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System Denkmalpflege - Netzwerke für die Zukunft
oder wie teuer diese Erhaltung wäre. Was jeweils öffent-
liches Interesse konstituiert, hängt eng mit Denkmal-
werten und Denkmalbegriffen zusammen. Beide galt
und gilt es zu entdecken, zu artikulieren, zu vermitteln,
und das wiederum ging und geht nicht ohne
Engagement, ohne Kompetenz, ohne Sensibilität, ohne
Fantasie, ohne intellektuelle, ästhetische emotionale
Offenheit und Neugier, aber auch nicht ohne den Rück-
halt in staatlicher Zuständigkeit und Verantwortung. Das
so Erkannte dann zur Geltung zu bringen, verlangte und
verlangt langen Atem, Stehvermögen, und manchmal
sogar Zivilcourage - nicht nur gegenüber der Öffent-
lichkeit, sondern bereits gegenüber der vorgesetzten
Behörde und gelegentlich auch, leider, bereits im
eigenen Amt und in der eigenen Abteilung.
Festzuhalten und zu verteidigen, nicht nur gegen den
politischen Willen, der im Positionspapier zum Aus-
druck kommt, sondern auch gegenüber den Versuchun-
gen einer künftig vielleicht konfliktärmeren Praxis,
wäre die Einsicht, dass Denkmale, auch - und gerade in
ihrer Andersartigkeit, ja Fremdheit, in ihrer Differenz
gegenüber dem gegenwärtig Entstehenden ihre Eigenart
und damit ihre Existenz und Lebensberechtigung haben.
Und daraus folgt, dass ihre Erhaltung auch und gerade
dann im öffentlichen Interesse liegen kann, wenn ihre
Akzeptanz im Moment gering und das Verhältnis nicht
störungsfrei ist.
Die Grundintention des Positionspapiers ist offen-
sichtlich. Man will eine Denkmalpflege, die bürger-
näher und bürgerfreundlicher ist, und dagegen ist ja
auch gar nichts einzuwenden.
Unbeantwortet freilich bleibt die Frage, was
eigentlich dem Bürger wirklich hilft, was er wirklich
braucht und zwar nicht nur am nächsten Montag Mor-
gen, sondern auch noch in zehn Jahren und nicht nur für
sich, sondern auch für seinen Nachbarn, für das
Gemeinwesen und für seine Kinder. Dies festzustellen,
ist alles andere als einfach. Denn gewiss reicht es nicht,
dem Bürger per Meinungsumfrage, und dann womög-
lich noch mit den falschen Fragen, einmal schnell aufs
Maul zu schauen.
Der Denkmalschutz gehört in den gesellschaftlichen
Auseinandersetzungen sicherlich nicht zu den Starken.
Trotz aller Abhängigkeiten und aller vorhersehbaren
Niederlagen aber darf er den notwendigen Auseinander-
setzungen nicht ausweichen. Im Gegenteil, wer weiß,
dass sehr viel mehr Denkmal ist, als die Gesellschaft
zunächst wahrhaben möchte, der muss anerkennen, dass
Denkmalbedeutung nicht in jedem Fall automatisch
auch Konservierung bedeuten kann. Dies entbindet aber
nicht von der Verantwortung, der Gesellschaft vor Au-
gen zu stellen, wo sie sich bei ihren Entscheidungen
über Denkmale befindet. Und dies entbindet vor Allem
nicht vor der Verpflichtung, der Gesellschaft, notfalls
auch gegen ihren Willen zu erklären, was, wofür und in
welchem Sinne Denkmal ist.
Dabei sollte man die Gesellschaft nicht ohne weiteres
gleich setzen mit den Politikern. Denn immer wieder
zeigt sich, dass die Gesellschaft und ihre Bürger kom-
plexer, offener, schwieriger, aber auch lernbereiter sind,
als Politiker (und mancher Denkmalpfleger) es glauben.
