liegen, und dann sieht's wie eine Eierschale des neuen Poetenvogels aus. Er
ist ja noch nicht gar weit vom Neste — da versteht sich so etwas von selbst.
Jhr Musiker unter unsern Lesern, wollt ihr einen hören, der euer Leiden
undAreun im Jnnersten mitmacht? Geht zu Söhle. Jhr Bauernfreunde, wollt
ihr wieder den norddeutschen Bauern sehen, ganz echt, wie er ist? Geht zu
Söhle. Jhr Naturfreunde, wollt ihr wieder mal ein großes Kinder-, d. h. ein
echtes Künstlerherz belauschen, wie sichs an Haide und Wald und Vogelgesang
erfreut? Jhr Freunde des Humors, des keuschen, der im Dämmerdunkel des
Hcrzens wohnt, nicht bei dem hellen Lichte im Kopse, sucht ihr etwas sür cuch?
Jhr Frcunde der deutschen Art, der ehrlichen kernigen, die ihr gern aus
dem internationalen Literatensalon heim in die Gotteswelt wollt, fragt ihr,
wohin? Geht zu Söhle. Jn all euren Namen darf ich ihm Gruß und Hand-
schlag bieten im deutschen Schrifttum: nun laßt Euch's wohl sein bei den
Poeten, Herr Musikant, und bleibt bei ihnen! A.
LitersturgesLbicbtltcbe Diusnmcberei.
Daß ichs gestehe: ich empfinde jedcsmal ein gelindes Grauen, wenn mir
ein neues literatur-geschichtliches Werk, das den Namen eines unserer bekanntesten
Literaturforscher trägt, zur Besprechung zugeht. Mag es eine neue Dichter-
biographie, mögen cs einzelne gesammelte Beiträge zu diesein oder jenem Dichter-
lebcn sein (Darstellungen ganzer Literaturen oder einzelner Literaturperioden
sind ja verhältnismäßig spärlich oder waren es doch bis zur allerjüngsten Zeit),
immcr fürchte ich eine Arbeit kleinlicher und dabei wichtigthuerischer Art zu
finden. Eine Arbeit, meine ich, die über etwaigen neu beizubringenden Einzel-
heiten die Hauptsache vergißt oder doch ignorieren zu können glaubt, die das,
was der Dichter seinem Bolke und seiner Zeit war und uns zum Teil noch ist,
den Lebensgehalt seiner Werke, das Wesen seines Talentes, den Kern seiner
Persönlichkeit vergeblich zu fassen versucht, dafür aber allerlei aktenmäßige neue
„Thatsachen", Briefe oder Papierabschnitzel beibringt, — welche nur leider
unsere Anschauung auch günstigenfalls nur wenig erweitern und unser Ver-
ständnis nach keiner Seite vertiefen können. Und wie selten wcrde ich ange-
nehm enttäuscht! Nun wird man mir sagen, daß die Hauptarbeit, die Dar-
stellung der wichtigen Dinge doch bereits geleistet sei, daß die heutige Literatur-
wissenschaft sich eben boscheiden und jene Kleinarbeit leisten müsse, die doch
immerhin manches Neue und Jnteressante zu Tage fördere. Aber das ist eben
nicht wahr: die Hauptarbeit ist nicht geleistet, noch immer sind die wahr-
haft anschaulichen und tiefdringenden Dichterbiographien, noch immer sind
literargeschichtliche Werke selten genug, die zugleich wieder Zierden der Literatur
sind, noch immer fehlt uns eine deutsche Literaturgeschichte großen Stils, die
des alten Gcrvinus Werk wirklich überholte. Es ist oft genug tadelnd ausge-
sprochen worden, aber man muß es immer wiederholcn: unsere heutige Literatur-
wissenschaft ist Kleinigkeitskrämerei oder noch schlimmer, reine Plusmacherei,
eine Wissenschaft, die sür das Leben des deutschen Volkes kaum Bedeutung hat
und nur da ist, damit so und so viel Gelehrte zu thun habcn.
Eine mir vorliegende Sammlung von Vorträgen und Abhandlungen
Ludwig Geigers, „Dichtcr und Frauen" betitelt, (Berlin, Vcrlag
von Gebrüder Paetel) bestätigt leider auch wieder meine Anschauung von der
modcrnen Literaturwissenschaft. Die eine Hälste der Arbeiten ist überflüssig und
die andere taugt nicht viel. Vor nunmehr bald vierzig Jahren, hut Karl
ist ja noch nicht gar weit vom Neste — da versteht sich so etwas von selbst.
