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Möller, Hans-Herbert [Hrsg.]; Institut für Denkmalpflege [Hrsg.]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Das Vieweg-Haus in Braunschweig — Hannover: Niedersächs. Landesverwaltungsamt, Heft 5.1985

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Königfeld, Peter: Hinweise zur Farbigkeit des Vieweg-Hauses in Braunschweig
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https://doi.org/10.11588/diglit.50503#0125
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Hinweise zur Farbigkeit des Vieweg-Hauses
in Braunschweig
Peter Königfeld

1. Einführung
Der Grundsatz der Denkmalpflege, einen geschichtlich be-
deutsamen Bauzustand unverfälscht zu konservieren, gilt
auch für das farbige Erscheinungsbild. Dem Urkunden-
charakter historischer Farbigkeit von Architektur, ihrer we-
sentlichen Bedeutung für deren spezifische Wirkung, ja ihrer
ikonologischen Aussage muß gerade im 19. Jahrhundert, in
dem man sich bewußter als zuvor mit Fragen der Polychro-
mie beschäftigte, besondere Beachtung geschenkt werden.
„Baubehörden, Wissenschaftler, hier vor allem Archäologen,
Historiker, aber auch Kunsthistoriker, besonders jedoch Ar-
chitekten, schalteten sich in die Diskussion ein. Auch Ärzte
meldeten sich zu Wort, etwa weil die weiße Tünche an Häu-
sern die Augen blende und zu Augenkrankheiten führen
könne.. . . Der berühmte Polychromiestreit über die Farbig-
keit antiker Architektur und Plastik wurde in den zwanziger
Jahren durch Jakob Ignaz Hittorfs Farbbeobachtungen an
antiken Bauten in Sizilien ausgelöst. Die Frage der Material-
gerechtigkeit, des unverhüllten Zurschaustellens des Bau-
materials wurde leidenschaftlich erörtert“1.

2. Außenfarbigkeit
Über die ältesten Fassungen des Vieweg-Hauses liegen
keine archivalischen Belege vor. Erst spät, für das Jahr 1931,
gibt es konkrete Anhaltspunkte. Damals erhielt das Vieweg-
Haus unter der Leitung von Prof. Hermann Flesche, Braun-
schweig, „den gleichen Anstrich, wie er nach dem Bau des
Gebäudes ... im Jahre 1804 vorhanden war. Prof. Flesche
ist zu diesem Zweck nach Berlin gefahren und hat dort Ein-
blick in alte Dokumente genommen, die aus der Zeit Gillys
. . . verblieben sind“2. - Dieser Anstrich wurde nach dem
Zweiten Weltkrieg erneuert.
Der hier überlieferte Versuch, die ursprüngliche Architektur-
farbigkeit des Vieweg-Hauses auf der Grundlage lavierter
Zeichnungen eines klassizistischen Architekten zu rekon-
struieren, muß mit gewissem Vorbehalt beurteilt werden. In-
wieweit solchen Entwürfen, die zwischen Rot, Braun, Violett,
Gelb, Olivgrün und Schwärzlich farblich changierend ange-
legt sind, ein Aussagewert hinsichtlich tatsächlicher Farbzu-
stände an Bauwerken beigemessen werden kann, müßte
noch genauer untersucht werden.
Es soll nicht ausgeschlossen werden, daß ein erhaltener far-
biger Standriß tatsächlich die vom Architekten gewollte und
ursprüngliche Farbigkeit der Fassade wiedergibt3. Dies muß
jedoch in jedem Einzelfall gesondert und aufmerksam ge-
120 prüft werden. - In einem konkreten Fall klassizistischer Ar-
^3 chitektur, dem 1805 bis 1808 von Peter Joseph Krähe er-
bauten Landhaus Salve Hospes in Braunschweig ließ sich
bei einer 1985 erfolgten restauratorischen Untersuchung
nachweisen, daß die 1975/76, basierend auf Zeichnungen
des Architekten4, rekonstruierte Farbigkeit nicht dem origi-
nalen Fassungszustand entspricht: Lichtem Ocker für die
Flächen, Dunkelgrün für die Fenster.

