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Sektion 6: Historische Forschung in der Denkmalpflege - Das Beispiel der Stadt
Anforderungen und Erwartungen an den „Denkmalpflegerischen
Fachplan“ für die Stadtsanierung und Stadtplanung
Hans-Helmut Dieterich
Abb. 1: Ellwangen, Luftbild
des Stadtkerns von Norden
mit Basilika (Mitte links),
ehemaliger Jesuitenkirche,
-kolleg und -gymnasium
(vorn Mittel rechts) und
Marktplatz (Mitte), 1991.
Die Zeit vor dem Fachplan
Trotz einer 1250-jährigen Stadtgeschichte war die Sen-
sibilität für denkmalpflegerische Zusammenhänge so-
wohl in der Öffentlichkeit als auch in der Stadtverwal-
tung der Stadt Ellwangen noch Ende der 70er Jahre
wenig ausgeprägt. Ellwangen verfügte 1979 über ein be-
tagtes Verzeichnis seiner Baudenkmale und zusätzlich
über den Entwurf einer Denkmalliste aus den 70er
Jahren, der ein wenig weiterhalf, weil er in seiner Ter-
minologie das neue Denkmalschutzgesetz berück-
sichtigte. Man kann von einem Kurzinventar sprechen,
das punktuelle, knappe Aussagen zu dem jeweiligen
schutzwürdigen Objekt machte. So exotische Begriffe
wie Stadtmorphologie, Stadtikonographie oder Sozial-
topographie waren nicht gerade Gemeingut unserer
kommunalen Diskussion, obwohl es gerade hierzu in
Baden-Württemberg mit den historischen Ortsanalysen
bereits frühzeitig viel versprechende Ansätze gab.
Unsere Verwaltung konnte im Folgenden den Ge-
meinderat davon überzeugen, die historische Innenstadt
im Wesentlichen bis zu den Stadtgräben unter Ensemb-
leschutz zu stellen. Wir mussten allerdings heilige Eide
schwören, die neuen Bestimmungen der damit ver-
bundenen Satzung dem Bürger gegenüber mit Verstand
und Augenmaß anzuwenden. Mit dieser Satzung nach
§19 Denkmalschutzgesetz war immerhin im Gestrüpp
der eingetragenen, wie der nicht eingetragenen, aber
bekannten und (am schlimmsten) der unbekannten Bau-
und Kulturdenkmale eine neue Handhabe geschaffen,
die allen Beteiligten ganz neue Denkprozesse abver-
langte. Auch wenn die allwöchentlichen Besprechungen
mit dem örtlich zuständigen Konservator des Landes-
denkmalamtes rasch ein hohes Maß an Überein-
stimmungen aufwiesen, ein Gefühl des Unzulänglichen
blieb. Dies trotz der Tatsache, dass die Geschichte der
Stadt in ihren wesentlichen Grundzügen gut bekannt ist.
Ohne weiteres wird dieses Unbehagen nach heutiger
Rechtslage auch aus der Vorschrift des § 1 Abs. V Ziff. 5,
Baugesetzbuch klar, wonach bei der Aufstellung der
Bauleitpläne insbesondere auch die Belange des Denk-
malschutzes und der Denkmalpflege sowie die erhal-
tenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschicht-
licher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung zu
berücksichtigen sind. § 1 Abs. V Baugesetzbuch macht
überraschend klar deutlich, dass zum Stadtdenkmal
wesentlich auch Nichtdenkmale gehören können.
Landesdenkmalamt und Stadt glaubten also mehr
über den baulichen Bestand wissen zu müssen, und das
führte nach weiteren Diskussionen schließlich zum
denkmalpflegerischen Fachplan für die Stadt Ellwan-
gen. Wir erhofften uns daraus auch für den anstehenden
neuen Flächennutzungsplan und zahlreiche Bebau-
ungspläne genügend Grund in historischer, denkmal-
pflegerischer und städtebaulicher Sicht legen zu kön-
nen. Wir glaubten, dass der erhaltenswerte Bestand mit
Hilfe von Inventaren allein nicht ausreichend zu schüt-
zen sei und wollten einen Fachplan, der aufgrund einer
interdisziplinär erstellten Bewertung entstanden ist.
