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Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen
Zur Freilegungs- und Restaurierungspraxis in Niedersachsen 1899-1939
am Beispiel ausgewählter mittelalterlicher Wandmalereien
Die um die Wende zum 20. Jahrhundert in der Denk-
malpflege stattfindenden Entwicklungen lassen sich
auch an der Restaurierungspraxis in Niedersachsen
ablesen. Das Spannungsfeld bestand zwischen zwei
grundlegenden Aufgaben der Restaurierung, die eini-
ge Widersprüche und Kontroversen beinhalteten:
Maßnahmen zur Erhaltung und Maßnahmen zur
Präsentation. Das Hauptinteresse der Denkmalpflege
lag in der Erhaltung der Wandmalereien, während für
die Eigentümer, hier hauptsächlich Kirchengemein-
den, eine repräsentative Raumausmalung vorrangig
war.
Anfang des 20. Jahrhunderts strebten sehr viele
Kirchengemeinden eine Renovierung ihrer Kirche an,
die meistens auch eine Neuausmalung beinhalten
sollte. Dieses Streben resultierte aus praktischen
Gründen wie Raumumnutzung, da die Plätze auf
nachträglich eingebauten Emporen und Adelsprie-
chen häufig nicht mehr benötigt wurden, oder
Modernisierungswünschen. Aufgrund der wirtschaft-
lich guten Lage waren die nötigen Geldmittel vorhan-
den.
Die staatliche Denkmalpflege hatte sich mittlerweile
soweit etabliert, dass Kirchengemeinden über solche
Maßnahmen oder spätestens nach Entdeckung histo-
rischer Ausmalungen dem zuständigen Konservator
Bericht erstatteten.366 Aus den Berichten der Kirchen-
vorstände nach Entdeckung historischer Ausmalun-
gen geht das Wissen um die Auffindung kulturhisto-
risch wertvoller Zeugnisse und das Interesse an deren
Wiederherstellung hervor. Auf Seiten der Denkmal-
pflege findet sich daneben vielfach der Hinweis an
Kirchengemeinden, bei den Renovierungsarbeiten auf
Spuren älterer Wand- und Gewölbemalereien acht zu
geben.
Damit wurde historischen Ausmalungen eine beson-
dere Aufmerksamkeit zuteil, und bis auf wenige Aus-
nahmen waren sich Kirchengemeinden und Denkmal-
pflege einig, dass vorhandene Wand- oder Gewölbe-
malereien erhalten und restauriert werden sollten.
In den folgenden Kapiteln wird die Restaurierungs-
praxis und -methodik anhand der einzelnen Arbeits-
schritte von Freilegung bis Retusche dargelegt und
ausgewertet. Außerdem wird die Frage beantwortet,
inwieweit Veränderungen bzw. Entwicklungen von
1899 bis 1939 zu verzeichnen sind.
Restaurierungsbeispiele - Erläuterung von
Auswahlkriterien und Untersuchungsmethoden
Anhand von restauratorischen Untersuchungen und
vergleichenden Quellenstudien wurde die Restaurie-
rungspraxis in Niedersachsen zwischen 1899 und
1939 erforscht. Das Jahr 1939 als Schlusspunkt zu
wählen erschien sinnvoll, da mit Ausbruch des Zwei-
ten Weltkriegs die Restaurierungstätigkeiten weitest-
gehend in den Hintergrund traten.367 Der Ausgangs-
punkt sollte um die Jahrhundertwende liegen, da sich
die Manifestation der praktisch denkmalpflegerischen
Arbeit mit Einsetzung des Provinzialkonservators
1894, Einsetzen von Vertrauensmännern 1898 und
Beginn der Inventarisation 1899 sowie die veränder-
ten denkmalpflegerischen Auffassungen kurz nach
1900 auch in der Wandmalereirestaurierung bemerk-
bar machten. Zudem konnte damit an bereits vorlie-
gende Forschungsergebnisse und Literatur zur Res-
taurierung im 19. Jahrhundert angeknüpft werden.
Das Jahr 1899 als konkreter Anfangspunkt begründet
sich des weiteren dadurch, dass es sich hierbei um die
erste nachgewiesene Restaurierung durch Reinhold
Ebeling handelt. Ebeling war in der Provinz Hannover
bis in die 1930er Jahre der meistbeschäftigte Kirchen-
maler im Bereich der Wandmalereirestaurierung.
