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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen — Petersberg: Imhof, Heft 41.2014

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Zum Personenkreis in der Wandmalereirestaurierung Niedersachsens
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Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen

Selbst wenn die Biografien der einzelnen Maler sich
zum Teil erheblich unterscheiden, verbindet doch die
meisten die Nähe zum Historismus und zur traditio-
nellen Schule. Die früheren Geburtsjahrgänge (1852-
70) fielen mit ihrer Schaffenszeit und ihrer künstleri-
schen Ausrichtung noch weitgehend in die Blütezeit
der Historienmalerei, woran besonders die Herr-
schaftshäuser großes Interesse hatten,181 lernten bei
bekannten Historienmalern wie Hermann Schaper
und dem hannoverschen Hofmaler Friedrich Kaulbach
und hielten zum Teil selbst enge Verbindungen zum
Adel: Quensen war Hofmaler in Braunschweig,
Wichtendahl unterhielt freundschaftliche Verbindun-
gen zum Haus Braunschweig/Lüneburg und begleite-
te den Prinzregenten Johann Albrecht von Mecklen-
burg auf einer Reise durch den Orient, Morisse wurde
1914 durch den Oldenburger Herzog Friedrich August
als Regimentsmaler und Kriegsberichtserstatter beauf-
tragt.
Sie gehörten zu einer Schule, die sich auf die Tradition
des 19. Jahrhunderts besann. Der Moderne standen
sie kritisch gegenüber. Der Kreis der Oldenburger
Heimatmaler, zu dem auch Morisse gehörte, wandte
sich beispielsweise verstärkt gegen den Impressionis-
mus und plädierte für eine inhaltliche Vertiefung und
für die Perfektionierung der Technik, nicht aber für
einen wechselhaften Erneuerungsdrang.182 Auch die
in Hannover ansässigen Maler gehörten der traditio-
nellen Schule an. Die traditionelle Kunst galt als die
offizielle, die große Kunstöffentlichkeit betrachtete sie
als am „ästhetisch Schönen, Ausgewogenen und
Erhabenen"183 orientiert. Hier kann für die Gruppe der
ausgewählten Maler besonders Oskar Wichtendahl
heraus gestellt werden. Als ehemaliger Akademie-
schüler galt er als Vertreter eines neubarocken184 oder
auch klassisch-naturalistischen185 Stils. 1961 zitierte
die Hannoversche Presse das Urteil des Künstlers Carl
Buchheister über Wichtendahl: „Während die künst-
lerischen Strömungen seiner Zeit sich über Kubismus,
Futurismus und Expressionismus zum Abstrakten ent-
wickelt hätten, sei Wichtendahl beharrlich seiner kon-
servativen Richtung ... treu geblieben."186 Seine Mit-
gliedschaft im hannoverschen Künstlerverein spricht
ebenfalls für eine historische Gesinnung. Der Künst-
lerverein stand der modernen Kunst kritisch gegen-
über, pflegte hingegen die Tradition und die Kunst des
18. und 19. Jahrhunderts. Er bestand aus bekannten
Vertretern aus Politik und Kultur, die den Vereinscha-
rakter bewusst beschränkt hielten. Hier konnte man
nicht einfach Mitglied werden, „sondern man mußte
offiziell zum Beitritt geladen werden".187 Zusammen
mit dem hannoverschen Kunstverein, der von vielen
als „Hort traditionsbewußter Kunstpflege" geachtet
wurde, machte er einen großen Teil der Kunstöffent-
lichkeit aus.
Auch an der Handwerker- und Kunstgewerbeschule
bestand noch Anfang der 1920er Jahre in erster Linie

eine „betont konventionelle und akademische Art
künstlerischen Schaffens",188 der vermutlich auch die
dort angestellten Lehrer Sievers und Wildt treu blieben.
Koch und Wildt befanden sich im nächsten Umfeld
der Architekten der hannoverschen Schule, die vor
allem im Stil der Neugotik bauten, und waren Mit-
glieder der „Bauhütte zum weißen Blatt", wo Koch
1930 sogar zum Ehrenmitglied ernannt wurde. Die als
Traditionalisten beschriebenen Künstler bedienten
sich der bewährten Formen und Mittel, und ihre
Schöpfungen beruhten auf dem Gedanken einer
Gestaltung ,im mittelalterlichen Sinne'.189 Ihr Grund-
satz des ,Festhaltens am Alten' wandte sich gegen die
„Neuerungssucht"190 in Kunst und Architektur.
Die traditionelle Kunst, die historischen Kunststile
wurden nicht nur von den Künstlern, sondern auch
von ihren für die Restaurierungsarbeiten relevanten
Auftraggebern, den Kirchengemeinden, gepflegt.
Neuzeitliche, aber in historischen Stilen gebaute Kir-
chenbauten erhielten stilistisch passende Ausmalun-
gen. Neuausmalungen von mittelalterlichen Kirchen
hatten ebenfalls die Aufgabe, sich dem Bau und der
Ausstattung anzupassen.191 Zwischen 1911 und 1913
führte beispielsweise Bücker eine so genannte
Barockausmalung der Kirche in Lauterberg aus192 und
auch die dekorativen Malereien Sievers' und Gottas
orientierten sich an der Architektur und weisen histo-
rische Stilelemente auf. Gotta bot 1919 für die Aus-
gestaltung der Kirche in Wilkenburg an, die Malerei in
„romanischem Stil" auszuführen.193
Der Schwerpunkt auf der traditionellen Malerei und
die Kenntnis historischer Stile, der viele der genannten
Maler miteinander verbindet, könnte als Erklärungs-
ansatz dafür dienen, dass die Maler besonders geeig-
net für die Restaurierung erschienen. Die Berichte
Wilhelm Morisses in den Jahrbüchern für die
Geschichte des Herzogtums Oldenburg über die von
ihm freigelegten Wand- und Gewölbemalereien zeu-
gen von Kenntnissen in Stilkunde und Kunstgeschich-
te.194 Sein Schriftverkehr mit dem Vorsitzenden des
Oldenburger Vereins für Altertumskunde und Landes-
geschichte weist auf großes Engagement gerade für
die Erhaltung der mittelalterlichen Wandmalereien im
Herzogtum Oldenburg hin. Morisse hat auf eigene
Initiative verschiedene Kirchen auf ihren Malereibe-
stand hin untersucht und sich für dessen Erhaltung
eingesetzt.195
Zusätzliche Fortbildungen, wie die Kurzausbildung
Kochs im Restaurierungsatelier der Berliner Museen
und die Wildts bei Koch im hannoverschen Provinzial-
museum trugen zur Schulung in restauratorischer
Hinsicht bei. Für Wildt ist außerdem zu belegen, dass
er sich auch mit Maltechniken auseinander setzte und
darüber referierte.196
Hatten sie einmal positiv beurteilte Restaurierungen
ausgeführt, so wurden sie von den Provinzialkonser-
vatoren immer wieder empfohlen. Förderlich für sol-
 
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