Der biblische Hintergrund und Sinngehalt des Deckenbildes 23
Die vier Evangelisten und ihre Symbole
[24/60, 9/41,25/85, 40/66]
Obwohl die Darstellung des Jessebaumes folgerichtig
hauptsächlich alttestamentliche Motive und Personen
zeigt, wird das Deckenbild an den Ecken durch die Autoren
der vier Evangelien des Neuen Testaments und deren Sym-
bole bereichert, die ihnen jeweils diagonal zugeordnet
sind: Engel beziehungsweise Mensch = Matthäus, Löwe -
Markus, Stier = Lukas und Adler = Johannes. Dieser Kom-
position liegt die Überzeugung zugrunde, dass das Alte
Testament nur von der in Jesus geschehenen und in den
Evangelien niedergeschriebenen Gottesoffenbarung her
richtig verstanden werden könne. Deshalb zielt der Jesse-
baum auf Christus und wird gesäumt von Propheten des
Alten Testaments, die auf Jesus beziehungsweise das kom-
mende Gottesreich vorausweisen. In den Evangelien finden
sich etliche Belege dafür, dass Ereignisse aus dem Leben
Christi mit Zitaten aus dem Alten Testament in Verbindung
gebracht werden; einleitend steht die Formel: „(Dies ge-
schah,] damit erfüllt würde, was geschrieben ist durch den
Propheten ..." (so genannte „Erfüllungszitate"].
Die vier Sinnbilder, die mit den Evangelisten verbunden
werden, stammen aus der Offenbarung (Kap. 4], wo in An-
lehnung an entsprechende Texte der Propheten Ezechiel
(Kap. 1] und Jesaja (Kap. 6] eine Vision des Sehers Johannes
geschildert wird: Im Thronsaal im Himmel sitzen 24 Ältes-
te um Gottes Thron. (Übrigens: 24 Propheten säumen die
Bildfelder von Jesse bis Maria!] „... und in der Mitte am
Thron und um den Thron vier himmlische Gestalten ...
Löwe ... Stier ... Mensch ... Adler ... Und eine jede Gestalt
hatte sechs Flügel" (Offb. 4, 6-8], Die Auslegung dieser
vier Gestalten als himmlische Inspirationsquellen der vier
Evangelisten geht auf den Kirchenvater Hieronymus
zurück und ist seit dem 7. Jahrhundert verbindlich. Die
Symbole tauchen jeweils zweimal auf: In der Schreibstube
„ihres" Evangelisten erscheinen sie über dem Buch und ge-
ben dem Verfasser ein, was er in göttlichem Auftrag
schreiben soll. Diagonal benachbart in den äußersten
Ecken des Deckengemäldes sind sie noch einmal darge-
stellt, jetzt ganzfigurig und mit einem Schriftband, das den
Namen des zugehörigen Evangelisten trägt.
Evangelist Matthäus und Engel beziehungsweise
„Gestalt wie ein Mensch" [24/60]
Matthäus beginnt das Evangelium mit seiner Fassung des
Stammbaumes Jesu. Vermutlich wegen dieser Ahnenreihe
(„von ... stammte ..." usw.) ist ihm die „Gestalt wie ein
Mensch", oft auch als Engel dargestellt, zugeordnet worden.
Das Matthäus-Evangelium ist in besonderer Weise durch
die so genannten Erfüllungszitate geprägt.
Evangelist Markus und Löwe [9/41]
Als Wappentier Venedigs mit dem Markusdom wurde der
„Löwe von San Marco" das bekannteste der vier Symbole.
Markus beschreibt am Anfang seines Evangeliums den
Auftritt Johannes des Täufers in der Wüste, weshalb ihm
der Löwe als Wüstentier zur Seite gestellt wurde.
Evangelist Lukas und Stier [25/85]
Lukas beginnt sein Evangelium mit der Opferzeremonie
des Priesters Zacharias, des Vaters Johannes des Täufers,
im Tempel, sodass sein Attribut der Stier, das Opfertier,
wurde.
Evangelist Johannes und Adler [40/66]
Die Zuordnung des Adlers zu Johannes ist am schwierigs-
ten nachzuvollziehen. Der Prolog des Evangeliums nach
Johannes schildert die Herkunft Christi aus himmlischer
Höhe, von wo ein Adler herabzuschweben scheint. Auch
könnte, da für die Offenbarung und das Evangelium lange
Zeit ein und derselbe Verfasser angenommen wurde, die
Entrückung des Sehers Johannes auf die Insel Patmos mit
dem Adler in Verbindung gebracht worden sein (Offb. 1,9 ff.].
