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Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen
Die Aquarellskizze der Wand- und Gewölbemalereien
in der Alten Kirche Wunstorf-Idensen wurde mit
einem anderen Ziel angefertigt. Es handelt sich hierbei
vermutlich um ein erhaltenes Exemplar aus einer gan-
zen Reihe von Zeichnungen, die 1934 für die Aus-
stellung „Nordische Kunst" in Bremen angefertigt
wurden.47’ In diesem Fall bestand das Ziel nicht in der
Wiedergabe des Erhaltungszustands, sondern viel-
mehr in der Abbildung einer beispielhaften romani-
schen Kirchenausmalung, um einen Eindruck von den
künstlerischen Leistungen dieser Epoche zu erwe-
cken. Das Aquarell zeigt eine idealisierte Version der
Kirchenraumausmalung mit vervollständigtem Bild-
programm. Die tatsächlich vorhandenen zahlreichen
Fehlstellen wurden ergänzt, durch Umbauten zerstör-
te Darstellungen frei rekonstruiert.
Die in der Gruppe der untersuchten Malereien einzig
erhaltene farbige Pause im Maßstab 1:1 betrifft die
Chorgewölbeausmalung der Kirche in Auetal-Kathrin-
hagen (Abb. 92). Der mit der Restaurierung beauf-
tragte Kirchenmaler Wildt fertigte 1939 Aquarell-
kopien der gesamten Gewölbeausmalung an. Die in
verschiedenen Größen und Ausschnitten bestehen-
den Pausen sind offenbar schnell skizziert worden, da
sie die Formen teilweise ungenau wiedergeben. Die
Konturen sind unscharf, die Farbflächen flüchtig und
skizzenhaft umrissen. Dennoch belegen sie recht
genau den Erhaltungszustand, denn Fehlstellen und
Risse sind detailliert eingetragen. Die einzelnen Blätter
müssen kurz nach der Fertigstellung gefaltet worden
sein, da sie aneinander haften und die noch feuchten
Farben Abdrücke hinterließen.
Teilweise finden sich historische Fotos der Umbau-
maßnahmen, auf denen, wie bei den Kirchen in Isern-
hagen-Kirchhorst und Loxstedt eher zufällig auch die
freigelegten Malereien sichtbar sind. In einigen Fällen
sind die Malereien ausschließlich nach der Restaurie-
rung fotografiert worden. Sie können zwar als Beleg
für die historische Restaurierung, aber nicht als Doku-
mentation des originalen Bestands gelten. Beispiele
dafür sind die Fotos der Malereien in den Kirchen zu
Hannoversch Münden-Lippoldshausen von 1911 und
Hessisch Oldendorf-Großenwieden von 1927.
Als Beleg für die ausgeführten malerischen Überarbei-
tungen können Vor- und Nachzustandsfotos herange-
zogen werden, wie sie während der restauratorischen
Bearbeitung der Chorausmalung der Kirche in
Neustadt-Mandelsloh 1907 angefertigt wurden. Sie
zeigen Teile der Wandmalereien vor und nach der
restauratorischen Bearbeitung und enthalten wertvol-
le Hinweise auf den jeweiligen Erhaltungszustand und
Malereibestand. Die freigelegte Wandmalerei in
Bramsche-Ueffeln wurde nach der Freilegung und
nach der Restaurierung 1903 fotografiert. Die Fotos
belegen eindrucksvoll die malerischen Überarbeitun-
gen, deren großer Umfang ausnahmsweise fotogra-
fisch dokumentiert wurde. Als systematische Doku-
mentation sind all diese Beispiele jedoch nicht zu
bezeichnen. Als solche können die Fotografien der
Pfeilermalereien des Braunschweiger Doms ab 1937
gelten. Hier hat der ausführende Restaurator, Rudolf
Curdt, die figürlichen Darstellungen vor, während und
nach seiner Restaurierung fotografiert, so dass der
Umfang seiner Arbeiten und die Veränderungen
durch die Restaurierung deutlich werden.