Es ist nicht lange her, dass wir, ein kleines Häufchen
trotziger Bürger, auf Münchens Straßen 40.000 Unter-
schriften für die Erhaltung unseres Olympiastadions
gesammelt haben. An den wenigen Info-Ständen, die
wir besetzen konnten - übrigens, nicht ein einziger
Denkmalpfleger hat sich dort exponiert - war über meh-
rere Monate Gelegenheit, intensiv über Denkmalpflege
zu diskutieren. Eine der Konstanten in diesen Gesprä-
chen war eine für mich unerwartet große Diskrepanz
zwischen zum Teil heftiger Kritik an den Denkmal-
pflegern, vor allem an ihrer Sozialkompetenz auf der
einen Seite und einer erstaunlichen Hochschätzung des
Themas Denkmalpflege und des Auftrages, der damit
verbunden ist auf der anderen Seite. In dieser Hinsicht
hätten die Autoren des KMK Papiers an unseren
Ständen viel Zustimmung gefunden, wenn sie verlangen
„die Kommunikationsfähigkeit zu pflegen und zu
schulen“. Vieles an der Kritik der amtlichen Denk-
malpflege, die in den letzten Jahren vorgetragen wurde
(Stichwort: Frau Vollmer) ist sicher überzogen. Einige
Rollen freilich könnten ohne Verlust aus dem Programm
genommen werden. Der Prediger mit dem pastoralen
Tremolo in der Stimme oder der verhinderte Architekt,
der als Geschmackspolizist tätig wird, sind ebenso ver-
zichtbar wie der große Wissenschaftler, der sauertöp-
fisch zu verstehen gibt, dass er in Gedanken eigentlich
ganz wo anders ist, oder der Paragrafensicherer und
Vollstrecker von Richtlinien und „Amtsmeinungen“.
Sie alle wissen, diese Liste ließe sich fortsetzen.
Was der Bürger erwartet und wohl auch honoriert,
wären mehr Nüchternheit und Professionalität und auch
mehr Stehvermögen in der Auseinandersetzung mit den
konkurrierenden gesellschaftlichen Belangen. Weniges
hat in den letzten Jahrzehnten der Denkmalpflege, den
Denkmalen so geschadet wie der trügerisch schlechte
Frieden, der da unter den Sternzeichen des „wir sitzen
doch alle im gleichen Boot“ und des „wir wollen doch
alle dasselbe“ steht. So angenehm das im praktischen
Leben den Umgang miteinander macht, für die Denk-
male, so scheint mir, könnte etwas mehr Unruhe nur
nützlich sein, und nach den Erfahrungen in Münchens
Straßen bin ich mir sicher, dass auch die Bürger dafür
nicht nur Verständnis hätten, sondern auch zur Unter-
stützung bereit wären. Alle Beteiligten hätten auch auf
Dauer sicherlich mehr voneinander, wenn jeder den
eigenen Auftrag und die eigenen Interessen prägnanter
und streitbarer formulierte, als das heute meist üblich
ist. Weniges ist in den letzten Jahren so zerstörerisch
gewesen, wie das Nachgeben gegenüber Kontrahenten,
die sich noch gar nicht gemeldet haben, die still-
schweigend vorausgesetzte und oft schon bis zum beruf-
lichen Identitätsverlust vorab verinnerlichte „vernünf-
tige Lösung“.