Die große Zahl von Wand- und Gewölbemalereien auf
dem Gebiet des heutigen Landes Niedersachsen erfor-
derte die Zusammenstellung einer begrenzten Aus-
wahl von Restaurierungsbeispielen, um eine wissen-
schaftliche Erfassung und Auswertung der Freile-
gungs- und Restaurierungsmethodik an Wand- und
Gewölbemalereien in der verfügbaren Zeit zu ermög-
lichen. Ziel war es, aufgrund der Anlage bestimmter
Kriterien einen Querschnitt durch die Restaurierungs-
geschichte von Wandmalereien in der genannten Zeit-
spanne zu erhalten. Aufgrund der zusätzlichen Er-
kenntnisse durch objektübergreifende Quellen- und
Literaturrecherchen zur Denkmalpflege und Restau-
rierung ist das Ergebnis trotz der eingeschränkten
Auswahl als repräsentativ für die übliche Restaurie-
rungspraxis anzusehen.
Zur Erfassung der Restaurierungen wurde der Kata-
logband zur Publikation „Wandmalerei in Niedersach-
sen, Bremen und im Groningerland",368 die den über-
wiegenden Teil mittelalterlicher Wandmalereien er-
fasst, zu Grunde gelegt. Die Auswahl umfasste zu-
nächst alle Objekte, die im genannten Zeitraum res-
tauriert wurden. Nicht berücksichtigt wurden Male-
reien, die heute nicht mehr erhalten sind. Die weitere
Eingrenzung erfolgte aufgrund der Auswertung breit
angelegter Quellen- und Literaturstudien. Bevorzugt
wurden solche Restaurierungen, die anhand von
Schriftverkehr, Planmaterial oder Fotografien zumin-
dest annähernd nachvollzogen werden konnten (Abb. 1).
Zudem sollte die Auswahl der Restaurierungen weite-
re Bedingungen erfüllen: Die möglichst breite geogra-
fische Streuung im niedersächsischen Gebiet, die
Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen
Zur Freilegungs- und Restaurierungspraxis in Niedersachsen 1899-1939
am Beispiel ausgewählter mittelalterlicher Wandmalereien
Die um die Wende zum 20. Jahrhundert in der Denk-
malpflege stattfindenden Entwicklungen lassen sich
auch an der Restaurierungspraxis in Niedersachsen
ablesen. Das Spannungsfeld bestand zwischen zwei
grundlegenden Aufgaben der Restaurierung, die eini-
ge Widersprüche und Kontroversen beinhalteten:
Maßnahmen zur Erhaltung und Maßnahmen zur
Präsentation. Das Hauptinteresse der Denkmalpflege
lag in der Erhaltung der Wandmalereien, während für
die Eigentümer, hier hauptsächlich Kirchengemein-
den, eine repräsentative Raumausmalung vorrangig
war.
Anfang des 20. Jahrhunderts strebten sehr viele
Kirchengemeinden eine Renovierung ihrer Kirche an,
die meistens auch eine Neuausmalung beinhalten
sollte. Dieses Streben resultierte aus praktischen
Gründen wie Raumumnutzung, da die Plätze auf
nachträglich eingebauten Emporen und Adelsprie-
chen häufig nicht mehr benötigt wurden, oder
Modernisierungswünschen. Aufgrund der wirtschaft-
lich guten Lage waren die nötigen Geldmittel vorhan-
den.
Die staatliche Denkmalpflege hatte sich mittlerweile
soweit etabliert, dass Kirchengemeinden über solche
Maßnahmen oder spätestens nach Entdeckung histo-
rischer Ausmalungen dem zuständigen Konservator
Bericht erstatteten.366 Aus den Berichten der Kirchen-
vorstände nach Entdeckung historischer Ausmalun-
gen geht das Wissen um die Auffindung kulturhisto-
risch wertvoller Zeugnisse und das Interesse an deren
Wiederherstellung hervor. Auf Seiten der Denkmal-
pflege findet sich daneben vielfach der Hinweis an
Kirchengemeinden, bei den Renovierungsarbeiten auf
Spuren älterer Wand- und Gewölbemalereien acht zu
geben.
