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ERNST PFUHL

sehen, man betrachtete sie also als Familienurnen ; in einem
Sarge dieser Form wollte Achill seine Gebeine mit denen des
Patroklos vereint wissen b Entsprechen die Steinsärge der Lar-
nax und dem Soros Homers, so entspricht der Bronzekessel in
Grab 3 der homerischen φιάλη (Helbig S. 226); einen gleichen
fand Dragendorff (Grab 17) und ähnliche sind anderwärts, so in
Dipylongräbern und in Megara Hyblaea und Syrakus häufig.
Aber die bei weitem überwiegende Urnenform ist das Thonge-
fäss, von der grossen Amphora herab bis zum Kochtopfe und zu
dem rings abgeschlagenen Unterteil eines grösseren Gefässes 1 2.
Den Hals entfernt hat man bei drei Urnen (Grab 4,7; Grab 39,3;
Grab 89,3); bei der einen stand er daneben, mit einer Kanne
verschlossen ; er kann also zufällig abgebrochen sein (89,3).
Schliesslich hat man in Grab 116 einmal den Hals einer grossen
Amphora als selbständige Urne benutzt.
Da die verbrannten Knochen sich stets reichlich vor-
fanden, so ist kein Grund anzunehmen, dass sie je spurlos ver-
gangen seien. Man darf also dem Befunde trauen und feststellen,
dass Erwachsene und Kinder von mehr als zwei bis drei Jahren
auf dem Friedhof am Stadtberge nie einzeln, sondern stets in
Familiengräbern, und zwar bis auf einen Fall (84) stets in gemau-
erten Kammern beigesetzt worden sind. Anders liegen die Ver-
hältnisse und anders war der Brauch bei der Beisetzung der
unverbrannten Leichen kleiner Kinder. Zunächst
ist hervorzuheben, dass nur in einzelnen Fällen beträchtliche
Reste des Gerippes erhalten waren ; meist fanden sich nur ge-
ringe Spuren, die alsbald völlig zerfielen, und zahlreiche Kinder-
gräber, über deren Wesen Anlage und Beigaben keinen Zweifel
lassen, zeigten keinerlei Knochenreste mehr. Die Frage, ob ein
Gefäss die Leiche eines kleinen Kindes oder verbrannte Knochen
enthalten habe, kann nach dem oben Gesagten nicht erhoben
werden ; nur ob ein Gefäss eine Kinderurne oder eine Beigabe
sei, kann bei Familiengräbern fraglich sein; die zahlreichen ein-
zeln vergrabenen und verpackten Gefässe aber sind stets als
1 Helbig a.a. O. S. 216, 220; Engelbrecht Festschrift für Benndorf S. 6 ;
Thera II S. 90.
2 Sichere Beispiele für die Benutzung von Unterteilen bieten zumal die Grä-
ber 4, 7, 12, 39, 47.
 
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