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Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen


Linker Teil der Kreuztragungsszene nach der Freilegung. Fo-
to 1903, Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege.

Der Zustand der Malerei an der Nordwand wurde
nach der Freilegung 1903 fotografisch festgehalten.
Das Bildprogramm ist eindeutig erkennbar, die
Figuren sind jedoch nur in Resten erhalten.76
Die auf der Malerei liegenden Tüncheschichten wur-
den bei der Freilegung mechanisch entfernt. Die
restauratorische Untersuchung durch die Autorin
erbrachte, dass viele Tünchereste auf der Oberfläche
verblieben. Im Bereich der linken Frauengestalt aus
der Figurengruppe wurden die aufliegenden Tünchen
sogar nur partiell entfernt, große Teile des Gewandes
sind noch von diesen Anstrichen bedeckt. Die mittel-
alterliche Malerei weist große Verluste auf und liegt
nur noch sehr fragmentarisch vor. Ob dieser Zustand
auf die Freilegungsmethodik zurückzuführen ist oder
bereits vorher bestand, ist nicht nachvollziehbar. Die
ursprüngliche Oberfläche und potenziell vorhandene,
freilegungsbedingte Schäden sind von starken Über-
malungen überdeckt.
Restaurierung
Zur Durchführung der Restaurierung der Wand- und
Gewölbemalerei 1903 sind in den schriftlichen Quel-
len kaum Informationen enthalten. Provinzialkonser-
vator Reimers setzte sich für die Erhaltung der
Malereien ein und ermahnte die Kirchengemeinde, sie
dürften „nicht fortgetüncht werden".77 Nach Been-
digung der Arbeiten sprach Reimers eine positive Be-
urteilung aus, indem er bemerkte, dass die „Instand-
setzung der alten Malerei in Ueffeln von Maler Kruse
gut ausgeführt" worden sei.78
Die restauratorischen Untersuchungen an der Wand-

malerei der Nordwand führen zu Erkenntnissen über
die ausgeführten Maßnahmen: Der Osnabrücker Ma-
ler Kruse führte 1903 einige Putzergänzungen aus.
Diese bestehen aus einem weißen, sehr feinkörnigen
und weichen Mörtel, dessen Antragung in Teilen
Kellenspuren und andere Abdrücke zeigt. Vielfach
handelt es sich um kleine Ergänzungen, nur im Ge-
wand des kreuztragenden Christus bedecken die
Ergänzungen größere Bereiche. Der freigelegte mittel-
alterliche Malereibestand war, wie das oben erwähn-
te historische Foto zeigt, stark reduziert. Zwar ließen
sich die Darstellung und in Teilen vermutlich auch die
Farbgebung erkennen, stilistische und maltechnische
Details waren jedoch nicht erhalten. Auf der gesam-
ten Oberfläche befanden sich noch Rückstände jün-
gerer Überfassungen, die nicht gänzlich entfernt wor-
den waren. Dies betraf besonders das Gewand der
linken weiblichen Gestalt. Hier war die ursprüngliche
Malschicht nur sehr fragmentarisch freigelegt worden
und somit nicht erkennbar. Der Malereibestand, mit
dem Kruse sich konfrontiert sah, war demnach frag-
mentarisch. Der größte Teil seiner Restaurierungsar-
beiten bestand in der malerischen Behandlung. Er
ergänzte und übermalte den vorhandenen Bestand
auf Grundlage des Vorgefundenen. Seine Putzergän-
zungen und die Rückstände jüngerer Überfassungen
bezog er in diese Maßnahme ein. Das Ergebnis war
eine rekonstruierende Übermalung der mittelalterli-
chen Darstellung, die sich in Farbgebung, Grundfor-
men und Bildprogramm zwar am Bestand orientierte,
sie aber dennoch stark veränderte. Kruses Farbge-
bung ist insgesamt wärmer und gedeckter als die mit-
telalterliche Farbigkeit. Ursprünglich kühle, kräftige
Rottöne beispielsweise wurden in ein in der Farbwir-
kung abgemildertes Rot-Braun verwandelt. Innerhalb
der Nimben führte die Rekonstruktion der Farbigkeit
zu einer Verfälschung der Darstellung. Die mittelalter-
lichen Farbbefunde deuten darauf hin, dass die Nim-
ben ursprünglich rot waren. Die dafür verwendete
Mennige war bereits 1903 durch Pigmentverände-
rung verschwärzt oder vergraut, was auch auf dem
Foto nach der Freilegung sichtbar ist. Kruse übermal-
te die freigelegten dunklen Nimben in Grau. Ein
Schwarz-Weiß-Foto, das den Zustand nach der Res-
taurierung 1903 zeigt, verdeutlicht im Vergleich mit
dem Vorzustandsfoto die ausgeführten malerischen
Arbeiten. In besser erhaltenen Partien, wie beispiels-
weise bei Kopf und Oberkörper der zweiten
Frauengestalt von links, ist erkennbar, dass Kruse die
mittelalterliche Formensprache sehr genau übernom-
men hat. In weniger gut erhaltenen Bereichen hat er
dagegen zwangsläufig eigene Elemente eingebracht.
Rechts neben Maria (4. von links) ist vor der Restau-
 
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