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Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen
Restaurierung
Nach einer Besichtigung im April 1906 befanden
Konsistorialbaumeister Mohrmann und Provinzialkon-
servator Reimers die freigelegten Malereien im Chor
als unbedingt erhaltenswert. Reimers gab an, die
figürlichen Malereien seien „ohne zu ergänzen, in der
Gänze einzustimmen", die ornamentale Malerei solle
dagegen nach dem Befund rekonstruiert werden.448
Koch führte daraufhin die Restaurierung aus, die nach
Abschluss der Arbeiten bei Reimers jedoch auf Kritik
stieß. In seinem Gutachten zur Restaurierung heißt es:
„Die alten Malereien in der Kirche zu Mandelsloh sind
nicht einwandfrei ausgeführt. Aus den alten Bildern
sind neue Malereien geworden. Es ist versäumt wor-
den, von dem alten Zustande Photographien anzufer-
tigen. Es ist damit eine wertvolle kunsthistorische
Urkunde verloren gegangen."449 Reimers wies gegen-
über der Königlichen Regierung anschließend noch-
mals auf den denkmalpflegerischen Grundsatz hin,
Wandmalereien vor Beginn einer Restaurierung zu
fotografieren, um den Originalbestand von Ergän-
zungen und Übermalungen trennen zu können.
Angaben des Pastors, dass die figürliche Malerei
genau nach dem Bestand „wiederhergestellt" wor-
den sei, hätten wenig Wert, da der Erhaltungszustand
nach der Freilegung so fragmentarisch gewesen sei,
dass die Formen nicht in ausreichendem Maße
erkennbar waren.450
Der Beurteilung Reimers steht ein Bericht in der
Zeitschrift Die Denkmalpflege von A. Petersen gegen-
über, der die Restaurierung mit großem Lob ausstatte-
te: „Die Wiederherstellung der alten Malereien durch
Herrn Koch erfolgte auf Grund der zuverlässigen
Anhalte, die das mit größter Vorsicht freigelegte Alte
bot. Ergänzungen wurden nur vorgenommen, wo die
alten Farben nicht genügend Frische mehr zeigten
und wo sie verblaßt und abgesprungen waren. Neu
gemalt wurde nur dort, wo das Alte ganz verloren
war, wie bei den durch Anbringung und Vergrö-
ßerung der Fenster zerstörten Apostelfiguren, und
hier in genauer Anpassung an das Alte mit verständ-
nisvollem Eingehen auf des alten Künstlers Empfinden
und Technik, so daß die Gesamterscheinung ein ein-
heitliches Gepräge hat."451 Als Beispiel für die unter-
schiedlichen Maßnahmen nannte Petersen die Dar-
stellung des Gnadenstuhls, in der nur die Malerei in
den Fugen ausgebessert worden sei und die
Oberkörper der Apostel Andreas und Thomas an der
Nordwand, die Koch nach Rückbau der im 19. Jahr-
hundert nach unten verlängerten Fenster rekonstruie-
rend ergänzt habe. Das in den Schriftbändern der
Apostel ursprünglich vorhandene lateinische Credo
wurde auf Wunsch der Kirchengemeinde durch deut-
sche Bibelzitate ersetzt.452
Das Urteil Reimers ist sicher das treffendere und kann
anhand der historischen Fotos, die während und nach
der Restaurierung 1907 angefertigt wurden, nachvoll-
zogen werden. Ein Foto zeigt einen Ausschnitt der
Chornordwand während der Restaurierung: Die
Apostel Petrus und Paulus zeigen noch keine Überar-
beitungsspuren, während das darüber befindliche
Weltgericht bereits vollständig übermalt ist. Koch hat
in der oberen Wandzone mit der Restaurierung be-
gonnen und die Darstellungen einzeln bearbeitet. Das
Weltgericht, ohne Fehlstellen und mit einheitlicher