Jhr Musiker unter unsern Lesern, wollt ihr einen hören, der euer Leiden
undAreun im Jnnersten mitmacht? Geht zu Söhle. Jhr Bauernfreunde, wollt
ihr wieder den norddeutschen Bauern sehen, ganz echt, wie er ist? Geht zu
Söhle. Jhr Naturfreunde, wollt ihr wieder mal ein großes Kinder-, d. h. ein
echtes Künstlerherz belauschen, wie sichs an Haide und Wald und Vogelgesang
erfreut? Jhr Freunde des Humors, des keuschen, der im Dämmerdunkel des
Hcrzens wohnt, nicht bei dem hellen Lichte im Kopse, sucht ihr etwas sür cuch?
Jhr Frcunde der deutschen Art, der ehrlichen kernigen, die ihr gern aus
dem internationalen Literatensalon heim in die Gotteswelt wollt, fragt ihr,
wohin? Geht zu Söhle. Jn all euren Namen darf ich ihm Gruß und Hand-
schlag bieten im deutschen Schrifttum: nun laßt Euch's wohl sein bei den
Poeten, Herr Musikant, und bleibt bei ihnen! A.
LitersturgesLbicbtltcbe Diusnmcberei.
Daß ichs gestehe: ich empfinde jedcsmal ein gelindes Grauen, wenn mir
ein neues literatur-geschichtliches Werk, das den Namen eines unserer bekanntesten
Literaturforscher trägt, zur Besprechung zugeht. Mag es eine neue Dichter-
biographie, mögen cs einzelne gesammelte Beiträge zu diesein oder jenem Dichter-
lebcn sein (Darstellungen ganzer Literaturen oder einzelner Literaturperioden
sind ja verhältnismäßig spärlich oder waren es doch bis zur allerjüngsten Zeit),
immcr fürchte ich eine Arbeit kleinlicher und dabei wichtigthuerischer Art zu
finden. Eine Arbeit, meine ich, die über etwaigen neu beizubringenden Einzel-
heiten die Hauptsache vergißt oder doch ignorieren zu können glaubt, die das,
was der Dichter seinem Bolke und seiner Zeit war und uns zum Teil noch ist,
den Lebensgehalt seiner Werke, das Wesen seines Talentes, den Kern seiner
Persönlichkeit vergeblich zu fassen versucht, dafür aber allerlei aktenmäßige neue
„Thatsachen", Briefe oder Papierabschnitzel beibringt, — welche nur leider
unsere Anschauung auch günstigenfalls nur wenig erweitern und unser Ver-
ständnis nach keiner Seite vertiefen können. Und wie selten wcrde ich ange-
nehm enttäuscht! Nun wird man mir sagen, daß die Hauptarbeit, die Dar-
stellung der wichtigen Dinge doch bereits geleistet sei, daß die heutige Literatur-
wissenschaft sich eben boscheiden und jene Kleinarbeit leisten müsse, die doch
immerhin manches Neue und Jnteressante zu Tage fördere. Aber das ist eben
nicht wahr: die Hauptarbeit ist nicht geleistet, noch immer sind die wahr-
haft anschaulichen und tiefdringenden Dichterbiographien, noch immer sind
literargeschichtliche Werke selten genug, die zugleich wieder Zierden der Literatur
sind, noch immer fehlt uns eine deutsche Literaturgeschichte großen Stils, die
des alten Gcrvinus Werk wirklich überholte. Es ist oft genug tadelnd ausge-
sprochen worden, aber man muß es immer wiederholcn: unsere heutige Literatur-
wissenschaft ist Kleinigkeitskrämerei oder noch schlimmer, reine Plusmacherei,
eine Wissenschaft, die sür das Leben des deutschen Volkes kaum Bedeutung hat
und nur da ist, damit so und so viel Gelehrte zu thun habcn.
Eine mir vorliegende Sammlung von Vorträgen und Abhandlungen
Ludwig Geigers, „Dichtcr und Frauen" betitelt, (Berlin, Vcrlag
von Gebrüder Paetel) bestätigt leider auch wieder meine Anschauung von der
modcrnen Literaturwissenschaft. Die eine Hälste der Arbeiten ist überflüssig und
die andere taugt nicht viel. Vor nunmehr bald vierzig Jahren, hut Karl