Man wird dies im Kopf behalten müssen, wenn das
KMK-Papier auch das eigentlich Selbstverständliche
fordert, nämlich „strategische Allianzen zu bilden, eine
effektive Arbeitsteilung zu organisieren, Kooperationen
zu stärken“. Damit kann, damit darf nicht vorweg
eilender Gehorsam oder laissez faire gemeint sein, son-
dern nur eine Offenheit und Flexibilität, die auf Festig-
keit im Prinzipiellen gründet. Dies wiederum verlangt
nach außen, vor allem aber auch nach innen eine eini-
germaßen geklärte und stabilisierte Identität. In den Vor-
bereitungspapieren für die diesjährige Tagung ist viel
von Netzwerken und Systemen die Rede. Mir persönlich
ist die altmodische „Partnerschaft“ lieber, weil zur Part-
nerschaft immer auch Verantwortlichkeiten gehören, die
sich in Netzwerken und Systemen gerne und schnell ver-
lieren. Und die Verantwortung, etwa die konservato-
System Denkmalpflege - Netzwerke für die Zukunft
oder wie teuer diese Erhaltung wäre. Was jeweils öffent-
liches Interesse konstituiert, hängt eng mit Denkmal-
werten und Denkmalbegriffen zusammen. Beide galt
und gilt es zu entdecken, zu artikulieren, zu vermitteln,
und das wiederum ging und geht nicht ohne
Engagement, ohne Kompetenz, ohne Sensibilität, ohne
Fantasie, ohne intellektuelle, ästhetische emotionale
Offenheit und Neugier, aber auch nicht ohne den Rück-
halt in staatlicher Zuständigkeit und Verantwortung. Das
so Erkannte dann zur Geltung zu bringen, verlangte und
verlangt langen Atem, Stehvermögen, und manchmal
sogar Zivilcourage - nicht nur gegenüber der Öffent-
lichkeit, sondern bereits gegenüber der vorgesetzten
Behörde und gelegentlich auch, leider, bereits im
eigenen Amt und in der eigenen Abteilung.
Festzuhalten und zu verteidigen, nicht nur gegen den
politischen Willen, der im Positionspapier zum Aus-
druck kommt, sondern auch gegenüber den Versuchun-
gen einer künftig vielleicht konfliktärmeren Praxis,
wäre die Einsicht, dass Denkmale, auch - und gerade in
ihrer Andersartigkeit, ja Fremdheit, in ihrer Differenz
gegenüber dem gegenwärtig Entstehenden ihre Eigenart
und damit ihre Existenz und Lebensberechtigung haben.
Und daraus folgt, dass ihre Erhaltung auch und gerade
dann im öffentlichen Interesse liegen kann, wenn ihre
Akzeptanz im Moment gering und das Verhältnis nicht
störungsfrei ist.
Die Grundintention des Positionspapiers ist offen-
sichtlich. Man will eine Denkmalpflege, die bürger-
näher und bürgerfreundlicher ist, und dagegen ist ja
auch gar nichts einzuwenden.
Unbeantwortet freilich bleibt die Frage, was
eigentlich dem Bürger wirklich hilft, was er wirklich
braucht und zwar nicht nur am nächsten Montag Mor-
gen, sondern auch noch in zehn Jahren und nicht nur für
sich, sondern auch für seinen Nachbarn, für das
Gemeinwesen und für seine Kinder. Dies festzustellen,
ist alles andere als einfach. Denn gewiss reicht es nicht,
dem Bürger per Meinungsumfrage, und dann womög-
lich noch mit den falschen Fragen, einmal schnell aufs
Maul zu schauen.
Der Denkmalschutz gehört in den gesellschaftlichen
Auseinandersetzungen sicherlich nicht zu den Starken.
Trotz aller Abhängigkeiten und aller vorhersehbaren
Niederlagen aber darf er den notwendigen Auseinander-
setzungen nicht ausweichen. Im Gegenteil, wer weiß,
dass sehr viel mehr Denkmal ist, als die Gesellschaft
zunächst wahrhaben möchte, der muss anerkennen, dass
Denkmalbedeutung nicht in jedem Fall automatisch
auch Konservierung bedeuten kann. Dies entbindet aber
nicht von der Verantwortung, der Gesellschaft vor Au-
gen zu stellen, wo sie sich bei ihren Entscheidungen
über Denkmale befindet. Und dies entbindet vor Allem
nicht vor der Verpflichtung, der Gesellschaft, notfalls
auch gegen ihren Willen zu erklären, was, wofür und in
welchem Sinne Denkmal ist.
Dabei sollte man die Gesellschaft nicht ohne weiteres
gleich setzen mit den Politikern. Denn immer wieder
zeigt sich, dass die Gesellschaft und ihre Bürger kom-
plexer, offener, schwieriger, aber auch lernbereiter sind,
als Politiker (und mancher Denkmalpfleger) es glauben.