Wirkung, ist unten mit einem waagerechten Strich
begrenzt, darunter setzt der fragmentarisch erhaltene
Apostelfries an. Rechts von Paulus ist das neue
Mauerwerk der verkleinerten Fensteröffnung erkenn-
bar. Der nächste Arbeitschritt ist auf einem weiteren
Foto sichtbar: Die Hintergründe und Architekturrah-
mungen um die Apostel sind bereits rekonstruiert,
während die Figuren noch in ihrem fragmentarischen
Zustand sind. Fotos nach der Restaurierung zeigen die
Apostelreihe der Nordwand vollständig übermalt. Die
Lokaltöne und Konturen wurden offenbar auf
Grundlage des mittelalterlichen Bestand nachgemalt
bzw. nachkonturiert. Die nicht erhaltenen Apostel hat
Koch rekonstruierend ergänzt. Unterschiede zwischen
erhaltenem Malereibestand und Ergänzung sind nicht
erkennbar. Daraus lässt sich ablesen, dass Koch der
Forderung Reimers, die figürliche Malerei nicht zu
ergänzen, sondern nur einzustimmen, nicht nachge-
kommen ist. Die farbliche Einstimmung hat eine
geschlossene Wirkung der Malerei durch Lasuren zum
Ziel, die Fehlstellen und andere farbliche Abweichun-
gen überdecken, die ursprüngliche Malerei aber nicht
verändern. Ergänzung ist hingegen im Sinne interpre-
tierender und rekonstruierender Zutaten zu verste-
hen, die auf Geschlossenheit und Vollständigkeit der
Darstellung zielen. Dass die figürlichen Malereien
nach Ansicht Reimers nur hätten eingestimmt werden
sollen, zeigt die große Wertschätzung von figürlicher
gegenüber ornamentaler Malerei. Das Bestreben, zu-
rückhaltend zu überarbeiten, ist bezüglich der Orna-
mentik nicht erkennbar. Die Rankenornamentik ist
von Koch vollständig übermalt und ergänzt worden.
An der Nordwand befinden sich unter der Darstellung
des Paulus und des Jakobus zwei kleine gemalte
Kreise, in denen sich Buchstaben befinden. Hier sind
die Übermalungen Kochs mittlerweile entfernt wor-
den. Sie entstammen der ursprünglichen Ausmalung,
sind nur sehr blass erkennbar und zeigen ein helleres
Rot als das der Übermalung Kochs.
An der Südwand des Chors, über der Darstellung des
Sudariums hinterließ Koch eine Inschrift mit dem Text:
MCMVII stellte Friedrich Koch aus Hannover d [I] alten
Malereien wieder her.
Restaurierungsgeschichte mittelalterlicher Gewölbe- und Wandmalereien im Gebiet des heutigen Niedersachsen
Restaurierung
Nach einer Besichtigung im April 1906 befanden
Konsistorialbaumeister Mohrmann und Provinzialkon-
servator Reimers die freigelegten Malereien im Chor
als unbedingt erhaltenswert. Reimers gab an, die
figürlichen Malereien seien „ohne zu ergänzen, in der
Gänze einzustimmen", die ornamentale Malerei solle
dagegen nach dem Befund rekonstruiert werden.448
Koch führte daraufhin die Restaurierung aus, die nach
Abschluss der Arbeiten bei Reimers jedoch auf Kritik
stieß. In seinem Gutachten zur Restaurierung heißt es:
„Die alten Malereien in der Kirche zu Mandelsloh sind
nicht einwandfrei ausgeführt. Aus den alten Bildern
sind neue Malereien geworden. Es ist versäumt wor-
den, von dem alten Zustande Photographien anzufer-
tigen. Es ist damit eine wertvolle kunsthistorische
Urkunde verloren gegangen."449 Reimers wies gegen-
über der Königlichen Regierung anschließend noch-
mals auf den denkmalpflegerischen Grundsatz hin,
Wandmalereien vor Beginn einer Restaurierung zu
fotografieren, um den Originalbestand von Ergän-
zungen und Übermalungen trennen zu können.
