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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: System Denkmalpflege - Netzwerke für die Zukunft — Hannover: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heft 31.2004

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Sektion 3: System Kulturlandschaft Harz
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51150#0243
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Vermittlung und Erhaltung, eine notwendige Symbiose - Das Modell Kulturlandschaft Harz

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Vermittlung und Erhaltung, eine notwendige Symbiose -
Das Modell Kulturlandschaft Harz
Reinhard Roseneck

Die historische Kulturlandschaft Harz
Für die mittelalterlichen Kaiser und Könige sowie für
die neuzeitlichen Herzöge, allen voran von Braun-
schweig-Wolfenbüttel, bildeten die Einnahmen aus den
Bergwerken des Harzes eine wesentliche Grundlage
ihres Reichtums und damit ihrer Macht. Zahlreiche
bedeutende Bauwerke und Kunstwerke auch außerhalb
des Harzes, wie zum Beispiel in der Residenzstadt
Wolfenbüttel, wurden ebenso mit den im Harz
gewonnenen Erzen finanziert, wie das ehemals zu den
bedeutendsten Universitäten zählende, von Herzog
Julius gegründete Juleum in Helmstedt.
Der Harz, für den aufgrund archäologischer For-
schungsergebnisse bergbauliche Aktivitäten bereits für
die Bronzezeit nachgewiesen sind, hat sich ins-
besondere in den letzten rund 1.000 Jahren von einer
Natur- zu einer Kulturlandschaft bedeutendster Art ent-
wickelt. Er zählt zu den ältesten geschlossenen Indus-
trielandschaften Europas.
Kaum ein Wirtschaftszweig war so unmittelbar von
bestimmten Standortfaktoren abhängig wie der Berg-
bau, und kaum ein Wirtschaftszweig hat die Region, in
der er betrieben wurde, so nachhaltig geprägt. Neben
dem Vorhandensein des abzubauenden Gutes war die
ausreichende Verfügbarkeit von Energiequellen, in der
Regel Holz und Wasser, zwingende Standortvorausset-
zung.
Die Entstehung nahezu aller Landschaftsformatio-
nen, vieler Pflanzengattungen und nahezu aller Kultur-
denkmale des Harzes ist auf das Engste mit dem his-
torischen Bergbau verbunden. Mit den Oberharzer
Bergstädten und den darin errichteten Bergkirchen mit
ihren Kunstschätzen sowie den prächtigen Bauten der
Bergverwaltung, den stattlichen Wohnhäusern der Berg-
beamten und den schlichten Wohnhäusern der einfachen
Bergleute, den vielfältigen Bergwerken der vergan-
genen Jahrhunderte und den Zechenhäusem, dem weit-
läufigen Energiebeschaffungssystem für Bergwerke,
Hütten und Erzaufbereitungen, dem System der Ober-
harzer Wasserwirtschaft, den Wasserlösungsstollen, den
Pingen, den Hüttenplätzen, den als Hohlwegen aus-
gebildeten Erztransportwegen, den Trassen der Eisen-
bahnen mit ihren Bauwerken, den Halden mit ihrer ein-
zigartigen Pflanzenwelt, bis hin zu den von den Berg-
leuten angelegten Fichtenwäldern sei der große Bestand
an Dokumenten des historischen Bergbaus nur ange-
deutet.
Während sich ehemals im Rammeisberg in Goslar
zwei mächtige zusammenhängende Erzlager befanden,
was die Konzentration des Bergbaus und damit auch der
bergbauabhängigen Sachzeugen auf eng begrenztem
Raum zur Folge hatte, wurde der gesamte Oberharz von
einer Vielzahl von Erzgängen durchzogen und folglich
der Bergbau in der ganzen Region betrieben, was eine
großräumige Verteilung der Kulturdenkmale und Berg-
baurelikte bewirkte.

Von den zahlreichen innerhalb und außerhalb der
Oberharzer Bergstädte bestehenden, zum Teil hoch be-
deutenden Kulturdenkmalen, soll an dieser Stelle nur
das weltweit einzigartige System der Oberharzer Was-
serwirtschaft etwas konkreter erwähnt werden. Von den
ehemals 120 Teichen bestehen heute noch 60.
Aufgabe des Wasserwirtschaftssystems war es, das
für den Betrieb der über- und untertägigen Wasserräder
benötigte Aufschlagwasser zu sammeln und diesen kon-
tinuierlich zuzuführen. Als verbindendes Wasser zu-
und abführendes Netz dienten dazu die mit äußerst ge-
ringem Gefälle (1:400 bis 1:1.000) angelegten Sammel-
gräben, welche das Wasser auf möglichst hohem Niveau
auffingen und zu den Teichen transportierten sowie die
in Trockenmauerung ausgeführten so genannten Auf-
schlaggräben, die das Wasser von den Teichen zu den
Bergwerken, Hütten und Pochwerken leiteten. Von den
ehemals 700 km derartiger Gräben sind circa 70 km
noch wasserführend, der Rest als Spuren in der Land-
schaft erhalten. Verschiedene Gräben besitzen unter-
schiedlich lange Tunnel, so genannte Wasserläufe, die
als Abkürzungen durch die Berge getrieben wurden. Von
den ehemals 30 km sind heute noch 20 km Wasserläufe
erhalten und funktionsfähig.
Aufgrund der herausragenden kulturgeschichtlichen
Bedeutung dieses historischen montanen Wasserkraft-
systems wird es innerhalb der nächsten Jahre Aufnahme
in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes finden.


Abb. 1: Clausthal-Zellerfeld,
Zellerfeld, Ldkr. Goslar,
Bürgermeisterhaus (so
genanntes Dietzelhaus) von
1674. Stattliches Wohnhaus
eines Bergbeamten mit
massivem Tresoranbau für die
kostbaren Grubenrisse (rechts
im Bild), 1989.
 
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