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Einbeck, Landkreis Northeim, Bartholomäuskapelle

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sehen Provinzialkonservator Hermann Deckert: „In der
Kapelle waren die Bauhandwerker damit beschäftigt,
die Wandmalereien, so gut es in ihren Kräften stand,
freizulegen. Diese Maßnahme war bereits unterbun-
den vom Architekten. ... Leider war ein etwa 3 qm
großer Zwickel oberhalb des neu hergestellten
Zuganges zur Sertürner-Gruft bereits eingebrochen.
Dadurch ist ein großer Teil der Wandmalerei zer-
stört."325 Mit der weiteren Freilegung wurde der Kir-
chenmaler Bucker aus Hannover beauftragt, der die
Arbeit nach Ansicht des Provinzialkonservators „in
einwandfreier Weise" ausführte.326 Architekt und
Denkmalpfleger waren darauf bedacht, die Freilegung
einem erfahrenen Maler zu übertragen, um eine
Beschädigung der Malereien weitgehend zu verhin-
dern. Die zeitgenössischen Quellen beinhalten keine
weiteren Informationen zur Freilegung. Jüngere
restauratorische Untersuchungen zeigten, dass die
Malerei bei der Freilegung beschädigt wurde.327 Zahl-
reiche Hack- und Schabspuren von Hammer, Spachtel
und Messer bedecken die Wandoberflächen. Reste
aufliegender, jüngerer Tüncheschichten zeugen da-
von, dass die Freilegung relativ großflächig und zügig
durchgeführt wurde. Innerhalb der Nothelferdarstel-
lung liegen Malereien aus zwei Entstehungszeiten
übereinander. Bei der Freilegung, bei der die zweite
Malschicht aufgedeckt wurde, legte man partiell die
untere Ausmalung frei, so dass anschließend zwei
zeitlich unterschiedliche Malereien miteinander ver-
bunden vorlagen.
Restaurierung
Bei der Ausmalung der Kapelle wollte man sich nach
den Farben der freigelegten Malereien richten, wobei
die Farbproben von Kirchenmaler Bücker anzusetzen
seien, dem auch die Restaurierung der mittelalterli-
chen Wandmalereien übertragen wurde. Provinzial-
konservator Deckert berichtete anschließend: „Trotz
einiger Fehlstellen ist die Erhaltung derart, daß mit
Rücksicht auf den hohen Originalwert jede Ergänzung
oder Übermalung vermieden werden mußte. Umso
schwieriger war die wohlgelungene Aufgabe, die
losen Farbteilchen und Mörtelschichten wieder zu
befestigen und den beschädigten Grund auszuflik-
ken."328 Die Restaurierung sollte sich also auf Putzer-
gänzungen und Sicherungsmaßnahmen beschränken
und ohne farbliche Ergänzungen und Übermalungen
auskommen. Dass dieser konservatorische Ansatz in
der Praxis nur teilweise zum Einsatz kam, stellte sich
bei jüngeren restauratorischen Untersuchungen her-

aus: Spuren vom „Befestigen loser Farbteilchen und
Mörtelschichten", was auf Konsolidierungs-, Fixie-
rungs- und Hinterfüllmaßnahmen hindeutet, konnten
jedenfalls nicht nachgewiesen werden.329
Die restauratorischen Untersuchungen kamen zu dem
Ergebnis, dass die mittelalterliche Malerei tatsächlich
weitestgehend frei von Übermalungen ist. Bücker ver-
sah Fehlstellen in der Malschicht mit flächigen Retu-
schen, die farblich der Umgebung angeglichen, in der
Farbintensität jedoch abgeschwächt wurden. Die
Retuschen sind recht flüchtig mit breiten Pinseln auf-
getragen worden. Der Pinselduktus ist sichtbar, die
Retuschen schließen nicht sauber an die Grenzbe-
reiche zur Malerei an. Wenige Lokaltöne der mittelal-
terlichen Malerei sind zurückhaltend lasierend überar-
beitet worden, um Fehlstellen und Tünchereste zu
integrieren. Die neuen Putzergänzungen wurden
farblich angeglichen, wobei die Lasuren in den gro-
ßen Fehlstellen nur an den Schnittstellen zur Malerei
weitergeführt sind und in breiten Strichen formlos
auslaufen. Die Lasuren sind heller als die ursprüngli-
che Malerei und so dünn aufgetragen, dass Fehl-
stellen und Malerei darunter erkennbar blieben.
Bücker beließ Zonen, die für eine Rekonstruktion zu
fragmentarisch waren, ohne Ergänzung. Besonders
gut erhaltene Malerei, die nur kleinste Schäden auf-
wies, wurde ebenfalls nicht überarbeitet. Offenbar als
Hilfestellung für die Ergänzungen sind Graphitlinien
erkennbar, so entlang der Konturen der Fliesen in der
Nothelferdarstellung. Abschließend wurden Konturen
und Binnenzeichnung partiell nachgezogen. Im Ge-
gensatz zu den beschriebenen Maßnahmen innerhalb
der figürlichen Malerei sind die Rahmung der Not-
helferszene und die Rahmung einer kleinen Nische in
der Nordwand durch Bücker vollständig übermalt
worden. Die archivalisch belegten Sicherungsmaß-
nahmen ließen sich durch restauratorische Untersu-
chungen nicht nachweisen. Auf der Malerei befand
sich zwar ein Überzug, sichtbar als heller weiß-grauer
Schleier, der ausschließlich die figürlichen Malereien
bedeckte und beschnitt. Der Verdacht, dass es sich
hierbei um eine Festigung mit Wasserglas oder Kasein
handeln könnte, ließ sich durch naturwissenschaftli-
che Analysen nicht bestätigen. Der Überzug besteht
zu gleichen Anteilen aus Gips- und Calcitphasen mit
einem kleinen Anteil von Quarz.330 Wahrscheinlicher
ist, dass dieser Überzug als eine Art Lasur anzusehen
ist, der aufgetragen wurde, um die farblichen
Unterschiede zwischen Malerei und Fehlstellen auszu-
gleichen.
 
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