Angaben des Pastors, dass die figürliche Malerei
genau nach dem Bestand „wiederhergestellt" wor-
den sei, hätten wenig Wert, da der Erhaltungszustand
nach der Freilegung so fragmentarisch gewesen sei,
dass die Formen nicht in ausreichendem Maße
erkennbar waren.450
Der Beurteilung Reimers steht ein Bericht in der
Zeitschrift Die Denkmalpflege von A. Petersen gegen-
über, der die Restaurierung mit großem Lob ausstatte-
te: „Die Wiederherstellung der alten Malereien durch
Herrn Koch erfolgte auf Grund der zuverlässigen
Anhalte, die das mit größter Vorsicht freigelegte Alte
bot. Ergänzungen wurden nur vorgenommen, wo die
alten Farben nicht genügend Frische mehr zeigten
und wo sie verblaßt und abgesprungen waren. Neu
gemalt wurde nur dort, wo das Alte ganz verloren
war, wie bei den durch Anbringung und Vergrö-
ßerung der Fenster zerstörten Apostelfiguren, und
hier in genauer Anpassung an das Alte mit verständ-
nisvollem Eingehen auf des alten Künstlers Empfinden
und Technik, so daß die Gesamterscheinung ein ein-
heitliches Gepräge hat."451 Als Beispiel für die unter-
schiedlichen Maßnahmen nannte Petersen die Dar-
stellung des Gnadenstuhls, in der nur die Malerei in
den Fugen ausgebessert worden sei und die
Oberkörper der Apostel Andreas und Thomas an der
Nordwand, die Koch nach Rückbau der im 19. Jahr-
hundert nach unten verlängerten Fenster rekonstruie-
rend ergänzt habe. Das in den Schriftbändern der
Apostel ursprünglich vorhandene lateinische Credo
wurde auf Wunsch der Kirchengemeinde durch deut-
sche Bibelzitate ersetzt.452
Das Urteil Reimers ist sicher das treffendere und kann
anhand der historischen Fotos, die während und nach
der Restaurierung 1907 angefertigt wurden, nachvoll-
zogen werden. Ein Foto zeigt einen Ausschnitt der
Chornordwand während der Restaurierung: Die
Apostel Petrus und Paulus zeigen noch keine Überar-
beitungsspuren, während das darüber befindliche
Weltgericht bereits vollständig übermalt ist. Koch hat
in der oberen Wandzone mit der Restaurierung be-
gonnen und die Darstellungen einzeln bearbeitet. Das
Weltgericht, ohne Fehlstellen und mit einheitlicher
Wirkung, ist unten mit einem waagerechten Strich
begrenzt, darunter setzt der fragmentarisch erhaltene
Apostelfries an. Rechts von Paulus ist das neue
Mauerwerk der verkleinerten Fensteröffnung erkenn-
bar. Der nächste Arbeitschritt ist auf einem weiteren
Foto sichtbar: Die Hintergründe und Architekturrah-
mungen um die Apostel sind bereits rekonstruiert,
während die Figuren noch in ihrem fragmentarischen
Zustand sind. Fotos nach der Restaurierung zeigen die
Apostelreihe der Nordwand vollständig übermalt. Die
Lokaltöne und Konturen wurden offenbar auf
Grundlage des mittelalterlichen Bestand nachgemalt
bzw. nachkonturiert. Die nicht erhaltenen Apostel hat
Koch rekonstruierend ergänzt. Unterschiede zwischen
erhaltenem Malereibestand und Ergänzung sind nicht
erkennbar. Daraus lässt sich ablesen, dass Koch der
Forderung Reimers, die figürliche Malerei nicht zu
ergänzen, sondern nur einzustimmen, nicht nachge-
kommen ist. Die farbliche Einstimmung hat eine
geschlossene Wirkung der Malerei durch Lasuren zum
Ziel, die Fehlstellen und andere farbliche Abweichun-
gen überdecken, die ursprüngliche Malerei aber nicht
verändern. Ergänzung ist hingegen im Sinne interpre-
tierender und rekonstruierender Zutaten zu verste-
hen, die auf Geschlossenheit und Vollständigkeit der
Darstellung zielen. Dass die figürlichen Malereien
nach Ansicht Reimers nur hätten eingestimmt werden
sollen, zeigt die große Wertschätzung von figürlicher
gegenüber ornamentaler Malerei. Das Bestreben, zu-
rückhaltend zu überarbeiten, ist bezüglich der Orna-
mentik nicht erkennbar. Die Rankenornamentik ist
von Koch vollständig übermalt und ergänzt worden.
An der Nordwand befinden sich unter der Darstellung
des Paulus und des Jakobus zwei kleine gemalte
Kreise, in denen sich Buchstaben befinden. Hier sind
die Übermalungen Kochs mittlerweile entfernt wor-
den. Sie entstammen der ursprünglichen Ausmalung,
sind nur sehr blass erkennbar und zeigen ein helleres
Rot als das der Übermalung Kochs.
An der Südwand des Chors, über der Darstellung des
Sudariums hinterließ Koch eine Inschrift mit dem Text:
MCMVII stellte Friedrich Koch aus Hannover d [I] alten
Malereien wieder her.