Es ist nicht lange her, dass wir, ein kleines Häufchen
trotziger Bürger, auf Münchens Straßen 40.000 Unter-
schriften für die Erhaltung unseres Olympiastadions
gesammelt haben. An den wenigen Info-Ständen, die
wir besetzen konnten - übrigens, nicht ein einziger
Denkmalpfleger hat sich dort exponiert - war über meh-
rere Monate Gelegenheit, intensiv über Denkmalpflege
zu diskutieren. Eine der Konstanten in diesen Gesprä-
chen war eine für mich unerwartet große Diskrepanz
zwischen zum Teil heftiger Kritik an den Denkmal-
pflegern, vor allem an ihrer Sozialkompetenz auf der
einen Seite und einer erstaunlichen Hochschätzung des
Themas Denkmalpflege und des Auftrages, der damit
verbunden ist auf der anderen Seite. In dieser Hinsicht
hätten die Autoren des KMK Papiers an unseren
Ständen viel Zustimmung gefunden, wenn sie verlangen
„die Kommunikationsfähigkeit zu pflegen und zu
schulen“. Vieles an der Kritik der amtlichen Denk-
malpflege, die in den letzten Jahren vorgetragen wurde
(Stichwort: Frau Vollmer) ist sicher überzogen. Einige
Rollen freilich könnten ohne Verlust aus dem Programm
genommen werden. Der Prediger mit dem pastoralen
Tremolo in der Stimme oder der verhinderte Architekt,
der als Geschmackspolizist tätig wird, sind ebenso ver-
zichtbar wie der große Wissenschaftler, der sauertöp-
fisch zu verstehen gibt, dass er in Gedanken eigentlich
ganz wo anders ist, oder der Paragrafensicherer und
Vollstrecker von Richtlinien und „Amtsmeinungen“.
Sie alle wissen, diese Liste ließe sich fortsetzen.
Was der Bürger erwartet und wohl auch honoriert,
wären mehr Nüchternheit und Professionalität und auch
mehr Stehvermögen in der Auseinandersetzung mit den
konkurrierenden gesellschaftlichen Belangen. Weniges
hat in den letzten Jahrzehnten der Denkmalpflege, den
Denkmalen so geschadet wie der trügerisch schlechte
Frieden, der da unter den Sternzeichen des „wir sitzen
doch alle im gleichen Boot“ und des „wir wollen doch
alle dasselbe“ steht. So angenehm das im praktischen
Leben den Umgang miteinander macht, für die Denk-
male, so scheint mir, könnte etwas mehr Unruhe nur
nützlich sein, und nach den Erfahrungen in Münchens
Straßen bin ich mir sicher, dass auch die Bürger dafür
nicht nur Verständnis hätten, sondern auch zur Unter-
stützung bereit wären. Alle Beteiligten hätten auch auf
Dauer sicherlich mehr voneinander, wenn jeder den
eigenen Auftrag und die eigenen Interessen prägnanter
und streitbarer formulierte, als das heute meist üblich
ist. Weniges ist in den letzten Jahren so zerstörerisch
gewesen, wie das Nachgeben gegenüber Kontrahenten,
die sich noch gar nicht gemeldet haben, die still-
schweigend vorausgesetzte und oft schon bis zum beruf-
lichen Identitätsverlust vorab verinnerlichte „vernünf-
tige Lösung“.
Man wird dies im Kopf behalten müssen, wenn das
KMK-Papier auch das eigentlich Selbstverständliche
fordert, nämlich „strategische Allianzen zu bilden, eine
effektive Arbeitsteilung zu organisieren, Kooperationen
zu stärken“. Damit kann, damit darf nicht vorweg
eilender Gehorsam oder laissez faire gemeint sein, son-
dern nur eine Offenheit und Flexibilität, die auf Festig-
keit im Prinzipiellen gründet. Dies wiederum verlangt
nach außen, vor allem aber auch nach innen eine eini-
germaßen geklärte und stabilisierte Identität. In den Vor-
bereitungspapieren für die diesjährige Tagung ist viel
von Netzwerken und Systemen die Rede. Mir persönlich
ist die altmodische „Partnerschaft“ lieber, weil zur Part-
nerschaft immer auch Verantwortlichkeiten gehören, die
sich in Netzwerken und Systemen gerne und schnell ver-
lieren. Und die Verantwortung, etwa die konservato-