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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,1.1897-1898

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1897)
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Henrici, Karl: Städtebauliches
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Batka, Richard: Sprechsaal: Brahms als Dirigent
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https://doi.org/10.11588/diglit.7955#0207

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realisch best angepaßten, zugleich aber auch einen künstlerisch erfreuenden
Zuschnitt erhält.

Die Fragen, wie breit, wie lang, ob gerade oder krumm die
Straßen, ob die Plätze regelmäßig oder unregelmäßig, dreieckig, rund,
oier- oder fünfeckig angelegt werden follen, sind nicht zu Prinzipieufragen
zu erheben; sie müsfen ihre Beantwortung in der richtigen Diagnose
der lokalen Verhältnisfe und Bedürfnisse und des Oonius looi finden.
Namentlich den öffentlichen Anlagen und Gebäuden, für welche Staats-
und Gemeindesäckel herhalten müssen, und die also den ärmsten Steuer-
zahlern mitangehören, ist hierbei eine tonangebende Rolle zuzubilligen.

Jn treffender Weise hat Camillo Sitte gelegentlich die Aufgabe des
Stadtplanentwerfens mit dem des Straußbindens verglichen. Wie da
die Blumen der Größe, der Farbe und der Form nach sinnig zu wählen,
zu verteilen und so zusammenzustellen sind, daß ein schönes Gesamt-
gebilde herauskommt, in dem jedes Stück zur Geltung kommt, und
Eines das Andere hebt, gcrade so müssen wir es mit unsern Raum-
bildungen und Gebäudestellungen im Stadtplan machen. Prunk und
Protz sind dabei nicht nötig, ein schöner Strauß aus Wald- und
Wiesenblumen vermag uns ebenso zu entzücken, wie ein Strauß aus
kostbaren exotischen Gewächsen und Blumen —- wenn er nur gut ge-
bunden ist. Aarl kenrici.

Sprec?)S3Al.

Brahnis als Nirigent.

Herr Widmann vom Berner „Bund" ist entrüstet darüber, daß ich neben
Schumann auch Brahms ats Beispiel dafür genannt habe, daß große produktive
Begabung sich nicht stets mit reproduktiver, in diesem Falle: mit Dirigier-
begabung verbindet. Jch nahm die Gelegenheit wahr, objektive Gedenkmänner
in dieser Sache zu befragen. Da schreibt nun ein namhafter Kritikcr: „Jch
hatte Gelegenhcit, Brahms durch mehrere Jahre, als er die Wiener Gesellschafts-
konzerte leitete, als Dirigenten zu beobachten. Von einem Vergleich mit Bülow,
H. Nichter, ja auch nur mit Wilhelm Jahn konnte da nicht die Rede sein. Man
merkte, daß es Brahms stets um die Sache sehr ernst war und datz er die vor-
zutragenden Werke gut einstudiert hatte (sein Anhang unter den Damen des Sing-
vereins, die für seine Lieder schwärmten, wargroß) — aber der hinreißcndeSchwung
fehlte seiner Direktion ganz und gar. Am wohlsten schion sich Brahms offenbar
bei Bach und Händel zu fühlen, denen er auch im Programm einen übergroßen
Raum gewährte; vielleicht seine bedeutendste Dirigententhat war die Aufführung
des Händelschen »Saul« (^875). Später verfiel Brahms wie als Pianist so
auch als Dirigent immer mehr in cin gewisses Sichgehenlassen, besonders bei
seincn cigenen Sachen. So, wenn er gelegentlich seine Chor- und Orchester-
werkc dirigierte, welche zuvor schon von andern (Herbeck, Richter) einstudiert
worden waren. Jmmer wirkte das betreffende Werk später unter fremder
Direktion (Richter, Nikisch, Weingartner) mehr. Das letzte Mal dirigierte Brahms
zum 25jährigen Jubiläum des Konservatoriumsgebäudes (^895) und zwar seine
»Akademische Festouverture«, welche damals die Schüler des Konservatoriums
mit wahrer, jugendlicher Begeisterung spielten. Brahms hatte da wenig
hinzuzuthun". Ein andrer bedeutender österreichischer Aesthetiker schreibt mir:
„Jch habc Brahms wiederholt dirigieren gehört. Er machte mir den Eindruck,
 
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