und zu in einer trockenen Zeitungsnotiz, im Polizeiberichte erwähnt!
Kräftige Charaktere, hoch begabte Geister beglücken immer noch ihre
Umgebungen und bisweilen sogar die ganze Welt trotz allen Hinder-
nissen unglaublich feststehender Jrrtümer. Möge sich der wahre Künstler
nicht durch die Oberflächlichkeit und Talentlosigkeit solcher, die unsere Zeit
„künstlerisch" behandelt haben, abschrecken lassen!
Selbst das Sujet der berüchtigten „Cavalleria" wäre an sich
sogar sehr interessant, es wäre unter den Händen eines echten Künstlers
etwas Wunderschönes daraus geworden. Rein-Menschlich ziehen uns die
arme betrogene Santuzza, die beängstigte Mutter, der sinnlich rücksichts-
lose Turiddu, die kokette Lola an. Nur müßte die Dichtung vertiefter,
die Musik uncndlich edler und charakteristischer sein. Es ist Mode,
schlecht über das Publikum zu sprechen. Doch behaupte ich, daß der
Erfolg der „Cavalleria" nicht nur durch die Plattheiten der Mas-
cagnischen Melodik, sondern vor allem durch das Rein-Menschliche, das
in Vergas kleinem Drama, trotz aller Verunstaltung, steckt, zu erklären sei.
Wie wunderschön hätte ein wahrer Künstlcr z. B. die Szene gestalten
können, in welchcr die sündenbeladene, reuevolle Santuzza vor der
Kirche niedcrkniet, währcnd ein fcierlicher Choral (anstatt der gemeinen
Drchorgelmelodie) aus dem alten Gorteshause tönt! Enr italienisches
Gretchen! Die Musik hätte die heiligsten Klänge ertönen lassen können!
Behalten wir vor den Augen die große Wahrheit: Nur das
R e i n - M e n s ch l i ch e erzeugt ein gutes D r a m a. Ob wir
dies Grundelement aller Kunst im Mpthos, in der 6)egenwart, ja sogar
Zukunft (Björnsons „Über die Kraft" ll.) ßnden, i st a n s i ch g a n z
gleichgültig. Auch die Geschichte, wo sie nicht als offizielle Welt-
geschichtc auftritt, kann uns reichen Stoff liefern? Jeder Künstler
suche, was seiner Natur entsprechend ist. Wie viele junge Dramatiker
verlieren Zeit und Mühe, weil sie einem großen Künstler als Beispiel
blindlings folgen und sich nach künstlichen Gesetzen richten, welche wohl-
meinende aber bornierte Aesthetiker aufgestcllt haben. Jch glaube jeden-
falls, daß man überall das Rein-Menschliche ohne Vorurteile suchen soll.
Der überrcichstc Stoff ist vorhanden, und ncue Wege licgen überall offen.
Gerbard Schjclderux.
NltdeutsLve Lleder.
Es ist wohl noch nicht allzu Vielen bekannt, dah der jüngst verstorbene
tapfcre Vorkämpfer der Ballade auch einer der besten, intimsten Kenner des deut-
schen Volksgcsanges war. „Wie kcrnig, siegesbcwuht und dann wieder bezau-
bernd, ja unbegreiflich süh und zart schrcitet das altc deutsche Volkslied cinher!",
pflcgte er seincn Jüngern zu predigen: „es muh ein ganz cmderes Volk damals
gewesen sein, besser, kerniger und keuscher im Empfinden." Jn die Wunderwelt
des altdeutschen Licdes flüchtete Plüddemann darum gern aus der ihm fcind-
seligcn, unverständlichen und verhahten mvdernen Zeit, und diesem Umstande
verdanken wir die köstlichen Bearbeitungen von sechs alten Volksweisen für
Klavier und Einzelgesang, die im Verlage von Alsrcd Schmid in Münchcn
crschienen sind. Es steckt die innigste Liebe eincs feinfühligen Musikers iu
*) Z. B. „Meistersingcr'.