Die Propheten [11-22, 27-38]
Lange Zeit wurde das Alte Testament in der christlichen
Kirche und Theologie nur als Vorgeschichte des Neuen
Testaments begriffen, nicht in seinem Eigengewicht als
Dokument selbstständigen biblischen Glaubens und Ver-
stehensvoraussetzung für das Christentum. Das Alte Tes-
tament wurde zum Buch der Ankündigungen, auf deren
Erfüllung die Menschen sehnsüchtig warteten. In der Ge-
schichte Jesu, des Davids- und Gottessohnes, so meinte
man, kommt alle menschliche Geschichte zum Ziel, und
zwar derart, dass von diesem Ziel her die Ankündigungen
der vorangegangenen Zeit erst richtig verstanden werden
können. Träger der Ankündigungen sind die Propheten,
von Gottes Geist inspiriert wie die Evangelisten, weshalb
sie auf dem Deckenbild die Darstellung der Geschichte des
Gottesvolkes von Jesse bis Maria [2-7] säumen. Ob sich ihre
Anzahl (2x12 = 24) mehr oder weniger zufällig aus der
Anordnung neben besagten sechs Bildern ergibt oder in
Anlehnung an die vierundzwanzig Ältesten aus der Offen-
barung des Johannes (4, 4) gewählt ist, bleibt der Inter-
pretation des Betrachters überlassen.
Jeder Prophet trägt ein Schriftband, an dessen Inhalt - so
könnte man meinen - seine Identität eigentlich leicht
festzustellen sein müsste. In vielen Fällen erschweren aller-
dings die wenigen Worte beziehungsweise Wortkürzel eine
zweifelsfreie Identifikation. Bisherige Deutungen sind in
der Regel davon ausgegangen, dass es sich ausschließlich
um unterschiedliche Personen des Alten Testaments handeln
müsse. Dies ist zumindest im Blick auf Jesaja [11 und 38]
schon widerlegt. Möglicherweise kann die Zuordnung zu
den einzelnen Hauptbildern im Mittelfeld die Auslegung
erleichtern.
Die vier Evangelisten und ihre Symbole
[24/60, 9/41,25/85, 40/66]
Obwohl die Darstellung des Jessebaumes folgerichtig
hauptsächlich alttestamentliche Motive und Personen
zeigt, wird das Deckenbild an den Ecken durch die Autoren
der vier Evangelien des Neuen Testaments und deren Sym-
bole bereichert, die ihnen jeweils diagonal zugeordnet
sind: Engel beziehungsweise Mensch = Matthäus, Löwe -
Markus, Stier = Lukas und Adler = Johannes. Dieser Kom-
position liegt die Überzeugung zugrunde, dass das Alte
Testament nur von der in Jesus geschehenen und in den
Evangelien niedergeschriebenen Gottesoffenbarung her
richtig verstanden werden könne. Deshalb zielt der Jesse-
baum auf Christus und wird gesäumt von Propheten des
Alten Testaments, die auf Jesus beziehungsweise das kom-
mende Gottesreich vorausweisen. In den Evangelien finden
sich etliche Belege dafür, dass Ereignisse aus dem Leben
Christi mit Zitaten aus dem Alten Testament in Verbindung
gebracht werden; einleitend steht die Formel: „(Dies ge-
schah,] damit erfüllt würde, was geschrieben ist durch den
Propheten ..." (so genannte „Erfüllungszitate"].
Die vier Sinnbilder, die mit den Evangelisten verbunden
werden, stammen aus der Offenbarung (Kap. 4], wo in An-
lehnung an entsprechende Texte der Propheten Ezechiel
(Kap. 1] und Jesaja (Kap. 6] eine Vision des Sehers Johannes
geschildert wird: Im Thronsaal im Himmel sitzen 24 Ältes-
te um Gottes Thron. (Übrigens: 24 Propheten säumen die
Bildfelder von Jesse bis Maria!] „... und in der Mitte am
Thron und um den Thron vier himmlische Gestalten ...
