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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen — Petersberg: Imhof, Heft 41.2014

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Überregionale Einordnung der niedersächsischen Restaurierungspraxis
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Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen

Kirche in Idensen, bei der durch ein Göttinger Institut
Pigment- und Bindemittelanalysen durchgeführt wur-
den. Dieser späte Zeitpunkt des Heranziehens von
Fachgutachtern im Bereich der Wandmalerei steht im
Gegensatz zu anderen Materialgattungen, bei denen
es zuerst 1903/04 am Beispiel des steinernen Enno-
denkmals in Emden auf Anregung des Provinzialkon-
servators Reimers zu Untersuchungen durch Professor
Rathgen vom chemischen Laboratorium der Staat-
lichen Museen zu Berlin kommen sollte.522 Die Tradi-
tion von Naturwissenschaften im Dienst der Museen
ist älter als im Bereich der Baudenkmalpflege. Schon
1898 veröffentlichte Rathgen seine Ergebnisse zur
Konservierung von Altertumsfunden. Rathgen wurde
als Naturwissenschaftler auch im Bereich der Denk-
malpflege herangezogen und gab in dieser Funktion
Hilfestellung vor allem in Preußen und Sachsen.523
In Sachsen-Anhalt wurde bezüglich der Wandmale-
reien in der Krypta der Quedlinburger Stiftskirche
bereits 1918 sein naturwissenschaftliches Gutachten
erbeten.
In der Kirche zu Ackendorf wurden 1928 vom Amts-
restaurator beim halleschen Provinzialkonservator,
Albert Leusch, Schichtenuntersuchungen sowie Pig-
ment- und Materialanalysen bei der Versuchsanstalt
und Auskunftei für Maltechnik an der Technischen
Hochschule in München unter der Leitung Professor
Eibners in Auftrag gegeben.524 Die Versuchsanstalt
gab es schon seit 1882, damals angesiedelt an der
Münchner Kunstakademie und geführt von Adolf
Wilhelm Keim und dem Maler Wilhelm von Linden-
schmitt.525 Keim unterrichtete und hielt Vorträge über
Maltechnik und Malmaterialien. 1902 kam ein weite-
rer Lehrer, Ernst Berger, hinzu. 1903 wurde Keims
Labor, die Versuchsanstalt und Auskunftsstelle für
Maltechnik, an die Technische Hochschule übernom-
men. Mit Keim und Berger und später mit Eibner
hatte sie einige der namhaften Maltechniker und
Naturwissenschaftler versammelt. Unter anderem
gehörte zu den Aufgaben der Versuchsanstalt, unent-
geltliche Gutachten anzufertigen und Restaurierungs-
vorschläge zu machen. Sie arbeitete auch mit dem
Bayerischen Generalkonservatorium für Kunstdenk-
mäler eng zusammen.526 In Bayern kam es des öfteren
zur naturwissenschaftlichen Begleitung von Restau-
rierungen durch die Versuchanstalt für Maltechnik.
In Niedersachsen konnte für die ausgewählten Res-
taurierungen keine Zusammenarbeit mit Naturwissen-
schaftlern festgestellt werden. Bis es zur Einrichtung
von naturwissenschaftlichen Labors an den Denkmal-
ämtern kam, vergingen noch einige Jahrzehnte. Im
Jahre 1979 konnte als erstes Amt das Bayerische
Landesamt für Denkmalpflege ein naturwissenschaft-
liches Labor einrichten.527

Freilegung von Wandmalereien
In der Freilegungspraxis lassen sich in den deutsch-
sprachigen Gebieten kaum Unterschiede feststellen.
Überall wurden mittelalterliche Wandmalereien, hatte
man sie erst einmal entdeckt, auch freigelegt. Dass,
wie in Niedersachsen beobachtet, nicht selten unge-
lernte Kräfte die Freilegung vornahmen, war nicht
ungewöhnlich,528 auch wenn Hager schon 1903 be-
tont hatte, dass ein gutes Ergebnis bei der Restaurie-
rung vor allem von der umsichtigen Freilegung abhin-
ge.529 Andere Konservatoren wiesen ebenfalls auf das
notwendige umsichtige Vorgehen hin. Dennoch er-
folgten Freilegungen in sehr kurzen Zeiträumen, was
im Widerspruch zu einer behutsamen und genauen
Arbeitsweise steht.530 Geringe Zeit und Mittel führten
in Kombination mit unausgebildeten Kräften zu
„enormen, ja bisweilen verheerenden Substanzver-
lusten".531
In allen theoretischen Anleitungen wurden ähnliche
Werkzeuge zur Freilegung genannt und sie veränder-
ten sich in den 40 Jahren des bearbeiteten Zeitraums
nur geringfügig. Empfohlen wurden zumeist Hämmer
zum Lockern und Klingen zum Abheben der auflie-
genden Tünchen.532 In der Praxis wurden zudem
Schab- und Kratzwerkzeuge, auch Draht- und Wur-
zelbürsten genutzt, mit denen die aufliegenden Tün-
cheschichten großflächig und zügig entfernt wurden.
Dabei entstanden zum Teil gravierende Schäden, da
Malschichten durch Hammerschläge gestaucht und
aufgehackt sowie durch Spachtel und Drahtbürsten
abgeschabt und zerkratzt wurden.533 Das Ziel der
Sichtbarmachung der historischen Ausmalungen wur-
den meistens unter allen Umständen verfolgt. Auch
wenn während der Arbeiten festgestellt wurde, dass
die Freilegung nur schwierig und verlustreich durchzu-
führen oder dass die Malerei bereits stark reduziert
war, wurde die Arbeit fortgesetzt. Selten nur finden
sich Erwähnungen über die Schwierigkeiten der
Freilegung, wie sie in Äußerungen des Kirchenmalers
Hans Kästner in Westfalen und des Kunstmalers
Rittsche bezüglich der Malereien in der Burg Krieb-
stein/Sachsen zum Ausdruck kamen.534
Nur wenn der Erhaltungszustand nach der Freilegung
derart war, dass man eine Erhaltung und Restau-
rierung der Malerei nicht für möglich hielt, wurde sie
in einigen Fällen wieder überstrichen.535
Anfertigung von Pausen
Die Anfertigung von Pausen und Kopien, seit
Einrichtung der provinziellen Denkmalpflege ange-
strebt und im Ministerialerlass von 1904 niederge-
legt,536 war im Rheinland schon seit dem 19. Jahr-
hundert gebräuchlich.537 Auch unter dem rheinischen
Provinzialkonservator Paul Giemen wurden zahlreiche
 
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