VI.
ZUSAMMENFASSUNG
Die Formen der Gräber
Obgleich ich geologische Untersuchungen jeder Art
hier ausschließen mußte, möchte ich doch kurz auf die
eigenartigen Grabformen hinweisen, die sich in den
Neapler Katakomben entwickelt haben.
Im Vorsaal der 2. Katakombe von S. Gennaro lernten
wir ein Massengrab kennen, das auf einem beschränk-
ten Raum von 7—7x/2 m Breite, etwa 6 m Tiefe und
etwa 3,30 m Höhe nicht weniger als 20 Arkosolien
mit 80 Gräbern umfaßte1. Ich möchte wenigstens dar-
auf hinweisen, daß dies Kubikulum nicht allein steht,
sondern seine Parallelen sowohl in der ersten wie in
der zweiten Katakombe von S. Gennaro hat. Der
Vorraum vor dem Vorsaal ist als eine gleichartige An-
lage anzusprechen2, und die sog. Kapelle der ersten
Katakombe besteht aus drei solchen großen Kubikula,
die erst in späterer Zeit zu einem einheitlichen Raum
vereinigt worden sind3. Es scheint also, daß diese
Massengräber eine Grabform sind, die in der ersten
Zeit der Neapler Katakomben ausgebildet, aber später
nicht mehr wiederholt worden ist.
Eine zweite eigenartige Grabform lernen wir im
Hauptkorridor der 1. Katakombe von S. Gennaro
kennen4. Es sind Kubikula, die an Größe den römi-
schen gleichkommen, die aber ihre Gräber nicht an
den Wänden, sondern im Fußboden haben. Die
Wände sind wie die Decke ganz für die Dekoration
ausgespart. Eine zweite Besonderheit dieser Kubikula
ist, daß sie keine Eingangswand haben. Sie öffnen
sich mit ihrer ganzen Breite nach dem Korridor hin,
und waren mit großen Gittern abgeschlossen. Auch
diese Grabform scheint eine bestimmte Zeitlang üblich
gewesen zu sein, nach den Malereien muß man
schließen: im vierten Jahrhundert.
Diesen eigenartigen Grabformen folgen in den hin-
teren Räumen der 2. Katakombe Kubikula mit Arko-
solien, die den römischen entsprechen. Das römische
Vorbild scheint die Eigenart Neapels verdrängt zu
haben.
1 S. oben S. 54. 2 S. oben S. 44. 3 S. oben S. 36.
4 S. oben S. 39 ff. 5 Obwohl diese Resultate in allen
Einzelheiten aus den Nachweisen der vorigen Kapitel hervor-
gehen, möchte ich doch darauf hinweisen, daß schon mehrere
Versuche vorliegen, die Geschichte der Katakombenmalerei in
Neapel zu periodisieren. Zunächst L. Lefort in dem S. 34 an-
Aber gerade in dieser Spätzeit, im fünften Jahrhundert,
wird der alten Form des Arkosolgrabes noch eine
neue Variante abgewonnen, die man am besten am
Grab der Bitalia (Taf. 28) studieren kann. Das Arkosol
ist als eine Nische mit abgerundeten Ecken gestaltet
und es ist ganz für die Dekoration bestimmt. Auch die
Bodenfläche. Das Grab befindet sich in einigem Ab-
stand unter dem Arkosol in Form eines loculus.
Endlich sei noch auf die Baldachingräber (Taf. 17)
hingewiesen. Soweit wir bis jetzt urteilen können,
scheinen sie ihre Vorbilder in Sizilien zu haben.
Zum Schluß sei noch einmal hervorgehoben, daß
diese Bemerkungen nur vorläufig sein können. Eine
nähere Untersuchung der Katakomben würde gerade
auf diesem Gebiet leicht zu spezielleren Resultaten
gelangen können.
Die Bilder der Katakomben
Der besseren Übersicht halber verteile ich die Malerei
der Katakomben auf vier Perioden, die sich leicht
unterscheiden lassen5:
1. Die Entstehungszeit, im zweiten und dritten Jahr-
hundert.
2. Die Blütezeit der römischen Katakomben, im vierten
Jahrhundert.
3. Vom fünften Jahrhundert bis zum Bilderstreit (etwa
73°)-
4. Die Zeit nach dem Bilderstreit, seit 763.
Die erste Periode hat ihre Denkmäler in den vorderen
Räumen der ersten und zweiten Katakombe von S.
Gennaro (Taf. 2-4 und Taf. 7-13). Es sind Beispiele
der Dekorationsmalerei, wie sie in jenen Jahrhunderten
allgemein üblich war. Auf den Decken der ersten Kata-
kombe fehlen noch die christlichen Bezüge; erst in der
zweiten Katakombe kommen - ganz sparsam ver-
teilt - einige biblische Bilder vor (Taf. 8-10). Von
Einzelheiten, die auf unsern Tafeln nicht wiederge-
geben sind, erwähne ich noch den Eroten (oben S. 44)
und den Oranten (oben S. 44).
geführten Aufsatz „Chronologie des peintures des catacombes
de Naples“, vor allem aber Galante in seiner Vorlesung, die er 1906
in der Accademia Pontaniana in Neapel gehalten hat (Atti della
accademia Pontaniana Bd. 36 = 2. Serie Bd. 11). .Ich selbst sprach
in meiner Rektoratsrede über „die Bedeutung der Katakomben
von Neapel für die christliche Kunstgeschichte“ (Leipzig 1932).