Bei den Vorarbeiten für die Farbgebung des Vieweg-Hauses
wurde daher auch auf das bewährte Mittel der Spurensiche-
rung am Bau selbst zurückgegriffen. Eine eingehende re-
stauratorische Befundermittlung befaßte sich mit allen wich-
tigen Baugliedern (Sockel, Wandflächen, Friesen, Gesimsen,
Fenster- und Portalbereichen). In jedem dieser Bereiche
wurden Proben in ausreichender Größe entnommen, stereo-
mikroskopisch und chemisch auf ihre Schichtfolgen und Bin-
demittel untersucht. Die Ergebnisse fanden abschließend
Umsetzung in ein Farbschema.
Die Auswertung der Proben erbrachte folgendes Ergebnis:
Es zeigt sich eine unterste Schicht in monochromem „Stein-
grau“. In auf dem Sockel entnommenen Proben erwies sich
dieser Ton, derselben Farbskala angehörend, als dunkler.
Auf originalen Fenstern hat sich ein heller, rötlich-ockriger
Anstrich erhalten. - Um die Frage nach der Zeitstellung die-
ser Befunde beantworten zu können, ist eine Wertung des
technologischen Untersuchungsergebnisses und eine stil-
kritische Einordnung erforderlich.
Deutlich lassen sich unterschiedliche Putzsorten am Außen-
bau unterscheiden. Neben hydraulisch gebundenen Aus-
besserungen setzt sich ein als erster Putz zu identifizierender
heller Kalkmörtel durchgängig ab, der durch organische Zu-
schläge (Kasein) eine sehr hohe Festigkeit besitzt. Dieser Un-
tergrund trägt den kalkkaseingebundenen Anstrich in „Stein-
grau“. Diese Fassung fehlt auf den Ausbesserungen, die
durch ihre Bindung, zumindest in größeren Teilen, der zwei-
ten Hälfte des 19. Jahrhunderts angehören dürften.
Die Datierung der ersten, grauen Farbgebung ist, wie oben
bereits erwähnt, archivalisch nicht möglich. Monochrome,
materialimitierende Architekturfarbigkeit ist allerdings in Ver-
gleichsbeispielen für das 18. und frühe 19. Jahrhundert zahl-
reich belegt. Ganze Stadtquartiere stellten sich einfarbig
grau dar(z. B. in Hameln, Celle, Münden, Göttingen). Für die
Bauzeit des Vieweg-Hauses sind neben hellfarbigen Hau-
steinfassaden (kaum in Niedersachsen) solche in hellen
„Stein-Farben“ überliefert. Neben grauockerigen und grau-
weißen Bauten in Oldenburg, Celle und Hannover konnte für
die Schloßwache in Oldenburg (1839) und die Villa von Bü-
low in Braunschweig (ebenfalls 1839) ein einfarbig grauer An-
strich nachgewiesen werden5.
Die zahlreichen Architekturansichten aus dem frühen 19.
Jahrhundert belegen das Bestreben der Zeit, das Stadtbild
hinsichtlich der Farbigkeit zu egalisieren, wobei graue,
braune, insgesamt der Natur entnommene Materialtöne zum
Ideal erhoben wurden und den Bauwerken „soliden Charak-
ter“ verleihen sollten. Hier sei auf die zahlreichen Äußerungen
und theoretischen Schriften der Zeitgenossen verwiesen6,
von denen beispielhaft Friedrich Christian Schmidt (1790)7
und H. C. Riedel (1805)8 genannt seien. - Schmidt hält „allzu
hohe Farben nicht wohl anzurathen, weil sie zu sehr gegen-
einander abstechen und blenden, welches dem Gesichte
wehe thut, und zweitens sucht man ja jedem Gebäude auch
äußerlich den Schein von Festigkeit zu geben ... als wären

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