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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,1.1897-1898

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1898)
DOI Artikel:
Hartig, Julius: Sudermanns "Johannes" und die Theaterkunst
DOI Artikel:
Söhle, Karl: Bungerts "Kirke"
DOI Artikel:
Batka, Richard: Von der Berliner Musikkritik
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.7955#0298

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„Löwcn werden durch mich zahm!

Kinder werden Helden!

Gott und Mensch kennt ksine Scham,

Wo der Liebe
Flammcntriebe
Schaffensstark sich meldcn!"

Odysseus klagt:

„Eine Sphinx hicr! Hohe Brüste,

Nauschgieraugen — Tigertatzen: —

Trinkst du dieser Vrüste Lüste,

Wcrden dich die Tatzen kratzen."

Kirke:

„Die Sonnenstrahlen kreisen und kreisen,

Jn cwig gleichen Eintonweisen
Spielt sich der Tage Teppich ab, —

O, hoher Vater, Erbarmen hab' I"

Und:

„Götter möchten sie alle sein!

Doch in ihrem Sinnenwahn,

Jst der Geist bald abgethan,

Und es blcibt nur noch das Schwein."

Nachher, wo beide vereint sind, heißt's:

„Ja, ich liebe dich, heißes Weib! . . .

Voll und ganz mir angehörend,

Mich allein zu lieben schwörend,

Laß mich höchste Wonne trinken . . .

Drücke fest mich, bcim Umarmen
Sonne in dich regnet."

Dic drei Moiren singcn:

„Wir, die großen Weltenspinnen,

Lasscn Zeit und Lcben rinnen."

Und da rcdet man vom „Lebcnswerkc" cines Bungert wie von Wagners
„Nibelungcnring", alS wcnn das allcS so ziemlich ein- und dassclbc wäre k
Wahrhastig, bci solch cincr leichtcn und crgicbigen Art, ungeheure Musikdramen-.
Zpklen für eigene Theater zu liefern, muß man an die altcn spanischen
Poeten denken, die nach Obcrländer an schleifsteinähnlicher Pultmaschine das
mit dem Fuß abgebandclte Papier volldichten. Pro Vormittag: 2 Szenen
poetisch sertig bis incl. Reinschrift, pro Nachmittag: die Musik drüber.

Aarl Söhle.

vou der Werltuer /Idusilrkrritik.

Bei dem Tappert-Lnckowitz-Prozesse ist von den sogenannten Sachver-
ständigen mit schönem Pathos nuf die „Würde des unbestochenen Kunstrichtcrs"
hingewiesen worden, und schön war es auch anzusehen, wie nach dem Pro-
zcsse selbst das kleinste Mitglicd des ganzen Standcs mit cffcktvoll großen
Bewegungen den Cato tragierte. Sogleich gcsühnt worden war ja das Ver-
brechen zweier Verworfcnen, um so makelloser glänzte der Ehrenschild der
Übrigen. „Das Ansehen dcr Musikkritik Bcrlins ist wicder hergcstellt." Schade,
daß daS nur so in Prosa, nicht in Alcxandrinern deklamicrt wurde!

Das Ansehen der Bcrliner Musikkritik? Es ist eine eigentümliche Sache
um dieses Ansehen. Vom moralischen Ansehen sprechen wir nachher. Und
vom sonstigen? Es giebt Leute, die (um vom „Kunstrichtertum" zunächst zu
schweigen) bei der Berliner Musikschrciberei in den Tagesblättern leider recht

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