11 Achelis, Katakomben von Neapel
ZUSAMMENFASSUNG
Die Formen der Gräber
Obgleich ich geologische Untersuchungen jeder Art
hier ausschließen mußte, möchte ich doch kurz auf die
eigenartigen Grabformen hinweisen, die sich in den
Neapler Katakomben entwickelt haben.
Im Vorsaal der 2. Katakombe von S. Gennaro lernten
wir ein Massengrab kennen, das auf einem beschränk-
ten Raum von 7—7x/2 m Breite, etwa 6 m Tiefe und
etwa 3,30 m Höhe nicht weniger als 20 Arkosolien
mit 80 Gräbern umfaßte1. Ich möchte wenigstens dar-
auf hinweisen, daß dies Kubikulum nicht allein steht,
sondern seine Parallelen sowohl in der ersten wie in
der zweiten Katakombe von S. Gennaro hat. Der
Vorraum vor dem Vorsaal ist als eine gleichartige An-
lage anzusprechen2, und die sog. Kapelle der ersten
Katakombe besteht aus drei solchen großen Kubikula,
die erst in späterer Zeit zu einem einheitlichen Raum
vereinigt worden sind3. Es scheint also, daß diese
Massengräber eine Grabform sind, die in der ersten
Zeit der Neapler Katakomben ausgebildet, aber später
nicht mehr wiederholt worden ist.
Eine zweite eigenartige Grabform lernen wir im
Hauptkorridor der 1. Katakombe von S. Gennaro
kennen4. Es sind Kubikula, die an Größe den römi-
schen gleichkommen, die aber ihre Gräber nicht an
den Wänden, sondern im Fußboden haben. Die
Wände sind wie die Decke ganz für die Dekoration
ausgespart. Eine zweite Besonderheit dieser Kubikula
ist, daß sie keine Eingangswand haben. Sie öffnen
sich mit ihrer ganzen Breite nach dem Korridor hin,
und waren mit großen Gittern abgeschlossen. Auch
diese Grabform scheint eine bestimmte Zeitlang üblich
gewesen zu sein, nach den Malereien muß man
schließen: im vierten Jahrhundert.
Diesen eigenartigen Grabformen folgen in den hin-
teren Räumen der 2. Katakombe Kubikula mit Arko-
solien, die den römischen entsprechen. Das römische
Vorbild scheint die Eigenart Neapels verdrängt zu
haben.
1 S. oben S. 54. 2 S. oben S. 44. 3 S. oben S. 36.
4 S. oben S. 39 ff. 5 Obwohl diese Resultate in allen
Einzelheiten aus den Nachweisen der vorigen Kapitel hervor-
gehen, möchte ich doch darauf hinweisen, daß schon mehrere
Versuche vorliegen, die Geschichte der Katakombenmalerei in
Neapel zu periodisieren. Zunächst L. Lefort in dem S. 34 an-
Aber gerade in dieser Spätzeit, im fünften Jahrhundert,
wird der alten Form des Arkosolgrabes noch eine
neue Variante abgewonnen, die man am besten am
Grab der Bitalia (Taf. 28) studieren kann. Das Arkosol
ist als eine Nische mit abgerundeten Ecken gestaltet
und es ist ganz für die Dekoration bestimmt. Auch die
Bodenfläche. Das Grab befindet sich in einigem Ab-
stand unter dem Arkosol in Form eines loculus.
Endlich sei noch auf die Baldachingräber (Taf. 17)
hingewiesen. Soweit wir bis jetzt urteilen können,
scheinen sie ihre Vorbilder in Sizilien zu haben.
Zum Schluß sei noch einmal hervorgehoben, daß
diese Bemerkungen nur vorläufig sein können. Eine
nähere Untersuchung der Katakomben würde gerade
auf diesem Gebiet leicht zu spezielleren Resultaten
gelangen können.
Die Bilder der Katakomben
Der besseren Übersicht halber verteile ich die Malerei
der Katakomben auf vier Perioden, die sich leicht
unterscheiden lassen5:
1. Die Entstehungszeit, im zweiten und dritten Jahr-
hundert.
2. Die Blütezeit der römischen Katakomben, im vierten
Jahrhundert.
3. Vom fünften Jahrhundert bis zum Bilderstreit (etwa
73°)-
4. Die Zeit nach dem Bilderstreit, seit 763.
Die erste Periode hat ihre Denkmäler in den vorderen
Räumen der ersten und zweiten Katakombe von S.
Gennaro (Taf. 2-4 und Taf. 7-13). Es sind Beispiele
der Dekorationsmalerei, wie sie in jenen Jahrhunderten
allgemein üblich war. Auf den Decken der ersten Kata-
kombe fehlen noch die christlichen Bezüge; erst in der
zweiten Katakombe kommen - ganz sparsam ver-
teilt - einige biblische Bilder vor (Taf. 8-10). Von
Einzelheiten, die auf unsern Tafeln nicht wiederge-
geben sind, erwähne ich noch den Eroten (oben S. 44)
und den Oranten (oben S. 44).
geführten Aufsatz „Chronologie des peintures des catacombes
de Naples“, vor allem aber Galante in seiner Vorlesung, die er 1906
in der Accademia Pontaniana in Neapel gehalten hat (Atti della
accademia Pontaniana Bd. 36 = 2. Serie Bd. 11). .Ich selbst sprach
in meiner Rektoratsrede über „die Bedeutung der Katakomben
von Neapel für die christliche Kunstgeschichte“ (Leipzig 1932).
11 Achelis, Katakomben von Neapel