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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen — Petersberg: Imhof, Heft 41.2014

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Zur Freilegungs- und Restaurierungspraxis in Niedersachsen 1899-1939 am Beispiel ausgewählter mittelalterlicher Wandmalereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.51159#0051
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Berücksichtigung unterschiedlicher Kirchenmaler und
ihrer Restaurierungsmethoden sowie die Verteilung
im Zeitabschnitt 1899-1939.
Das Ziel, eine flächendeckende Streuung zu gewähr-
leisten, ist nur zum Teil erreicht, was aber die histori-
sche Restaurierungstätigkeit widerspiegelt. In den
heutigen Bezirken Weser-Ems und Lüneburg wurden
im Untersuchungszeitraum wenige Wandmalereien
restauriert. Im Kreis Diepholz hingegen liegt die Zahl
der Wandmalereirestaurierungen, besonders in der
ersten Dekade des 20. Jahrhunderts, bedeutend
höher als in anderen Regionen.
An den ausgewählten Beispielen können zwölf Maler-
und Restauratorenpersönlichkeiten unterschieden
werden, die mit der Ausführung der Restaurierungs-
maßnahmen beschäftigt waren. Durch die vorausge-
gangenen Quellenstudien war zu belegen, dass damit
die wichtigsten Maler/Restauratoren, die im kirchlich-
denkmalpflegerischen Bereich tätig waren, erfasst
sind.
Die zeitliche Verteilung der ausgewählten Restaurie-
rungsmaßnahmen spiegelt die Tendenzen der allge-
meinen restauratorischen Bemühungen (Abb. 2). Die
Freilegungs- und Restaurierungsaktivitäten waren in
den ersten zehn bis zwölf Jahren des 20. Jahrhunderts
besonders hoch. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs
wurden die Arbeiten eingestellt. In den 1920er/30er
Jahren ist im Vergleich mit dem Anfang des Jahrhun-
derts eine gleichbleibend zurückhaltende Aktivität
feststellbar. In der vierten Dekade fällt auf, dass fast
alle Restaurierungen im Jahr 1939 ausgeführt wur-
den.
Die Durchführung restauratorischer Untersuchungen
in Ergänzung zu den Literatur- und Quellenstudien
erschien besonders notwendig, um die zum Teil sehr
unzureichende Quellenlage zu ergänzen bzw. zu kor-
rigieren. Nur wenige der mittelalterlichen Malereien
sind bislang in restaurierungsgeschichtlicher Hinsicht
erforscht und dokumentiert. Weiterführende Literatur
und Forschungsergebnisse zur vergleichenden nieder-
sächsischen Wandmalereirestaurierung in der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts lagen nicht vor. Sämtliche
in der Arbeit genannten restauratorischen Untersu-
chungsergebnisse, die nicht durch Quellen belegt
werden, stammen von der Verfasserin und wurden in
den Jahren 2002-2005 durchgeführt.
Beschreibung und Auswertung der Restaurierungs-
geschichte der ausgewählten Wandmalereien befin-
den sich im Katalog. Katalog A enthält alle restaura-
torisch untersuchten Objekte, Katalog B beinhaltet
die ausschließlich auf Quellen- und Literaturstudien
basierenden Auswertungen.
Die im Katalog erfassten Studien zur Geschichte der
Restaurierung beinhalten auch sämtliche Maßnah-
men, die nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgten. Aus
Datenschutzgründen mussten diese ohne Namens-
nennung bleiben und wurden auf Wunsch der zu-

ständigen kirchlichen Behörden nicht vergleichend
ausgewertet. Da die Maßnahmen aber Erscheinungs-
bild und Erhaltungszustand der Wandmalereien maß-
geblich prägen, ist eine dezidierte Einschätzung und
Beurteilung der früheren Restaurierungen nur einge-
schränkt möglich.
Freilegung und Untersuchung
Freilegung
Anfang des 20. Jahrhunderts kam es zu einer großen
Freilegungswelle von Wandmalereien in mittelalterli-
chen Kirchen. Während ein großer Teil der großen
repräsentativen Kirchen bereits im 19. Jahrhundert
restauriert und renoviert worden war, erreichten diese
Tendenzen nun auch kleinere Dorfkirchen. Dies ist
unter anderem auf die denkmalpflegerische Entwick-
lung mit Institutionalisierung der staatlichen Denk-
malpflege und Denkmalschutzgesetzen sowie auf den
wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland seit dem
ausgehenden 19. Jahrhundert zurückzuführen.369
Aus den Quellen geht hervor, dass es in den ersten
vierzig Jahren des 20. Jahrhunderts hauptsächlich im
Zuge von Renovierungen und Umbauten zu Freile-
gungen von mittelalterlicher Wandmalerei kam. In
vielen Gemeinden hegte man den Wunsch nach
Renovierung und Instandsetzung des Baus und seiner
Ausstattung. Diese Maßnahmen beinhalteten übli-
cherweise auch einen Neuanstrich von Wänden und
Gewölben, dem eine Entfernung alter Anstriche zur
Schaffung eines besseren Haftgrunds vorausging. Oft
kam es dabei zur Entdeckung und anschließenden
Freilegung mittelalterlicher Wandmalereien. Schon im
Vorfeld rieten die Denkmalpfleger in einigen Fällen
dazu, vorhandene Anstriche vorsichtig zu entfernen
und darauf zu achten, ob darunter ältere
Ausmalungen vorhanden seien.
Dass die Kirchengemeinden selbst großes Interesse an
der Präsentation der historischen Ausmalung ihrer
Kirche hatten, zeigt sich an solchen Beispielen, bei
denen gezielt nach Spuren älterer Ausmalung gesucht
wurde. So in der Nikolaikirche in Sulingen, wo 1898
der Kirchenmaler Reinhold Ebeling damit beauftragt
wurde, die Wände auf das Vorhandensein von
Malereien zu untersuchen. Da die zunächst festge-
stellten geringen Spuren nicht aussagekräftig waren,
empfahl der hannoversche Provinzialkonservator
Jacobus Reimers die Freilegungsproben zu vergrö-
ßern. In der Nikolaikirche in Isernhagen-Kirchhorst
(Abb. 40) stieß man bei Renovierungsarbeiten ab
1897 zunächst zufällig auf Reste mittelalterlicher
Wandmalerei. Dieser Fund veranlasste den Pastor, sys-
tematisch verschiedene Wandflächen abzusuchen
und an den Tüncheschichten zu „kratzen", um
enthusiastisch festzustellen, dass an allen Wandober-
flächen Farbspuren vorhanden waren.370
 
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