Die meisten Kirchenmaler dokumentierten ihre Maß-
nahmen direkt am Objekt. Sie hinterließen Inschriften
mit Datum, ihrem Namen und der Art der Maßnah-
me, meist an weniger prominenter Stelle der Wand-
oder Gewölbemalerei. Damit befolgten sie einen
Ministerialerlass, der besagte, dass Restaurierungs-
maßnahmen inschriftlich kenntlich gemacht werden
sollten. Bereits 1904 wurde auf dem Mainzer Tag für
Denkmalpflege der Beschluss gefasst, Wiederherstel-
lungen zu kennzeichnen. Dieser Beschluss wurde
allen Regierungen zugestellt. Wörtlich heißt es: „Die
Wiederherstellung an einem Denkmal ist durch An-
bringung der Jahreszahl und durch Zeichen, die eine
Unterscheidung der alten von den neuen Teilen er-
möglichen, kenntlich zu machen. Die Art der Kenn-
zeichnung bleibt dem leitenden Künstler überlas-
sen."472
Die Überlegungen zur Kennzeichnung von Restaurie-
rungen nahmen ihren Ausgang in der Baudenkmai-
pflege und wurden in die Wandmalereirestaurierung
übernommen.473 Hier war eine genaue Kennzeich-
nung aller erneuerten Teile noch weniger möglich und
so beschränkte man sich auf kurze Inschriften. Ihr
Inhalt ist meist wenig aussagekräftig, benennt aber
doch im allgemeinen neben Jahr und ausführendem
Kirchenmaler, ob es sich nach damaligem Verständnis
um eine Wiederherstellung oder eine Erneuerung
handelte. Kirchenmaler Reinhold Ebeling befolgte
grundsätzlich die Pflicht der Kennzeichnung. Einige
seiner Inschriften sind durch spätere Restaurierungen
entfernt worden. In Sulingen, wo er umfangreiche
Übermalungen an einer Figurenreihe im Chor vor-
nahm und deren nicht erhaltenen Teil, der circa die
Hälfte ausmachte, durch eine vervollständigende
Rekonstruktion ergänzte, signierte er den neu gemal-
ten Teil nur mit „Ebeling 1901" (Abb. 93). In
Marklohe (Abb. 95) findet sich an der Chorostwand,
für den Kirchenbesucher durch den davor stehenden
Altar nicht sofort ersichtlich, die Inschrift Ebelings mit
dem Inhalt: „Aufgedeckt u [I] instandgesetzt i [I]
Jahre 1907 / Reinh. Ebeling Hannover". 1910 sollte in
Neuenkirchen nach der Restaurierung ebenfalls eine
Inschrift angebracht werden. Der Pastor hatte jedoch
Einwände und untersagte einem Mitarbeiter Ebelings
die Anbringung der Inschrift, „mit der Begründung,
daß besagtes reklamemäßig sei."474 Der Text hätte lau-
ten sollen: „Schiffraumbemalung nach vorgefunde-
nen Resten wiederhergestellt vom Kirchenmaler
Reinh. Ebeling zu Hannover im Jahre 1910, Chor-
Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen
Die Aquarellskizze der Wand- und Gewölbemalereien
in der Alten Kirche Wunstorf-Idensen wurde mit
einem anderen Ziel angefertigt. Es handelt sich hierbei
vermutlich um ein erhaltenes Exemplar aus einer gan-
zen Reihe von Zeichnungen, die 1934 für die Aus-
stellung „Nordische Kunst" in Bremen angefertigt
wurden.47’ In diesem Fall bestand das Ziel nicht in der
Wiedergabe des Erhaltungszustands, sondern viel-
mehr in der Abbildung einer beispielhaften romani-
schen Kirchenausmalung, um einen Eindruck von den
künstlerischen Leistungen dieser Epoche zu erwe-
cken. Das Aquarell zeigt eine idealisierte Version der
Kirchenraumausmalung mit vervollständigtem Bild-
programm. Die tatsächlich vorhandenen zahlreichen
Fehlstellen wurden ergänzt, durch Umbauten zerstör-
te Darstellungen frei rekonstruiert.
Die in der Gruppe der untersuchten Malereien einzig
erhaltene farbige Pause im Maßstab 1:1 betrifft die
Chorgewölbeausmalung der Kirche in Auetal-Kathrin-
hagen (Abb. 92). Der mit der Restaurierung beauf-
tragte Kirchenmaler Wildt fertigte 1939 Aquarell-
kopien der gesamten Gewölbeausmalung an. Die in
verschiedenen Größen und Ausschnitten bestehen-
den Pausen sind offenbar schnell skizziert worden, da
sie die Formen teilweise ungenau wiedergeben. Die
Konturen sind unscharf, die Farbflächen flüchtig und
skizzenhaft umrissen. Dennoch belegen sie recht
genau den Erhaltungszustand, denn Fehlstellen und
Risse sind detailliert eingetragen. Die einzelnen Blätter
müssen kurz nach der Fertigstellung gefaltet worden
sein, da sie aneinander haften und die noch feuchten
Farben Abdrücke hinterließen.
Teilweise finden sich historische Fotos der Umbau-
maßnahmen, auf denen, wie bei den Kirchen in Isern-
hagen-Kirchhorst und Loxstedt eher zufällig auch die
freigelegten Malereien sichtbar sind. In einigen Fällen
sind die Malereien ausschließlich nach der Restaurie-
rung fotografiert worden. Sie können zwar als Beleg
für die historische Restaurierung, aber nicht als Doku-
mentation des originalen Bestands gelten. Beispiele
dafür sind die Fotos der Malereien in den Kirchen zu
Hannoversch Münden-Lippoldshausen von 1911 und
Hessisch Oldendorf-Großenwieden von 1927.