Stadtgestalt und Fachplan
Auf die stadtgeschichtlichen Besonderheiten von Ell-
wangen hatte bereits Wolfgang Braunfels in seiner
Kunst des Heiligen Römischen Reiches hingewiesen als
er betonte, dass alle politischen Kräfte in dem kleinen
kirchlichen Staat der Fürstpropstei Ellwangen in guter
Architektur am rechten Ort anschaulich geblieben seien.
Auch ein Betrachter ohne große Vorkenntnisse ahnt
in der Tat rasch den geistlichen Staat mit Benediktiner-
kloster und Basilika am zentralen Platz, der zugleich
Stifts- und Marktplatz ist, aber für ein Rathaus der Stadt
nie einen Platz vorsah. Er sieht das Schloss des Landes-
herm. des Fürstpropsts, ab dem Jahre 1460 auf dem
nahen Hügel, in dem man noch Reste der Abtsburg
erkennen kann. Er sieht auf dem benachbarten Hügel die
Schönenbergkirche mit ihrer Marienwallfahrt, die von
den Jesuiten betreut war und die Ellwanger Landschaft
in der Gegenreformation einte. Er kann am Kolleg und
der Kirche der Jesuiten deren Macht in dem kleinen
Territorium erkennen, das sie rekatholisierten, denn
sonst hätten sie nicht in so dominanter Lage direkt neben
der Basilika bauen können. Schließlich zeigen Pri-
vathäuser bis zum kleinen Palais die Ausgestaltung Ell-
wangens zur kleinen Residenzstadt des 18. Jahrhunderts
bis heute auf.
Diese Besonderheit Ellwangens wiegt dadurch
besonders schwer, dass sie durch Gebäude nicht nur in
guter Architektur, sondern auch in vergleichsweise gut
überliefertem Erhaltungszustand repräsentiert ist. Ur-
sache dafür war die ruhige Entwicklung der Stadt zwi-
Sektion 6: Historische Forschung in der Denkmalpflege - Das Beispiel der Stadt
Anforderungen und Erwartungen an den „Denkmalpflegerischen
Fachplan“ für die Stadtsanierung und Stadtplanung
Hans-Helmut Dieterich
Abb. 1: Ellwangen, Luftbild
des Stadtkerns von Norden
mit Basilika (Mitte links),
ehemaliger Jesuitenkirche,
-kolleg und -gymnasium
(vorn Mittel rechts) und
Marktplatz (Mitte), 1991.
Die Zeit vor dem Fachplan
Trotz einer 1250-jährigen Stadtgeschichte war die Sen-
sibilität für denkmalpflegerische Zusammenhänge so-
wohl in der Öffentlichkeit als auch in der Stadtverwal-
tung der Stadt Ellwangen noch Ende der 70er Jahre
wenig ausgeprägt. Ellwangen verfügte 1979 über ein be-
tagtes Verzeichnis seiner Baudenkmale und zusätzlich
über den Entwurf einer Denkmalliste aus den 70er
Jahren, der ein wenig weiterhalf, weil er in seiner Ter-
minologie das neue Denkmalschutzgesetz berück-
sichtigte. Man kann von einem Kurzinventar sprechen,
das punktuelle, knappe Aussagen zu dem jeweiligen
schutzwürdigen Objekt machte. So exotische Begriffe
wie Stadtmorphologie, Stadtikonographie oder Sozial-
topographie waren nicht gerade Gemeingut unserer
kommunalen Diskussion, obwohl es gerade hierzu in
Baden-Württemberg mit den historischen Ortsanalysen
bereits frühzeitig viel versprechende Ansätze gab.