Damit wurde historischen Ausmalungen eine beson-
dere Aufmerksamkeit zuteil, und bis auf wenige Aus-
nahmen waren sich Kirchengemeinden und Denkmal-
pflege einig, dass vorhandene Wand- oder Gewölbe-
malereien erhalten und restauriert werden sollten.
In den folgenden Kapiteln wird die Restaurierungs-
praxis und -methodik anhand der einzelnen Arbeits-
schritte von Freilegung bis Retusche dargelegt und
ausgewertet. Außerdem wird die Frage beantwortet,
inwieweit Veränderungen bzw. Entwicklungen von
1899 bis 1939 zu verzeichnen sind.
Restaurierungsbeispiele - Erläuterung von
Auswahlkriterien und Untersuchungsmethoden
Anhand von restauratorischen Untersuchungen und
vergleichenden Quellenstudien wurde die Restaurie-
rungspraxis in Niedersachsen zwischen 1899 und
1939 erforscht. Das Jahr 1939 als Schlusspunkt zu
wählen erschien sinnvoll, da mit Ausbruch des Zwei-
ten Weltkriegs die Restaurierungstätigkeiten weitest-
gehend in den Hintergrund traten.367 Der Ausgangs-
punkt sollte um die Jahrhundertwende liegen, da sich
die Manifestation der praktisch denkmalpflegerischen
Arbeit mit Einsetzung des Provinzialkonservators
1894, Einsetzen von Vertrauensmännern 1898 und
Beginn der Inventarisation 1899 sowie die veränder-
ten denkmalpflegerischen Auffassungen kurz nach
1900 auch in der Wandmalereirestaurierung bemerk-
bar machten. Zudem konnte damit an bereits vorlie-
gende Forschungsergebnisse und Literatur zur Res-
taurierung im 19. Jahrhundert angeknüpft werden.
Das Jahr 1899 als konkreter Anfangspunkt begründet
sich des weiteren dadurch, dass es sich hierbei um die
erste nachgewiesene Restaurierung durch Reinhold
Ebeling handelt. Ebeling war in der Provinz Hannover
bis in die 1930er Jahre der meistbeschäftigte Kirchen-
maler im Bereich der Wandmalereirestaurierung.
Die große Zahl von Wand- und Gewölbemalereien auf
dem Gebiet des heutigen Landes Niedersachsen erfor-
derte die Zusammenstellung einer begrenzten Aus-
wahl von Restaurierungsbeispielen, um eine wissen-
schaftliche Erfassung und Auswertung der Freile-
gungs- und Restaurierungsmethodik an Wand- und
Gewölbemalereien in der verfügbaren Zeit zu ermög-
lichen. Ziel war es, aufgrund der Anlage bestimmter
Kriterien einen Querschnitt durch die Restaurierungs-
geschichte von Wandmalereien in der genannten Zeit-
spanne zu erhalten. Aufgrund der zusätzlichen Er-
kenntnisse durch objektübergreifende Quellen- und
Literaturrecherchen zur Denkmalpflege und Restau-
rierung ist das Ergebnis trotz der eingeschränkten
Auswahl als repräsentativ für die übliche Restaurie-
rungspraxis anzusehen.
Zur Erfassung der Restaurierungen wurde der Kata-
logband zur Publikation „Wandmalerei in Niedersach-
sen, Bremen und im Groningerland",368 die den über-
wiegenden Teil mittelalterlicher Wandmalereien er-
fasst, zu Grunde gelegt. Die Auswahl umfasste zu-
nächst alle Objekte, die im genannten Zeitraum res-
tauriert wurden. Nicht berücksichtigt wurden Male-
reien, die heute nicht mehr erhalten sind. Die weitere
Eingrenzung erfolgte aufgrund der Auswertung breit
angelegter Quellen- und Literaturstudien. Bevorzugt
wurden solche Restaurierungen, die anhand von
Schriftverkehr, Planmaterial oder Fotografien zumin-
dest annähernd nachvollzogen werden konnten (Abb. 1).
Zudem sollte die Auswahl der Restaurierungen weite-
re Bedingungen erfüllen: Die möglichst breite geogra-
fische Streuung im niedersächsischen Gebiet, die