Löwe ... Stier ... Mensch ... Adler ... Und eine jede Gestalt
hatte sechs Flügel" (Offb. 4, 6-8], Die Auslegung dieser
vier Gestalten als himmlische Inspirationsquellen der vier
Evangelisten geht auf den Kirchenvater Hieronymus
zurück und ist seit dem 7. Jahrhundert verbindlich. Die
Symbole tauchen jeweils zweimal auf: In der Schreibstube
„ihres" Evangelisten erscheinen sie über dem Buch und ge-
ben dem Verfasser ein, was er in göttlichem Auftrag
schreiben soll. Diagonal benachbart in den äußersten
Ecken des Deckengemäldes sind sie noch einmal darge-
stellt, jetzt ganzfigurig und mit einem Schriftband, das den
Namen des zugehörigen Evangelisten trägt.
Evangelist Matthäus und Engel beziehungsweise
„Gestalt wie ein Mensch" [24/60]
Matthäus beginnt das Evangelium mit seiner Fassung des
Stammbaumes Jesu. Vermutlich wegen dieser Ahnenreihe
(„von ... stammte ..." usw.) ist ihm die „Gestalt wie ein
Mensch", oft auch als Engel dargestellt, zugeordnet worden.
Das Matthäus-Evangelium ist in besonderer Weise durch
die so genannten Erfüllungszitate geprägt.
Evangelist Markus und Löwe [9/41]
Als Wappentier Venedigs mit dem Markusdom wurde der
„Löwe von San Marco" das bekannteste der vier Symbole.
Markus beschreibt am Anfang seines Evangeliums den
Auftritt Johannes des Täufers in der Wüste, weshalb ihm
der Löwe als Wüstentier zur Seite gestellt wurde.
Evangelist Lukas und Stier [25/85]
Lukas beginnt sein Evangelium mit der Opferzeremonie
des Priesters Zacharias, des Vaters Johannes des Täufers,
im Tempel, sodass sein Attribut der Stier, das Opfertier,
wurde.
Evangelist Johannes und Adler [40/66]
Die Zuordnung des Adlers zu Johannes ist am schwierigs-
ten nachzuvollziehen. Der Prolog des Evangeliums nach
Johannes schildert die Herkunft Christi aus himmlischer
Höhe, von wo ein Adler herabzuschweben scheint. Auch
könnte, da für die Offenbarung und das Evangelium lange
Zeit ein und derselbe Verfasser angenommen wurde, die
Entrückung des Sehers Johannes auf die Insel Patmos mit
dem Adler in Verbindung gebracht worden sein (Offb. 1,9 ff.].
Die Propheten [11-22, 27-38]
Lange Zeit wurde das Alte Testament in der christlichen
Kirche und Theologie nur als Vorgeschichte des Neuen
Testaments begriffen, nicht in seinem Eigengewicht als
Dokument selbstständigen biblischen Glaubens und Ver-
stehensvoraussetzung für das Christentum. Das Alte Tes-
tament wurde zum Buch der Ankündigungen, auf deren
Erfüllung die Menschen sehnsüchtig warteten. In der Ge-
schichte Jesu, des Davids- und Gottessohnes, so meinte
man, kommt alle menschliche Geschichte zum Ziel, und
zwar derart, dass von diesem Ziel her die Ankündigungen
der vorangegangenen Zeit erst richtig verstanden werden
können. Träger der Ankündigungen sind die Propheten,
von Gottes Geist inspiriert wie die Evangelisten, weshalb
sie auf dem Deckenbild die Darstellung der Geschichte des
Gottesvolkes von Jesse bis Maria [2-7] säumen. Ob sich ihre
Anzahl (2x12 = 24) mehr oder weniger zufällig aus der
Anordnung neben besagten sechs Bildern ergibt oder in
Anlehnung an die vierundzwanzig Ältesten aus der Offen-
barung des Johannes (4, 4) gewählt ist, bleibt der Inter-
pretation des Betrachters überlassen.
Jeder Prophet trägt ein Schriftband, an dessen Inhalt - so
könnte man meinen - seine Identität eigentlich leicht
festzustellen sein müsste. In vielen Fällen erschweren aller-
dings die wenigen Worte beziehungsweise Wortkürzel eine
zweifelsfreie Identifikation. Bisherige Deutungen sind in
der Regel davon ausgegangen, dass es sich ausschließlich
um unterschiedliche Personen des Alten Testaments handeln
müsse. Dies ist zumindest im Blick auf Jesaja [11 und 38]
schon widerlegt. Möglicherweise kann die Zuordnung zu
den einzelnen Hauptbildern im Mittelfeld die Auslegung
erleichtern.