Als Beleg für die ausgeführten malerischen Überarbei-
tungen können Vor- und Nachzustandsfotos herange-
zogen werden, wie sie während der restauratorischen
Bearbeitung der Chorausmalung der Kirche in
Neustadt-Mandelsloh 1907 angefertigt wurden. Sie
zeigen Teile der Wandmalereien vor und nach der
restauratorischen Bearbeitung und enthalten wertvol-
le Hinweise auf den jeweiligen Erhaltungszustand und
Malereibestand. Die freigelegte Wandmalerei in
Bramsche-Ueffeln wurde nach der Freilegung und
nach der Restaurierung 1903 fotografiert. Die Fotos
belegen eindrucksvoll die malerischen Überarbeitun-
gen, deren großer Umfang ausnahmsweise fotogra-
fisch dokumentiert wurde. Als systematische Doku-
mentation sind all diese Beispiele jedoch nicht zu
bezeichnen. Als solche können die Fotografien der
Pfeilermalereien des Braunschweiger Doms ab 1937
gelten. Hier hat der ausführende Restaurator, Rudolf
Curdt, die figürlichen Darstellungen vor, während und
nach seiner Restaurierung fotografiert, so dass der
Umfang seiner Arbeiten und die Veränderungen
durch die Restaurierung deutlich werden.
Die meisten Kirchenmaler dokumentierten ihre Maß-
nahmen direkt am Objekt. Sie hinterließen Inschriften
mit Datum, ihrem Namen und der Art der Maßnah-
me, meist an weniger prominenter Stelle der Wand-
oder Gewölbemalerei. Damit befolgten sie einen
Ministerialerlass, der besagte, dass Restaurierungs-
maßnahmen inschriftlich kenntlich gemacht werden
sollten. Bereits 1904 wurde auf dem Mainzer Tag für
Denkmalpflege der Beschluss gefasst, Wiederherstel-
lungen zu kennzeichnen. Dieser Beschluss wurde
allen Regierungen zugestellt. Wörtlich heißt es: „Die
Wiederherstellung an einem Denkmal ist durch An-
bringung der Jahreszahl und durch Zeichen, die eine
Unterscheidung der alten von den neuen Teilen er-
möglichen, kenntlich zu machen. Die Art der Kenn-
zeichnung bleibt dem leitenden Künstler überlas-
sen."472
Die Überlegungen zur Kennzeichnung von Restaurie-
rungen nahmen ihren Ausgang in der Baudenkmai-
pflege und wurden in die Wandmalereirestaurierung
übernommen.473 Hier war eine genaue Kennzeich-
nung aller erneuerten Teile noch weniger möglich und
so beschränkte man sich auf kurze Inschriften. Ihr
Inhalt ist meist wenig aussagekräftig, benennt aber
doch im allgemeinen neben Jahr und ausführendem
Kirchenmaler, ob es sich nach damaligem Verständnis
um eine Wiederherstellung oder eine Erneuerung
handelte. Kirchenmaler Reinhold Ebeling befolgte
grundsätzlich die Pflicht der Kennzeichnung. Einige
seiner Inschriften sind durch spätere Restaurierungen
entfernt worden. In Sulingen, wo er umfangreiche
Übermalungen an einer Figurenreihe im Chor vor-
nahm und deren nicht erhaltenen Teil, der circa die
Hälfte ausmachte, durch eine vervollständigende
Rekonstruktion ergänzte, signierte er den neu gemal-
ten Teil nur mit „Ebeling 1901" (Abb. 93). In
Marklohe (Abb. 95) findet sich an der Chorostwand,
für den Kirchenbesucher durch den davor stehenden
Altar nicht sofort ersichtlich, die Inschrift Ebelings mit
dem Inhalt: „Aufgedeckt u [I] instandgesetzt i [I]
Jahre 1907 / Reinh. Ebeling Hannover". 1910 sollte in
Neuenkirchen nach der Restaurierung ebenfalls eine
Inschrift angebracht werden. Der Pastor hatte jedoch
Einwände und untersagte einem Mitarbeiter Ebelings
die Anbringung der Inschrift, „mit der Begründung,
daß besagtes reklamemäßig sei."474 Der Text hätte lau-
ten sollen: „Schiffraumbemalung nach vorgefunde-
nen Resten wiederhergestellt vom Kirchenmaler
Reinh. Ebeling zu Hannover im Jahre 1910, Chor-