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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen — Petersberg: Imhof, Heft 41.2014

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Zur Situation der Wandmalereirestaurierung im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.51159#0047
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Zur Situation der Wandmalereirestaurierung im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert

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die Restaurierung der Fresken sah Berger wenige
Möglichkeiten. Gegen aufsteigende Feuchtigkeit
empfahl er Drainagesysteme. Als problematisch be-
zeichnete er Malschichtablösungen, beispielsweise
verursacht durch mangelnde Verbindung der Putz-
schichten oder Glimmerbestandteile im Verputz, ohne
hier Restaurierungsvorschläge zu unterbreiten.
Eibner untersuchte weitere Schadensphänomene an
Wandmalereien und stellte unter anderem die „flä-
chenweise fortschreitende Verdunklung"345 fest, de-
ren Ursache er in der unsachgemäßen Anwendung
von Kaseinfarben, die nicht mit Kalk, sondern in
anderer Weise aufgeschlossen wurden, sah. Außer-
dem beschrieb er „Einregenstellen"347, also Schäden
durch massiv eindringende Feuchtigkeit, die zur
Lockerung des Sintergefüges und zum Abfallen von
Putz- und Malschichten führen könnten.
Zur restauratorischen Bearbeitung der genannten
Schäden gaben Berger und Eibner unterschiedlich
detaillierte Empfehlungen. Zur Reinigung heißt es bei
Berger, die Arbeit des Restaurators habe vor allem in
der trockenen Reinigung der Oberfläche von Ruß und
Schmutz zu bestehen, wofür er frisch gebackenes
Roggenbrot empfahl. Von anderen Methoden, insbe-
sondere der feuchten Reinigung riet er ab, erwähnte
aber eine erfolgreiche Anwendung von Methylakohol
in England 1 890.348 Auch Doerner riet seit 1921 zur
Verwendung von Roggenbrot oder feuchtem
Schwamm nach Erprobung, ob die Malerei wischfest
sei.349 Eibner empfahl 1926 zur Reinigung von Wand-
malereien Brotrinde oder, wenn eine feuchte Reini-
gung möglich sei, Wasser. Bei Verrußungen pflege
man Seifenwasser anzuwenden.350 Brot als trockenes
Reinigungsmittel wurde also von allen empfohlen und
seine Erwähnung findet sich auch noch bei Wehlte
1967.351 Die radiergummiartige Reinigungswirkung,
die teilweise auch rußige Bestandteile reduzieren
konnte und die niedrigen Kosten für Brot machten es
zu einem einfach anwendbaren und verfügbaren
Reinigungsmaterial, das in der Praxis Anwendung
fand. Dass Brot einen Nährboden für mikrobiellen
Befall darstellt, wurde nicht thematisiert. Dieser Um-
stand ist nicht mit den mangelnden naturwissen-
schaftlichen Möglichkeiten zu erklären, sondern mit
ausbleibenden akuten Schäden in Folge der Anwen-
dung von Brot. Hingegen riet man allgemein von der
Anwendung von Salzsäure zur Reinigung von Wand-
malerei ab, da diese Methode bereits zu Schäden
geführt hatte. In der Praxis setzte sich der Verzicht
aber offenbar nur langsam durch, denn nach Doerner
wurde Salzsäure auch in den 1920er/30er Jahren
noch verwendet.352
Zur Restaurierung von Wandmalereien erwähnte
Eibner, dass „der bekannte Satz, Fresken sind nur in
fresco restaurierbar, .. streng genommen etwa auf
den Fall der Restaurierung von Einregenstellen [passt],
an welchen nicht nur die Bildschichte, sondern auch

der Malgrund mürb sind und dieser vielleicht sich
schon abschält."353 Die von Eibner genannte Mög-
lichkeit zur Behebung solcher Feuchtigkeitsschäden
zeigt, dass sein Schwerpunkt auf der Erzielung von
Haltbarkeit und Reparatur lag. Sie seien nur durch
"Herausschlagen der ganzen durchfeuchteten Stelle,
Neueinputzen und Malen restaurierbar und durch
Abstellen der Ursache zu schützen."354 Auch der
Vorschlag zum Umgang mit den oben beschriebenen
Malschichtschollen weist ihn als Vertreter einer eher
radikalen Reparaturmethodik aus: „Aufgestandene
Stellen an Fresken können abgekehrt werden, da sie
am Malgrunde nur mehr lose haften."355 Berger hin-
gegen überließ es weitgehend dem Restaurator, im
Einzelfall zu entscheiden, wie die fachgemäße
Behandlung von Schäden auszuführen sei.356
Friedrich Rathgen stellte als einer der ersten die
Problematik von Salzen bei Festigungen in den
Vordergrund, wobei er sich in erster Linie auf Stein-
objekte bezog. Er versuchte die Salze in den Objekten
vor einer Festigung durch so genanntes Auslaugen
mit Wasser zu reduzieren. Als Alternative zum Wasser
könne das Auslaugen auch mit Alkohol geschehen.
Nach der Trocknung sollte die Tränkung mit Festi-
gungsmittel erfolgen. Als wässrige Tränkungsmittel
kämen Leimlösungen, Reis- und Maisstärke sowie
Wasserglaslösungen in Frage, als nicht wässrige Leinöl
oder Leinölfirnis. Auch Paraffin, Wachs, Kollodium,
Zapon und Zellon kamen zur Sprache.357 Rathgen war
bekannt, dass durch die Tränkung die Poren des
Gesteins verschlossen werden und etwa vorhandene
Feuchtigkeit nicht mehr austreten könnte. Auf dem
Tag für Denkmalpflege 1906 berichtete er: „Zu den
Fluaten358 übergehend, darf ich vielleicht hervorhe-
ben, daß zwischen der Wirkungsweise der Fluate und
der der meisten anderen Steinkonservierungsmittel
ein prinzipieller Unterschied besteht. Die Fluate bewir-
ken eine chemische Veränderung der Oberfläche der
Kalksteine oder der kalkhaltigen Sandsteine, verstop-
fen aber die natürlichen Poren des Steines nicht völlig
und geben so der etwa noch im Stein befindlichen
Feuchtigkeit Gelegenheit zur Verdunstung."359
Vor allem die Tränkungsmittel wurden zum Teil auch
in der Wandmalereirestaurierung verwendet. Wachs-
und ölhaltige Überzüge hatten dort bereits Tradition
und Stärke wurde beispielsweise um 1890 auf die
Wandmalereien der Andreaskirche in Burgsdorf/
Sachsen-Anhalt aufgetragen.360 Rathgen war einer der
Naturwissenschaftler, die in Restaurierungsfragen zu
Rate gezogen wurden, so beispielsweise durch Albert
Leusch in Sachsen-Anhalt und auch durch Provinzial-
konservator Reimers in Hannover.36'
Georg Hager riet 1903 aufgrund der Erfahrungen
Haggenmillers in Bayern zur Festigung von Wand-
malereien mit Kasein oder Kalkwasser.352 Eibner emp-
fahl die Verwendung von Kaseinlösung, wies jedoch
auf mögliche Schadensbildung bei hoher Feuchtigkeit
 
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