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Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen


Chornordwand, nicht identifizierter Apostel, Detail.

Chornordwand, rechts neben der Prieche, Apostel
Simon, Detail.


Dieser Überzug liegt auf einer Putzergänzung und
den Übermalungen Olbers', jedoch nicht auf einer
später ausgeführten Kittung, deren Material mit dem
der kleineren Ergänzungen innerhalb der Apostelreihe
identisch ist. Daher ist anzunehmen, dass die Fixie-
rung spätestens von 1958 stammt.
Relevanz der restauratorischen Befunde für die
kunsthistorische Einordnung
Der Apostelfries im Chor bietet durch die unterschied-
lichen Restaurierungsmethoden einen auch kunsthis-
torisch interessanten Wandmalereibestand. Die stark
reduzierten Aposteldarstellungen der Nordwand
ermöglichen einen Eindruck der mittelalterlichen Ma-
lerei. Obwohl Binnenzeichnung und Kontur teilweise
nachgezogen wurden, ist hier der ursprüngliche Be-
stand ablesbar. Die Apostel der Südseite sind durch
die Restaurierung 1920-22 stark geprägt und verän-
dert worden. Die vollständige Übermalung hat vor
allem Einfluss auf die Wirkung der Figuren. Wenn

man vom Bestand an der Nordwand auf den der
Südwand schließt, hat Olbers sich zwar am freigeleg-
ten Bestand orientiert, den Figuren aber seine persön-
liche Handschrift verliehen. Innerhalb der Gesichter
hat er die Vorzeichnung wiederholt, den ursprünglich
daraufliegenden maltechnischen Aufbau jedoch nicht
rekonstruiert. Den Gesichtern fehlen Schatten und
Lichthöhungen sowie abschließende Konturen und
dadurch auch Plastizität, sie wirken leblos. Ob die
Apostel korrekt erkannt wurden, ist fraglich, der Zu-
stand der Nordwand jedenfalls lässt eine Identifizie-
rung nicht mehr zu. Die Apostel sind so weit redu-
ziert, dass weder Attribute noch Haartracht festzustel-
len sind.
Die Figuren der Nordwand sind kleiner, dagegen neh-
men ihre aufwändig gestalteten Nimben mehr Raum
ein. Die rekonstruierten Apostel sind circa 15 cm grö-
ßer und tragen einfache Nimben. Auch die Gewänder
hat Olbers abweichend vom mittelalterlichen Bestand
gestaltet. Ihr starker, fließender Faltenwurf ist an den
Figuren der Nordseite nicht erkennbar. Dagegen zei-
gen sich hier beim Apostel Johannes und einem nicht
identifizierten Apostel flächig angelegte, monochro-
me Gewänder mit einem grafischen Muster. Insge-
samt wirken die Figuren der Nordseite weniger plas-
tisch, in ihrer Haltung aber bewegter, während die
rekonstruierten Apostel recht statisch erscheinen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Apos-
teldarstellungen der Südwand und die Christopho-
rusdarstellung an der Ostwand zwar auf Grundlage
des mittelalterlichen Bestandes angelegt, dann aber
weitgehend neu interpretiert und rekonstruiert wur-
den. Daher kann man diese nicht als mittelalterliche
Malerei, sondern vielmehr als rekonstruierende Neu-
fassung der 1920er Jahre ansehen.
An den Aposteldarstellungen der Nordwand lässt sich
feststellen, dass zwischen figürlicher und dekorativer
Malerei unterschieden wurde. Während die architek-
tonische Malerei, die man als rekonstruierbar und
weniger individuell empfand, übermalend vervollstän-
digt wurde, hat man bei der figürlichen Malerei dar-
auf verzichtet, um die Malerei authentisch präsentie-
ren zu können. Diese Unterscheidung wurde auch
bereits im Vorfeld der Restaurierung durch den
Denkmalpfleger getroffen, der sich dahingehend
äußert, dass nichts gegen eine Vervollständigung der
Architekturrahmung einzuwenden sei. Die figürlichen
Malereien aber müssten unberührt bleiben, um ihren
hohen kunstgeschichtlichen Wert nicht zu beeinträch-
tigen.
 
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