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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

DOI Artikel:
Schnütgen, Alexander: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf, [8]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0233

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369

1902.— ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

370

Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf.

VIII. (Mit 3 Abbildungen.)

20. Sammetkasel mit gestickten Stäben
der Pfarrkirche zu Bocholt.
(Katalog-Nr. 305.)
ostbar ist der rothe Genueser S a m-
rnet mit der goldbroschirten und
- frisirten Granatapfel - Musterung,
noch kostbarer das gestickte Bor-
tenwerk, welches ihn schmückt. Das letztere
besteht in 12 cm breiten Seidenstreifen, denen
der Stammbaum des Heilandes aufgestickt ist,
vorn wie auf der hier abgebildeten Rück-
seite, die den auf der Bank sitzenden schla-
fenden Jesse darstellt, aus dessen Brust die
Wurzel herauswächst mit den Figuren der Pro-
pheten und Könige, an deren Spitze die
Gottesmutter mit dem Kinde. Die Wurzel-
ranke ist durch cyprische Goldfäden gebildet,
die paarweise nebeneinander gelegt und durch
Ueberfangstich befestigt sind, in der Mitte wie
an den Seiten grün eingefafst und von dem
blauen Grund vortrefflich sich abhebend. In
das reich verschlungene und doch durchsich-
tige Rankenwerk sind die in kühnen Bewe-
gungen und anmuthsvollen Stellungen auf-
steigenden Figuren: zwei Könige auf dem Quer-
balken, vier Könige auf dem Längsbalken der
Vorderseite, ungemein elegant hineinkom-
ponirt, so dafs an Schönheit der Zeichnung
fast unübertroffen dasteht diese unter bur-
gundischem Einflufs, aber wohl am Nieder-
rhein gegen Ende XV. Jahrh. entstandene
Stickerei, deren Technik ebenfalls den höchsten
Grad erreicht hat. Die Untergründe, auch die
Beinkleider, wie verschiedene Einzelheiten sind
im Zierstich ausgeführt, die Mäntel im Lasur-
stich, bei farbiger Markirung der Futterum-
schläge, die Schmucksachen wie die Attribute
in Gold oder Silber. Gewundene Goldkördel-
chen bilden vielfach die Einsäumung, neben
der aber jede, applikativ aufgetragene, Figur
von schwarzem Kontur umgeben ist. Die far-
bige Wirkung, besonders der durch rothe,
blaue, grüne Ueberfangfäden verzierten Gründe
ist wunderbar, und mit aufserordentlicher Fein-
heit wie Grazie sind die Karnationsparthien
behandelt, namentlich die Köpfe, die durch-
weg den bleichen Grisailton zeigen. — Die
Rückseite der Kasel ist ziemlich gut erhalten,
viel weniger, wie fast immer, die Vorderseite,

an die aber hoffentlich nie ein Restaurations-
versuch sich heranwagt.

Zwei holzgeschnitzte Grüppchen der-
selben Hand in verschiedenem Besitz.
(Nr. 2551 und 2195.)

21. Die Kreuzigungsgruppe (Samm-
lung Clemens), deren drei Figürchen je 15 bis

17 cm hoch, ist aus Birnbaum geschnitzt mit
Einschlufs der künstlich geriffelten und ge-
ästelten Kreuze, und bereits in alter Zeit
äufserst geschickt bronzirt. Der Heiland, von
edlem Körperbau und feiner Bewegung, mit
geradem, von zwei Haarsträhnen eingerahmtem
schmerzvollem Haupt, mit ausgereckten Schul-
tern, krampfhaft geschlossenen Händen, hat
nur ein schmales in der Mitte geknotetes
Lendentuch, dessen Zipfel in der Luft fliegt,
bezw. zwischen den Beinen durchgezogen ist.
— Der rechte Schacher, dessen von Schmerz
und Hoffnung bewegter Kopf nach links auf-
schaut, hat krollige Haare und Schnurrbart,
zerschlagene Arme und Beine, in geballten
Ausläufern flottirendes Schamtuch. — Der
linke Schacher, dessen trotzig erhobener wilder
Kopf dem Heiland abgewendet ist, hat ein
langes, schwulstig um die Beine gewickeltes
Lendentuch, welches (an die Drapirung der
Uebergangsperiode erinnernd) sehr bezeichnend
ist für diesen Frührenaissancemeister, der ein
vorzüglicher Modelleur und Techniker, viel-
leicht in Nürnberg kurz vor der Mitte des
XVI. Jahrh. thätig war.

22. Die St.Sebastianusgruppe (Samm-
lung Thewalt), deren drei Figürchen, je 15 bis

18 cm hoch, auf dem ursprünglichen, 29,5 cm
langen, 7,5 cm tiefen Sockel stehen, ist eben-
falls aus Birnbaum gebildet, ohne irgendwelche
künstliche Färbung, so dafs überall das Schnitt-
messer erkennbar ist. — St. Sebastianus mit
sehr ausdrucksvollem, von üppigem, in Propfen-
ziehersträhnen gedrehtem Haar umgebenem
Haupt und meisterhaft modellirtem Körper,
trägt ein sehr langes Lendentuch, welches vorn
zipfelartig herunterhangend, mit zwei wuchtig
aufgewulsteten Streifen unten aufstöfst, wieder-
um sehr charakteristisch für den Meister. —
Der Henker zu seiner Rechten mit enganlie-
gendem Koller, aufgebauschtem Rock und lan-
 
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