Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
19

Zum Personenkreis in der Wandmalereirestaurierung Niedersachsens

Neben den gesetzlichen Bestimmungen sowie den
staatlichen und kirchlichen Einrichtungen, die sich mit
Denkmalpflege befassten, gehören die Personen, die
Restaurierungen betreuten oder ausführten, zu den
Faktoren, die mit ihrem Kenntnisstand die Technik
und Methodik und damit das Gelingen einer Res-
taurierung immens beeinflussten. Der Personenkreis,
der in den ehemaligen Ländern Niedersachsens an
den in der vorligenden Arbeit vorgestellten und aus-
gewerteten Restaurierungen eine tragende Rolle
innehatten, wird hier vorgestellt und kritisch beleuch-
tet. Hierzu gehören die Provinzialkonservatoren der
Provinz Hannover, die Konsistorialbaumeister der ev.-
luth. Landeskirche Hannovers und andere Denkmal-
pfleger aus den nicht preußisch regierten Ländern im
Gebiet des heutigen Bundeslandes Niedersachsen als
Vertreter denkmalpflegerischer Institutionen und als
Ausführende die Gruppe der Kunst-, Dekorations-
und Kirchenmaler, die in der Praxis die Restaurie-
rungen durchführten. Die Regierungspräsidenten, die
letztlich die Entscheidungsgewalt hatten, traten in der
praktischen Denkmalpflege nicht in Erscheinung und
entschieden weitestgehend gemäß der Empfeh-
lungen der Provinzialkonservatoren. Sie sind in diesem
Kapitel deshalb nicht aufgeführt.
Architekten hatten zwar häufig die Bauleitung über
größere Kircheninstandsetzungen und waren für Pla-
nung und Umbau zuständig. Ihr direkter Einfluss auf
die praktische Ausführung von Wandmalereirestaurie-
rungen konnte an den exemplarisch dargestellten
Objekten jedoch nicht belegt werden. Beachtenswert
erscheint jedoch, dass die in den Quellen genannten
Architekten Schüler Conrad Wilhelm Hases’41 waren
oder jedenfalls aus dem Umfeld der durch Hase
begründeten hannoverschen Schule kamen.142 Alle
waren zudem Mitglieder der ebenfalls von Hase ge-
gründeten hannoverschen „Bauhütte zum weißen
Blatt",143 was auf einen engen Bezug zur Neugotik
Hases und damit auf eine eher traditionelle, historis-
tisch geprägte Bau- und Denkweise hindeutet. Diese
Tatsache trifft ebenfalls auf Provinzialkonservator
Siebern und die Konsistorialbaumeister Mohrmann
und Fischer zu.
Die Biografien der Denkmalpfleger und Maler sowie
eine Auswahl ihrer Publikationen und Werke sind ab
Seitel 60 zusammengestellt.
Die Vertreter der Denkmalpflege: Konservatoren
und Konsistorialbaumeister
In die Zeitspanne von 1899 bis 1939 fallen die Amts-
zeiten von vier Provinzialkonservatoren in der preußi-
schen Provinz Hannover. Der erste hannoversche

Provinzialkonservator war Jacobus Reimers,144 der das
Amt von 1894 bis 1910 bekleidete. Seit 1890 war er
hauptamtlich Direktor des neu begründeten Provin-
zialmuseums und führte seine konservatorische
Tätigkeit im Nebenamt aus. 1910 ging Reimers in den
Ruhestand und der Posten des Provinzialkonservators,
nun als hauptamtliche Tätigkeit, fiel an Landesbau-
meister Heinrich Siebern.145 Siebern war bereits seit
1909 Privatdozent an der Technischen Hochschule
Hannover. 1921 wurde er zum Landesoberbaurat
ernannt und als außerordentlicher Professor für Ge-
bäudekunde und Entwerfen an der Technischen
Hochschule beschäftigt. 1927 gab er die Lehrtätigkeit
auf, war jedoch noch bis 1937 als Provinzialkon-
servator tätig. Sowohl Reimers als auch Siebern hat-
ten Architektur studiert und in diesem Fach promo-
viert, Reimers hatte zusätzlich im Fach Archäologie
promoviert.
Im April 1937 wurde Landesbaurat Gustav Darr zum
Provinzialkonservator ernannt. Über die denkmalpfle-
gerische Tätigkeit Darrs, der die Stelle nur bis
September 1937 innehatte, bestehen fast keine
Angaben. Er ist in den Publikationen zur Geschichte
der Denkmalpflege in Niedersachsen nicht einmal
erwähnt.146 Darr wurde im September 1937 aufgrund
homosexueller Handlungen vom Dienst suspendiert.
An seiner Stelle wurde, zunächst kommissarisch,
Hermann Deckert als Provinzialkonservator einge-
setzt. Dieser trat sie offiziell im Juli 1939 anstelle des
„aus dem Dienst entfernten" Darr an.147 Damit war
zum ersten Mal ein Kunsthistoriker als Denkmalpfle-
ger berufen. Mit der Gründung des Landes Nieder-
sachsen 1946 verwaltete Deckert in Personalunion die
Ämter des Landeskonservators und des Kulturrefe-
renten im Ministerium. 1951 schied er als Landes-
konservator aus. Deckert setzte sich verstärkt für die
weiterführende Inventarisation der Denkmale und für
eine geregelte Denkmalschutzgesetzgebung ein.
Reimers, Siebern und Deckert waren auf den Tagen
für Denkmalpflege vertreten, blieben dort jedoch wei-
testgehend im Hintergrund. Als Referent trat niemand
von ihnen auf und auch an Diskussionen, die in den
stenografischen Berichten der Denkmalpflegetage
festgehalten wurden, nahmen sie nicht teil.148 Anders
als beispielsweise Cornelius Gurlitt in Dresden oder
Georg Hager in München zählen die hannoverschen
Konservatoren nicht zu den führenden Kräften der
denkmalpflegerischen Entwicklung in Deutschland
nach 1900. Der überregionale Bekanntheitsgrad
Reimers erklärt sich vor allem durch die Herausgabe
seines Handbuchs für die Denkmalpflege.149 Darin
erläuterte er die Entwicklung der preußischen
Denkmalpflege und ihre Rechtsgrundlagen, basierend
auf den ministeriellen Erlassen, die außerdem im
 
Annotationen