Streben, über das äußerlich Dekorative
ins ausdrucksvoll Empfundene vorzudringen. In diesen
Arbeiten sind die alten überkommenen Gesetze durch-
brochen. Das Technische hat sein Übergewicht ver-
loren, und die durchgefühlte Form, die Verteilung der
starken, ausdruckskräftigen Farben und der gesammelte
Rhythmus der Linienführung wird wirksam. Hier ist
derselbe Wille am Werk, aus dem heraus die Bilder
eines Pechstein oder Seewald, eines Scharff oder Macke
geboren sind. Ein neuer Idealismus reift hier heran,
dem das innerlich Empfundene wesentlicher ist als
die leere Geste des Dekorativen oder die glänzende
Volte des Virtuosen. Es kann sich also nicht mehr
darum handeln, in der Handtextilkunst die Technik
weiter zu komplizieren, um das Handwerkliche schließ-
lich zum Nadelkunststück zu erniedrigen. Es bedarf
des inneren, des geistigen Fortschrittes, des einfachen
klaren Willens, über die alten Erinnerungen zu neuen
Eroberungen fortzuschreiten. Es bedarf des Mutes, der
— anstatt über verlorene Schönheiten zu jammern —
stolz aus sich heraus neue Schönheiten schafft.

Das gilt auch für die Art, wie wir uns zu kleiden
haben. Die Modenschau, die die Kestner-Gesellschaft
im Anschluß an die Handtextilausstellung veranstaltete,
sollte die Blicke wieder einmal auf die Wichtigkeit
dieser Frage richten. Die Magdeburger Kunst-
gewerbe-Schule zeigte die letzten Erzeugnisse ihrer
Lehrklasse für deutsche Frauenkleidung, die mit Unter-
stützung des Staates ins Leben gerufen wurde und
die nach diesen Proben sehr wohl geeignet erscheint,
das alte Vorurteil zu brechen, als könne die reiche
und elegante Dame nur von Poiret oder Paquin ge-
kleidet werden. Künstler, die eine schöne deutsche
Mode schaffen könnten, sind vorhanden. Das bewiesen
die gezeigten Modelle, von denen einzelne in Schnitt
und Farbe, in der Schönheit des Materials und der
Gediegenheit der Machart einen gewissen Grad von
Vollendung erreichen. Aber natürlich haben die voll-
kommensten Lösungen nur einen Sinn, wenn die
deutsche Frau hier zugreift. Sie muß erst erkennen,
daß die Gewänder des gallischen Künstlers gar nicht
für ihr Temperament und für ihre Art des Sichgebens
gedacht und daher im Grunde ebensowenig erfreulich
für sie sind, wie die uniformierende Konfektionsware,
die ihr jahraus, jahrein mit geringen Änderungen wieder
aufgeschwatzt wird.

Vielleicht findet man, daß diese Dinge jetzt, da
Völkerschicksale auf dem Spiele stehen, reichlich un-
wichtig sind. Aber wir haben uns in glücklicher
Friedenszeit mit Lodenanzug und Alpenstange auf
dem Markusplatz in Venedig allzu oft lächerlich ge-
macht und im Auslande mit unserem Äußeren genug
Spott geerntet. Es ist nicht gleichgültig, ob wir »gut
gekleidet sind oder mehr oder weniger geschmacklos
kostümiert«. Ja, es ist nicht einmal gleichgültig, was
für ein Kissen auf unserem Sofa liegt, denn in Äußer-
lichkeiten spricht sich ein gut Teil inneren Wesens aus:
»Es ist nichts in der Haut, was nicht im Knochen ist.«

Die Kunst soll das ganze Leben bis zum geringsten
Gegenstande des täglichen Bedarfs durchdringen. Aber
es darf nicht die Kunst von gestern und vorgestern
sein, so lieblich und erfreulich sie uns rückblickend
auch erscheinen mag. Nur die Kunst von heute hat
hier Recht, jene Kunst, die getragen ist von der neuen,
ehrlichen, aufs Wesentliche gerichteten Gesinnung, die
ganz bis ins tiefste Wesen der Gegenwart, der Jugend
angehört. Auch der Krieg der Waffen wird ja nicht
durch alte Petarden und Faustrohre entschieden, sondern
durch den eisernen Willen nach vorwärts und die
modernsten und neuesten Kampfmittel. Der deutsche
Wille setzt sich durch in der Welt, wenn er jung
bleibt und gegenwartsfroh und — vor allem — er-
füllt vom neuen Geiste. Denn der Geist ist stärker als
Panzerplatte und Geschütz, der Geist bricht Burgen.

Dr. PAUL ERICH KÜPPERS.

PERSONALIEN

Anläßlich der Eröffnung der Großen Berliner Kunst-
ausstellung im Kunstpalast zu Düsseldorf am 11. Mai wurde
den Düsseldorfer Malern Ernst te Peerdt und Andreas
Dirks der Titel Professor verliehen.

AUSSTELLUNGEN

Stuttgart. Der Württembergische Kunstverein be-
herbergt im Mai Sammelausstellungen von Landenberger
und Pankok. Die Pankokausstellung vereinigt in geschmack-
voller Hängung eine Anzahl kleiner Landschaften der
neunziger Jahre mit neuen Bildnissen. In ihnen zeigt
Pankoks Stil sich vereinfacht, vertieft und gesteigert. Die
flockige, lockere Mal weise einiger älterer Bildnisse, wie
z. B. des Generals Blume, ist endgültig überwunden. Die
. Zeichnung ist straffer, die Charakterisierung von einer un-
erbittlichen Sachlichkeit, die an die Art erinnert, wie Goya
sein spanisches Königspaar behandelt. So in den Bild-
nissen des Musikschriftstellers Kühn und des Fabrikanten
Susmann. Würdiger, repräsentierender, aber Zeugnisse der
gleichen, rückhaltlosen Wahlheitsliebe, sind die Bildnisse
von Karl Osthaus, Konrad Lange, Wilhelm von Scholz
und der Frau Rosenfeld, das letzte in seiner Zusammen-
stellung von blaßroten, fliederfarbenen und blauen Tönen
ein Beispiel der alten, sublimen Farbgebung Pankoks, durch
die sich auch einige kleinere Kinderbilder auszeichnen.

Neben Pankoks beherrschter, straffer Malerei, die so
gar keine Beziehungen zu dem Phantasiereichtum seines
Kunstgewerbes verrät, erscheinen Landenbergers Werke
reicher, wärmer, subjektiver und minder unfehlbar. Wie
in Pankok das kühlernste Temperament des Westfalen, so
zeigt sich in Landenberger das beweglichere, im Grunde
 
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