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BEILAGE 2

DAS PRIAPUS-DENKMAL IN S. GENNARO

Zwei Quergänge, welche der rechte Seitenkorridor
der ersten Katakombe nach rechts entsendet, enden
in einem Kubikulum, das schon durch seine Form
auffällt. Es ist größer als alle andern Grabkammern,
von etwa quadratischem Grundriß, steht aber nicht
senkrecht, sondern schräg zu seinen Zugängen. Die
Decke hat eine Kuppelform. In der Mitte steht eine
Marmorsäule, oben abgerundet, in einer Höhe von
gegen zwei Metern. Auf der Vorderseite trägt sie die
Inschrift:
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auf der Rückseite:
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Die älteren Forscher wissen nichts von der Stele und
ihren Inschriften. In den Jahren 1832 und 1833 wurden
sie zuerst herausgegeben und übersetzt, von dem be-
kannten Wiener Orientalisten v. Hammer-Purgstall1
und von dem Neapler Lokalhistoriker Sanchez2. Beide
Abschriften sind aber so schlecht und die Über-
setzungen infolgedessen so fehlerhaft, daß es sich
nicht verlohnt, sie zu wiederholen. Von Interesse ist
nur die Bemerkung von Sanchez, die Stele befände
sich in einer runden Kammer „ora accessibile“,
woraus man schließen möchte, daß die Kammer
bis vor kurzem nicht zugänglich gewesen wäre. Bei-
den kam merkwürdigerweise kein Zweifel an der
Echtheit.
Bellermann3 ist es gewesen, der die Fälschung auf-
gedeckt hat. Er las die Inschriften
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— Priapos, ein Gott der Lüge,
1 Joseph de Hammer, Memoire sur deux coffrets gnostiques du
moyen äge, du cabinet de M. le duc de Blacas (Paris 1832) lof.
2 Giuseppe Sanchez, La Campani.?. sotterranea. Bd. 1 (Napoli

und die Rückseite:
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= die Höhle des Kimmeriers ist eitler Trug, ruchlos
ist es, zu dienen dem Götzen Phallus.
Albrecht Alt, dem ich diese, mit aller Bescheidenheit
vorgetragene Übersetzung vorlegte, schreibt mir dazu
folgendes:
„Die beiden unter npfarco? stehenden hebräischen
Zeilen hat Bellermann zweifellos richtig aufgefaßt;
sie stellen eine Apposition zu Priapos dar und be-
zeichnen ihn als öop nibs, den „Gott der Wahr-
sagung.“ Hingegen spricht gegen Bellermanns Auf-
fassung des längeren hebräischen Textes auf der
Gegenseite, daß dieser dann auf eine Verurteilung des
Phalluskults hinausliefe, während der Fälscher doch
wohl eher ein positives Dokument aus dem Vor-
stellungskreis des gleichen Kults herstellen wollte.
Überdies mutet die Deutung der beiden ersten Wörter
als "i“’'?»a mya „die Höhle des Kimmeriers“ dem
Fälscher böse Schnitzer zu. Solche Schnitzer blieben
vermieden, wenn man läse:
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„Es entblößt der Priester die Hand“ (= membrum
virile4) „des .. . Freund, verehre den Gott des Phal-
lus!“ Das übergangene Wort kann “W „des Ge-
nossen“ oder “ün „des Bannsprechers“ gelesen wer-
den; gemeint wäre wohl in beiden Fällen der Gott.
Ich möchte glauben, daß sich diese Auffassung eher
im geistigen Horizont des Fälschers und seiner Auf-
1833) 469fr. 3 A. a. O. S. 115-118. 4 T kann gleich-
zeitig den aufgerichteten Phallusstein bezeichnen.

12 Achelis, Katakomben von Neapel
 
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