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Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen

gerecht zu werden, [seien] die Wandmalereien auf der
Leinwand unter entsprechender Ergänzung, aber
unter Wahrung des alten Charakters derselben, nach-
gebildet".309
Dokumentation
Die 1902 angestellten Untersuchungen des Zustands
der Malereien und die vor Beginn der Restaurierung
angefertigten Kopien zeugen von einem aufgeklärten
denkmalpflegerischen Verständnis. Der Ausschuss für
Denkmalpflege war sich der Veränderungen, die
durch eine Restaurierung eintreten würden, bewusst
und man war bemüht, den freigelegten Zustand der
mittelalterlichen Malereien zu dokumentieren. Auch
die Dokumentation in situ, denn als solche kann man
die Erhaltung der Malereien und ihre Überdeckung
durch Kopien auf Leinwand an Chornord- und
Chorsüdwand verstehen, lässt auf eine denkmalpfle-
gerisch bedachte Haltung schließen. Die Pausen
Gottwalds, die den freigelegten Malereibestand sehr
detailliert dokumentieren, vermitteln einen guten
Eindruck vom Erhaltungszustand der Chormalereien
nach der Freilegung. So ist der reduzierte maltechni-
sche Aufbau sichtbar und auch Fehlstellen und Risse
sind eingetragen.
Relevanz der Restaurierungsgeschichte für die
kunsthistorische Einordnung
Die Restaurierung der Chorausmalung in der
Melveroder Kirche 1902-04 beinhaltete umfassende
Überarbeitungen und Neugestaltungen nach mittelal-
terlichem Vorbild. Als Beleg der ursprünglichen
Ausmalung können nur noch die mit Leinwänden
überdeckten Malereizonen der Nord- und Südwand
dienen, die, wenngleich stark reduziert, Stil, Hand-
schrift und Maltechnik des mittelalterlichen Künstlers
verraten. Die von Quensen ergänzten und übermalten
Darstellungen lassen die ursprüngliche Anlage erah-
nen, wurden jedoch weitgehend überformt und ver-
vollständigt. Durch die Erweiterung der Bildzyklen an
den beiden Chorwänden ergab sich eine logische, auf
ikonografischen Kenntnissen beruhende, Komplettie-
rung eines Bildprogramms, das aber in dieser Weise
vermutlich nie vorhanden war. Insgesamt ergab sich
mit den Restaurierungs- und Erneuerungsarbeiten ein
völlig neuer Raumeindruck. Die Überarbeitungen des
vorhandenen Bestands und die Erweiterungen um
ikonografisch passende Szenen schufen eine
Chorausmalung, die zwar einer mittelalterlichen
Gestaltung nahe kommt, aber in erster Linie die
Rezeption des Mittelalters und die Tendenzen in der
Restaurierungspraxis um 1900 widerspiegeln.

Literatur
Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenk-
mäler, Bremen/Niedersachsen, bearbeitet von Gott-
fried Kiesow u. a., Neubearbeitung, München/Berlin
1977.
Grote, Rolf-JürgenA/an der Ploeg, Kees: Wandmalerei
in Niedersachsen, Bremen und im Groninger Land,
Bd. 2, Katalogband, München/Berlin 2001.
KDM, Bd. 7, S. 104 f.
Mainusch, Nils: Es darf das Verständnis nicht unter
dem Stile leiden. Restaurierungspraxis um 1900 am
Beispiel der Wiederherstellung der mittelalterlichen
Wandmalereien in der St. Nikolauskirche zu Melve-
rode, unveröffentlichte Facharbeit zum Diplom,
Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen,
Hildesheim 2000.
Mainusch, Nils: Zur Restaurierung der romanischen
Wandmalereien in St. Nikolaus zu Melverode (Braun-
schweig) in den Jahren 1902-1905, in: Die Restau-
rierung der Restaurierung?, ICOMOS, Hefte des Deut-
schen Nationalkomitees XXXVII, hrsg. von Matthias
Exner und Ursula Schädler-Saub, München 2002, S.
218-225.
Pfeifer, Hans: Die Kirche in Melverode und ihre Wand-
gemälde, in: Die Denkmalpflege, 8. Jg., Nr. 7, Berlin
1906.
Steinacker, Karl: Die Wandmalereien in der Kirche zu
Melverode, in: Braunschweigisches Magazin, Nr. 7/8,
Braunschweig 1908.
Voges, Th.: Dorfkirchen aus dem Kreise Wolfenbüttel
und aus anderen Gegenden des Landes Braun-
schweig, in: Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte
und Alterthumskunde 1877.
Quellen
EvLKA BS, Landeskirchliches Archiv Wolfenbüttel,
Bauakte Melverode, 0A Melverode 20.
NLD, R, Sign. Nr.: 031-5331-001-01.
Bildmaterial
EvLKA BS, Landeskirchliches Archiv Wolfenbüttel,
Sign. PA Stöckheim-Melverode:
Fotografien der 1902 von Roman Gottwald angefer-
tigten Aquarellkopien der Wandmalereien, angefer-
tigt 1944 von Heinrich Bosse, Merseburg.
NLD, BuK, Plansammlung:
Eine Tusche-Umriss-Zeichnung der Pfeilerfiguren im
Chor, o. D. (1903).
Eine Aquarellzeichnung der Pfeilerfiguren im Chor, o.
D. (1903).
StA WF, Sign. 76 Nm Fb 4:
S/W-Fotos der Chormalereien o. D. (um 1906).
Aquarellkopien der freigelegten Wand- und Gewölbe-
malereien von 1903.
 
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