Unsere Verwaltung konnte im Folgenden den Ge-
meinderat davon überzeugen, die historische Innenstadt
im Wesentlichen bis zu den Stadtgräben unter Ensemb-
leschutz zu stellen. Wir mussten allerdings heilige Eide
schwören, die neuen Bestimmungen der damit ver-
bundenen Satzung dem Bürger gegenüber mit Verstand
und Augenmaß anzuwenden. Mit dieser Satzung nach
§19 Denkmalschutzgesetz war immerhin im Gestrüpp
der eingetragenen, wie der nicht eingetragenen, aber
bekannten und (am schlimmsten) der unbekannten Bau-
und Kulturdenkmale eine neue Handhabe geschaffen,
die allen Beteiligten ganz neue Denkprozesse abver-
langte. Auch wenn die allwöchentlichen Besprechungen
mit dem örtlich zuständigen Konservator des Landes-
denkmalamtes rasch ein hohes Maß an Überein-
stimmungen aufwiesen, ein Gefühl des Unzulänglichen
blieb. Dies trotz der Tatsache, dass die Geschichte der
Stadt in ihren wesentlichen Grundzügen gut bekannt ist.
Ohne weiteres wird dieses Unbehagen nach heutiger
Rechtslage auch aus der Vorschrift des § 1 Abs. V Ziff. 5,
Baugesetzbuch klar, wonach bei der Aufstellung der
Bauleitpläne insbesondere auch die Belange des Denk-
malschutzes und der Denkmalpflege sowie die erhal-
tenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschicht-
licher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung zu
berücksichtigen sind. § 1 Abs. V Baugesetzbuch macht
überraschend klar deutlich, dass zum Stadtdenkmal
wesentlich auch Nichtdenkmale gehören können.
Landesdenkmalamt und Stadt glaubten also mehr
über den baulichen Bestand wissen zu müssen, und das
führte nach weiteren Diskussionen schließlich zum
denkmalpflegerischen Fachplan für die Stadt Ellwan-
gen. Wir erhofften uns daraus auch für den anstehenden
neuen Flächennutzungsplan und zahlreiche Bebau-
ungspläne genügend Grund in historischer, denkmal-
pflegerischer und städtebaulicher Sicht legen zu kön-
nen. Wir glaubten, dass der erhaltenswerte Bestand mit
Hilfe von Inventaren allein nicht ausreichend zu schüt-
zen sei und wollten einen Fachplan, der aufgrund einer
interdisziplinär erstellten Bewertung entstanden ist.
Stadtgestalt und Fachplan
Auf die stadtgeschichtlichen Besonderheiten von Ell-
wangen hatte bereits Wolfgang Braunfels in seiner
Kunst des Heiligen Römischen Reiches hingewiesen als
er betonte, dass alle politischen Kräfte in dem kleinen
kirchlichen Staat der Fürstpropstei Ellwangen in guter
Architektur am rechten Ort anschaulich geblieben seien.
Auch ein Betrachter ohne große Vorkenntnisse ahnt
in der Tat rasch den geistlichen Staat mit Benediktiner-
kloster und Basilika am zentralen Platz, der zugleich
Stifts- und Marktplatz ist, aber für ein Rathaus der Stadt
nie einen Platz vorsah. Er sieht das Schloss des Landes-
herm. des Fürstpropsts, ab dem Jahre 1460 auf dem
nahen Hügel, in dem man noch Reste der Abtsburg
erkennen kann. Er sieht auf dem benachbarten Hügel die
Schönenbergkirche mit ihrer Marienwallfahrt, die von
den Jesuiten betreut war und die Ellwanger Landschaft
in der Gegenreformation einte. Er kann am Kolleg und
der Kirche der Jesuiten deren Macht in dem kleinen
Territorium erkennen, das sie rekatholisierten, denn
sonst hätten sie nicht in so dominanter Lage direkt neben
der Basilika bauen können. Schließlich zeigen Pri-
vathäuser bis zum kleinen Palais die Ausgestaltung Ell-
wangens zur kleinen Residenzstadt des 18. Jahrhunderts
bis heute auf.
Diese Besonderheit Ellwangens wiegt dadurch
besonders schwer, dass sie durch Gebäude nicht nur in
guter Architektur, sondern auch in vergleichsweise gut
überliefertem Erhaltungszustand repräsentiert ist. Ur-
sache dafür war die ruhige Entwicklung der Stadt zwi-