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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,1.1897-1898

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Heft 12 (2. Märzheft 1898)
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Lose Blätter
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Vom Tage
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https://doi.org/10.11588/diglit.7955#0406

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Was soll das? Was bcdcutet das?

Das bedeutet eine Konzession an den Ammeninstinkt. Meinetwegen, was
geht mich das an? Jch bin nicht Amme; ich brauche cinfach die Augcn abzu-
wenden.

Allein wenn man mir nun derglcichen als über die Maszcn sittsam ver-
kaufen will, so entgcgne ich: der Ammeninstinkt, also in unserm Fall daS
Wohlgefallen am Kinderspeck, gehört genau in dieselbe Rubrik wie die übrigen
Jnstinkte, wclcho die Fortdauer des Menschengeschlechtes zum Ziel haben. Und
ob cin Jnstinkt höher stände als ein anderer, das ist noch eine Frnge.

Rarl Spittcler (Lachende wahrheiteu.)

vom Tcige.

LiterKtur.

* Vom Deutsch-Schreiben. „Die
»Moderne« hat ihr Gutes", schricb
Rosegger kürzlich in einem Prwat-
brief, „sie hat unsern Stil befreit, jetzt
darf jeder schreibon, wie cr kann, und
das ist auch was wert. Nach mciner
Meinung ist es wirklich bei dem deutschen
Dichter nicht nötig, dasj er »deutsch«
kann. Denn dieses oerdüchtige »Deutsch"
istdas Schulmeisterdeutsch. Wirwollen
das lebendige Deutsch, das jedcr in
seiner Art kann, der ein Dichter ist."

* Die Jubiläums - Ausgabe von
Jbsens Werken, die jctzt bei S. Fi-
scher in Berlin erscheint, bringt in dem
zweiten Band ihrcr Folgc, aber in
dem ersten, der ausgegebcn worden
ist, zwei auch in Skandinavien noch
ungcdruckteJugenddramendesMeisters,
„D a s Hünengrab" und „Olaf
L i l j c k r a n s". Als Werke eincs
Mannes von solchcr Bedcutung ver-
dienen sie natürlich jetzt den Druck,
cm und für sich aber sind sie unreife
Arbciten, die nur in einigen Einzet-
heiten dichterischen Wert haben. Das
geben übrigens auch die Hcrnusgeber
unbefangen zu.

* Dem hochbegabten Knut Ham-
sun ist in Norwcgen das Staatsstipen-
dium verweigert worden, weil er im
Münchner „Simplicissimus" einmal
„cinc unmoralische Geschichte" ver-
öffentlicht habe. Das beweist, daß es
auch in Norwegen engherzige Philister
gibt. Wenn wir abcr jetzt auf diese
eigentlich doch nicht sehr überrascheude

Thatsache stolz hiuweisen, so solltcn
wir nicht vergessen, daß wir Deutschen
„Staatsstipendien" und „Dichterpen-
sionen" im erbärmlichen Gegensatz zu
demselben Norwegen übcrhaupt noch
nicht haben.

«Lheatcv.

* Jn Meiningen schien für
einen Tag die altc Herrlichkcit wieder
aufgclebt: Die silberne Hochzeit deS
Herzogs zu feicrn, gaben sich die alten
Lkrüftc der einst so berühmten Wander-
bühne ein Stclldichein und führtcn
miteinander den „Kaufmann vvn Be-
nedig" auf. Wir haben unsere Gegner-
schaft gegen manche „Meiningerci" nie
vcrlcugnet, und was wir vom jetzigcn
Meininger Jntcndanten Paul Lindau
halten, wisscn ja unserc Lescr auch,
aber ivir möchtcn bci dieser Gelegen-
heit gern wicdcr dem Mißvcrstündnis
cntgcgentreten. als fielen die übcln
Folgen dcr Meiningcr Theaterreform
stärker ins Gewicht als ihre guten
Folgen, ja, als wäre zumal aus dcn
Fehlern vcrständnisloscr Nachahmer
gar den Bestrebungen des Hcrzogs ein
Vorwurf zu machen. Für das Theater
ihrer Zeit bedenteten „die Meiningcr"
in einer Nichtung ungefähr dasselbe,
wie „die Pilotyschule" in der Malerei,
sie schärften, was sehr nvtig war, den
Sinn für historische Treue und für
eine freilich noch etwaS thcatralischc
„Farbe", sio bildeten andcrseits über-
raschcnd vicle Talente heran. Dann
stürktcn sic in hohem Maßc das Bcr-

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