DAS SCHLACHTFELD VON CHÄRONEA
321
immer dieser Tradition beimessen wollen, wir brauchen sie
doch nicht unbedingt auf die Aufstellung der Griechen in der
Schlacht selbst zu beziehen. Da die verschiedenen Kontingente
der Griechen sich von ihren früheren Positionen aus bei Chä-
ronea gesammelt haben mögen, so können sie zunächst, bevor
sie ihre endgültigen Dispositionen für die Schlacht trafen, ihr
Hauptquartier beim Herakleion genommen haben. Das ist alles,
was wir dieser Tradition entnehmen können 1. Wichtiger dürfte
deshalb für die Bestimmung der Lokalität, wo der Kampf statt-
fand, die andere Nachricht des Plutarch erscheinen, die sich auf
das Flüsschen Idämon bezieht. Dabei kann es gleichgültig sein,
ob wir unter diesem Namen das Wasser verstehen, welches un-
ter dem Theater von Chäronea hervorquillt und zu dem Brun-
nen des jetzigen Dorfes Kapräna geleitet wird, oder den Win-
terbach, der den Talgrund östlich vom Burgfelsen von Chäro-
nea durchfliesst. Allein Plutarchs Ausdrucksweise (εΐκάζομεν—
τεκμαιρόμεΌα) lässt keinen Zweifel darüber, dass die Annahme,
die Schlacht habe am Hämonflusse bei Chäronea getobt, ein-
zig und allein auf der völlig hypothetischen Gleichsetzung des
Thermodon mit dem Hämon und auf der höchst bedenklichen
Volksetymologie des Namens Hämon beruht. Diese ganze An-
gabe hat also keinen geschichtlichen Wert neben der Tatsache,
dass die Stadt Chäronea in den eigentlichen Berichten über
die Schlacht, dem ausführlichen bei Diodor und den fragmen-
tarischen bei Polyän und Frontin, gar nicht erwähnt wird, dass
sie namentlich bei der Katastrophe der Athener und nach der
Niederlage des griechischen Heeres überhaupt keine Rolle
spielt, gerade in einem Moment, wo wir das am ehesten zu er-
warten hätten.
Dass sie in der einzigen zusammenhängenden Schilderung der
Schlacht bei Diodor nicht vorkommt, kann der angeblichen Mit-
telmässigkeit dieses Berichtes zugeschrieben werden. Ein Zufall
kann es sein, dass sie auch in den sonstigen zerstreuten Nach-
richten nicht erwähnt wird. Ein Zufall ist es aber sicher nicht,
dass sie bei der Katastrophe der Athener keine Rolle spielt.
1 Am LIerakleion bei Marathon schlugen bekanntlich auch die Athener im
Jahre 490 ihr Lager auf, aber die Schlacht ist anderswo geliefert worden.
321
immer dieser Tradition beimessen wollen, wir brauchen sie
doch nicht unbedingt auf die Aufstellung der Griechen in der
Schlacht selbst zu beziehen. Da die verschiedenen Kontingente
der Griechen sich von ihren früheren Positionen aus bei Chä-
ronea gesammelt haben mögen, so können sie zunächst, bevor
sie ihre endgültigen Dispositionen für die Schlacht trafen, ihr
Hauptquartier beim Herakleion genommen haben. Das ist alles,
was wir dieser Tradition entnehmen können 1. Wichtiger dürfte
deshalb für die Bestimmung der Lokalität, wo der Kampf statt-
fand, die andere Nachricht des Plutarch erscheinen, die sich auf
das Flüsschen Idämon bezieht. Dabei kann es gleichgültig sein,
ob wir unter diesem Namen das Wasser verstehen, welches un-
ter dem Theater von Chäronea hervorquillt und zu dem Brun-
nen des jetzigen Dorfes Kapräna geleitet wird, oder den Win-
terbach, der den Talgrund östlich vom Burgfelsen von Chäro-
nea durchfliesst. Allein Plutarchs Ausdrucksweise (εΐκάζομεν—
τεκμαιρόμεΌα) lässt keinen Zweifel darüber, dass die Annahme,
die Schlacht habe am Hämonflusse bei Chäronea getobt, ein-
zig und allein auf der völlig hypothetischen Gleichsetzung des
Thermodon mit dem Hämon und auf der höchst bedenklichen
Volksetymologie des Namens Hämon beruht. Diese ganze An-
gabe hat also keinen geschichtlichen Wert neben der Tatsache,
dass die Stadt Chäronea in den eigentlichen Berichten über
die Schlacht, dem ausführlichen bei Diodor und den fragmen-
tarischen bei Polyän und Frontin, gar nicht erwähnt wird, dass
sie namentlich bei der Katastrophe der Athener und nach der
Niederlage des griechischen Heeres überhaupt keine Rolle
spielt, gerade in einem Moment, wo wir das am ehesten zu er-
warten hätten.
Dass sie in der einzigen zusammenhängenden Schilderung der
Schlacht bei Diodor nicht vorkommt, kann der angeblichen Mit-
telmässigkeit dieses Berichtes zugeschrieben werden. Ein Zufall
kann es sein, dass sie auch in den sonstigen zerstreuten Nach-
richten nicht erwähnt wird. Ein Zufall ist es aber sicher nicht,
dass sie bei der Katastrophe der Athener keine Rolle spielt.
1 Am LIerakleion bei Marathon schlugen bekanntlich auch die Athener im
Jahre 490 ihr Lager auf, aber die Schlacht ist anderswo geliefert worden.