Kräftige Charaktere, hoch begabte Geister beglücken immer noch ihre
Umgebungen und bisweilen sogar die ganze Welt trotz allen Hinder-
nissen unglaublich feststehender Jrrtümer. Möge sich der wahre Künstler
nicht durch die Oberflächlichkeit und Talentlosigkeit solcher, die unsere Zeit
„künstlerisch" behandelt haben, abschrecken lassen!
Selbst das Sujet der berüchtigten „Cavalleria" wäre an sich
sogar sehr interessant, es wäre unter den Händen eines echten Künstlers
etwas Wunderschönes daraus geworden. Rein-Menschlich ziehen uns die
arme betrogene Santuzza, die beängstigte Mutter, der sinnlich rücksichts-
lose Turiddu, die kokette Lola an. Nur müßte die Dichtung vertiefter,
die Musik uncndlich edler und charakteristischer sein. Es ist Mode,
schlecht über das Publikum zu sprechen. Doch behaupte ich, daß der
Erfolg der „Cavalleria" nicht nur durch die Plattheiten der Mas-
cagnischen Melodik, sondern vor allem durch das Rein-Menschliche, das
in Vergas kleinem Drama, trotz aller Verunstaltung, steckt, zu erklären sei.
Wie wunderschön hätte ein wahrer Künstlcr z. B. die Szene gestalten
können, in welchcr die sündenbeladene, reuevolle Santuzza vor der
Kirche niedcrkniet, währcnd ein fcierlicher Choral (anstatt der gemeinen
Drchorgelmelodie) aus dem alten Gorteshause tönt! Enr italienisches
Gretchen! Die Musik hätte die heiligsten Klänge ertönen lassen können!
Behalten wir vor den Augen die große Wahrheit: Nur das
R e i n - M e n s ch l i ch e erzeugt ein gutes D r a m a. Ob wir
dies Grundelement aller Kunst im Mpthos, in der 6)egenwart, ja sogar
Zukunft (Björnsons „Über die Kraft" ll.) ßnden, i st a n s i ch g a n z
gleichgültig. Auch die Geschichte, wo sie nicht als offizielle Welt-
geschichtc auftritt, kann uns reichen Stoff liefern? Jeder Künstler
suche, was seiner Natur entsprechend ist. Wie viele junge Dramatiker
verlieren Zeit und Mühe, weil sie einem großen Künstler als Beispiel
blindlings folgen und sich nach künstlichen Gesetzen richten, welche wohl-
meinende aber bornierte Aesthetiker aufgestcllt haben. Jch glaube jeden-
falls, daß man überall das Rein-Menschliche ohne Vorurteile suchen soll.
Der überrcichstc Stoff ist vorhanden, und ncue Wege licgen überall offen.
Gerbard Schjclderux.
NltdeutsLve Lleder.
Es ist wohl noch nicht allzu Vielen bekannt, dah der jüngst verstorbene
tapfcre Vorkämpfer der Ballade auch einer der besten, intimsten Kenner des deut-
schen Volksgcsanges war. „Wie kcrnig, siegesbcwuht und dann wieder bezau-
bernd, ja unbegreiflich süh und zart schrcitet das altc deutsche Volkslied cinher!",
pflcgte er seincn Jüngern zu predigen: „es muh ein ganz cmderes Volk damals
gewesen sein, besser, kerniger und keuscher im Empfinden." Jn die Wunderwelt
des altdeutschen Licdes flüchtete Plüddemann darum gern aus der ihm fcind-
seligcn, unverständlichen und verhahten mvdernen Zeit, und diesem Umstande
verdanken wir die köstlichen Bearbeitungen von sechs alten Volksweisen für
Klavier und Einzelgesang, die im Verlage von Alsrcd Schmid in Münchcn
crschienen sind. Es steckt die innigste Liebe eincs feinfühligen Musikers iu
*) Z. B. „Meistersingcr'.