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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

DOI Artikel:
Schnütgen, Alexander: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0118

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177

1902.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 6.

178

Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf.

III.

Mit 7 Abbildungen.

6. Romanisches Reliquienkissen in
St. Patrokli zu Soest.

|uf der Alterthümer-Ausstellung in
Paderborn des Sommers 1899
tauchte zuerst in vollkommener
ll Obskurität dieses gestickte Kissen
auf, welches ich näher bestimmte und im Be-
richte dieser Zeitschrift (Bd. XII, Sp. 159) in
die Kunstgeschichte durch kurze Beschreibung
einführte. Die eingehendere Würdigung des-
selben sei hier nachgeholt unter Beifügung der
auf der Düsseldorfer Ausstellung (Katalog Nr.
647a) gewonnenen beiderseitigen Aufnahme.

Wie ich nachträglich vernahm, hat es sich
unmittelbar vor der Paderborner Ausstellung
in der Reliquienbüste des hl. Patroklus (Aus-
stellungs-Katalog Nr. 642) vorgefunden, als
Unterlage für den Schädel des Heiligen, wie
überhaupt die Form des Kissens zürn Gebrauche
auf dem Evangelienpult und in den Chor-
stühlen mafsgebend wurde für die Reliquien-
ausstellung, namentlich für die mit allerlei stoff-
lichem und metallischem Zierrath umgebenen
Schädel, die natürlich für ihre Unterlage eine
kleinere Fassung verlangten, eine für die Kloster-
frauen besonders verlockende Stätte der An-
bringung von Stickereien, freilich zumeist nur
als ornamentale Einfassungen der quadratischen
Felder, denn der reicheren Füllung derselben
widersprach im Allgemeinen der Zweck.

Im vorliegendem Falle ist diese dennoch an-
gewandt, und ein älteres Beispiel dafür ist mir
nicht bekannt, da ich unser Kissen in das
XII. Jahrh., vielleicht gar in dessen I. Hälfte
versetzen möchte. Dasselbe, 28 cm im Quadrat,
besteht aus zwei mittelfeinen, ziemlich dünnen
Köperleinenstücken, welche ganz mit Seide be-
stickt sind und zwar unter ausschliefslicher
Verwendung des Stilstichs, in dem die Rauten-
musterung des Grundes, die rings umsäumen-
den Rankenzüge, sogar die figuralen Bilder
ausgeführt sind mit Einschlufs der Majuskel-
Ueberschriften, und überall zeigt sich der Mo-
dellirstich, das sogen, opus anglicum, der
natürlich bei den Figuren mit ihren mannig-
fachen durch Konturen und Schatten bewirkten
Gliederungen am meisten in die Erscheinung

tritt — In weifslich-gelblicher Seide ist die
sogar unter der Rankenborte überall erkenn-
bare Musterung hergestellt, welche ihre Schach-
brettwirkung zumeist der abwechselnden Nadel-
führung von unten nach oben und von rechts
nach links, also dem dadurch herbeigeführten
Damastcharakter verdankt. Auf beiden Seiten,
dominiren, wie billig, die Rankensäume, durch
die violetten Zweige, von denen die gelben,
bläulichen, violetten Blätter und Rosetten aus-
laufen, zu geschlossenen, kräftigen Borten sie
ausbildend. Das Mittelfeld, 18 cm im Quadrat,
zeigt auf der einen Seite das Lamm Gottes mit
der noch ganz aus Kapitalbuchstaben gebil-
deten Ueberschrift AGNYjä DSI in violetter
Seide. Auch die Konturen des Lammes sind
violett, die äufseren, wie die inneren, ebenso
sein Kreuznimbus und sein Kreuzstab (ohne
Fahne), wie die Bogenstellungen des Sockels,
aus dem das Lamm steht, dessen einzelne
Parthien dem Modellirstich ihre plastische Wir-
kung verdanken.

•Auf der anderen Seite thront in derselben
Stilisirung, welche manche Anklänge an die
romanische Malerei in Soest erkennen läfst,
unter der violetten Majuskelschrift: AIiGXAN-
ÜEH RSX auf einem arkadengeschmückten
Sedile König Alexander, dessen Kopf mit der
Zackenkrone bedeckt ist, dessen Hände je einen
Spiefs mit Lockspeise emporheben. Auf diese
fliegt rechts wie links ein dem Throne ange-
ketteter Adler los, durch diesen Flug den
König in die Lüfte hebend zu der berühmten
Himmelfahrt, wie sie der Pfaffe Lamprecht in
seinem Alexanderliede beschrieben und da-
durch in den deutschen Bilderkreis des XII.
und XIII. Jahrh. als eine ihrer absonderlichsten
Typen eingeführt hat. In erster Linie haben
sich derselben die Bildhauer bemächtigt, und
das bekannteste Beispiel ist das Relief an dem
romanischen Thor in Remagen, welches den
König als Büste in einem mondsichelartigen Ge-
fäfse darstellt mit Spannferkel an den beiden
Handspiefsen und mit zwei durch Halsschlingen
angeseilten Greifen (vergl. Nouv. Melanges
d'archeologie von Cahier: Curiositös mysW-
rieuses, p. 174). — Als Stickerei erscheint die
Himmelfahrt Alexanders auf der Fahne des
 
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