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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen — Petersberg: Imhof, Heft 41.2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.51159#0349
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Braunschweig, Ev. Domkirche, ehemalige Stiftskirche St. Blasius und Johannes der Täufer

345

betraut, mußte ich mich bemühen, den falschen, alles
Leben abtötenden Auftrag der Öl- und Temperafar-
ben durch einen stellenweise sehr energischen Zugriff
herunter zu holen, um soweit als nur irgend möglich
zu den Originalkonturen und ebenso zu den im
Werkstein bestenfalls ,eingebeizten' mittelalterlichen
Farbresten zu kommen. Daß die letzteren oft nur
stückweise nachblieben, war nur natürlich, doch
konnte der Verlauf der Konturen fast geschlossen
festgestellt werden, zum Teil mit erkennbarer Abwei-
chung von den Konturen der falschen Restaurierung.
Vom technischen Ablauf der Rückgewinnung möchte
ich in aller Kürze das Wesentliche festhalten: Durch
leicht angewärmtes Wasser wurden mit Unter-
stützung von Salmiak die aufgetragenen Tempera-
und Ölfarben aufgeweicht und heruntergeschabt und
herunter gewaschen, wobei die durch Gipseinglät-
tung entstandenen größeren und kleineren Flächen-
stücke klar erkennbar sich zeigten. Diese wurden dar-
auf mit den verschiedensten Instrumenten herausge-
hoben, wobei sich zum Teil bei größeren Löchern der
dem Muschelkalk eigentümlichen Muschelgänge bis
halbhandgroße Stücke loslösten, und die alte ur-
sprüngliche, noch unberührte, wenn auch verblaßte
Konturführung und Farbtönung freigelegt wurde.
Nach diesem durch Schabeisen unterstützen Reini-
gungsverfahren und nach einer Überspritzung mit
einer schwachen Lösung von Wasserglas zwecks Fes-
tigung, wurde nach vorsichtig vorgehenden Ergän-
zungen der Fehlstellen im Konturverlauf mit einer wie
Tinte dünnflüssigen, rot-braun bis schwarzbraunen
Kaseinfarbe der klare Verlauf der Zeichnung gesichert.
Dann wurde mit reinen, kalkechten Wasserfarben
nach vorausgegangener ausreichender Durchfeuch-
tung im Rahmen, das heißt zwischen den verbliebe-
nen Farbresten, soweit wieder aufgebaut, daß eine
möglichst geschlossene, aber in der Gesamtwirkung
sehr leichte, durchsichtige Bildwirkung der zurückge-
wonnenen Werksteinbemalung erzielt wurde. Zum
Abschluß wurde durch Spritzverfahren eine leichte,
besonders zusammengesetzte Wachslösung in chemi-
schem Terpentin aufgetragen, um bei Sicherung
ungehemmter Atmungsfähigkeit des Werksteinmal-
grundes doch eine einwandfreie Oberflächenfestig-
keit sicher zu stellen."290
Von den Heiligendarstellungen der Pfeiler im Lang-
haus existieren S/W-Fotos vor Beginn der Arbeiten,
nach Abnahme der Übermalungen und nach erfolgter
Restaurierung. Diese Fotos machen die malerischen
Überarbeitungen deutlich. Die mittelalterlichen Male-
reien waren nach Abnahme der Übermalungen zwar
in ihren grafischen Einzelheiten erkennbar, die
Farbtöne lagen jedoch stark reduziert vor. In einigen
Figuren waren größere Fehlstellen enthalten. So zum
Beispiel auf der Südseite des von Curdt so bezeichne-
ten vierten Pfeilers nördlich des Mittelgangs, bei des-
sen Darstellung eines nicht identifizierten Heiligen

nach Abnahme der Übermalungen die Zeichnung des
Gesichts nicht mehr vorhanden war und in Form von
steinmetzmäßig eingesetzten Vierungen, die keinen
mittelalterlichen Bestand zeigen und in vielen Figuren
vorliegen. Curdt ergänzte die Fehlstellen in rekonstru-
ierender Manier und erneuerte nicht erhaltene Zeich-
nung frei interpretierend. Neben diesen Ergänzungen
verdeutlichen die Fotos aber auch, dass sämtliche
Flächen der Malerei nach der Restaurierung farbinten-
siver erscheinen, was darauf schließen lässt, dass er
lasierende Übermalungen durchführte.
Bei den Figuren des achten Pfeilers derselben Seite;
die Maria Magdalena und einen nicht identifizierten
Heiligen darstellen, zeigte sich nach Abnahme der
Übermalungen, dass jeweils der untere Teil der Figur
mit Ausnahme der Füße verloren war, da neue Werk-
steine eingesetzt worden waren. Hier verzichtete
Curdt auf Ergänzung, sondern veränderte die
ursprünglichen Ganzfiguren zu Brustbildern, indem er
den die Figuren umgebenden Rahmen unterhalb des
Oberkörpers abschließen ließ und die erhaltenen
Fußpartien überstrich.
Der Vergleich des Berichts von Curdt mit den Foto-
grafien zeigt einige Diskrepanzen auf. Im Gegensatz
zu der Restaurierung des 19. Jahrhunderts verzichtete
Curdt auf deckende Übermalungen und kräftige
Farben, führte aber doch seinerseits nicht nur Ergän-
zungen aus, sondern verstärkte die Farbwirkung
durch zurückhaltende Lasuren und ergänzte den mal-
technischen Aufbau um Lichthöhungen und Schattie-
rungen.
Die Restaurierung der Malereien in Chor und Vierung
schloss sich an die der Pfeilerfiguren an. Bereits
1936/37 wurden jedoch Fotografien der dortigen Ge-
wölbe angefertigt, die einige, zum Teil geöffnete Risse
zeigen, wobei einige Putzfragmente ausgebrochen
sind. Die Risse wurden während der Restaurierung
geschlossen, die Putzfehlstellen ergänzt, was in den
vorliegenden Quellen unerwähnt bleibt, am heutigen
Zustand jedoch ablesbar ist.
Curdt selbst erläuterte zu den Malereien in Chor und
Vierung, Brandes habe 1845-56 die „verblassten
Bilder" mit Kalkmilch überzogen und Ergänzungen zu
deckend mit einer mit Ei und Milch gebundenen
Tempera aufgetragen, die angeblich „faule". Quen-
sen habe die Malereien in den 90er Jahren des 19.
Jahrhunderts mit Kasein gefestigt. Curdt hat die Über-
malungen durch „Abwaschen" entfernt. Über das
dafür genutzte Medium machte er keine Angaben,
wenn auch die Folgerung nahe liegt, dass es sich um
die gleiche Lösung wie an den Pfeilerfiguren handel-
te.291 An den Konturen der Malereien am Gewölbe sei
ein Originalbestand von 80-90 % freigelegt worden,
die Wände seien schlechter erhalten gewesen.292
Anschließend sicherte er nach eigenen Angaben den
Bestand. Dass es sich auch hier, wie bei den Pfeiler-
figuren um eine Festigung mit einer verdünnten
 
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