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Deutsches Archäologisches Institut / Abteilung Athen [Hrsg.]
Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung — 46.1921

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Rodenwaldt, Gerhart: Ein archaischer Torso in Athen
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https://doi.org/10.11588/diglit.29496#0035
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Ein archaischer Torso in Athen

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auf allseitige Betrachtung berechnet war, sondern mit dem Rücken nahe
einer Wand stand.

Das Motiv der ganzen Figur dürfte somit gesichert sein. Es fehlt
der Gestus der Arme. Unschwer läßt sich der des rechten Arms ergänzen;
er war nicht angesetzt, auch nicht an den Körper angelegt, sondern
frei ausgearbeitet. Der Oberarm war gesenkt; den Unterarm werden
wir uns nach vorne gebogen und ein Attribut haltend ergänzen.

Schwerer ist über die Haltung des linken Armes Gewißheit zu er-
langen. An der linken, stark beschädigten Seite des Torsos (Taf. II 3)
sind die Reste komplizierter Anstückungsvorrichtungen erhaltenJ).
Studniczka hat den Eindruck, daß die ganze Vorrichtung für eine An-
stückung nach hinten und nicht nach der Seite berechnet sei und wahr-
scheinlich den Mantelzipfel getragen habe. Auch die Hohlkante zwischen
der Lockenfront und dem Gewand auf der linken Schulter (vgl. die
Vorderansicht Taf. I) scheint ihm nicht für einen beträchtlich erhobenen
Arm zu sprechen. Andererseits ist es mir nicht recht überzeugend, daß der
Meister sich zu einem so mühsamen Anstückungsapparat entschlossen
habe, um an der sonst flach gearbeiteten Riickseite ein überhängendes
Mantelende zu bilden. Das steilere linke Schlüsselbein ist bei Hebung
des Oberarms verständlicher. Aber auch die Tracht selbst spricht eher
fiir einen nach der Seite gehobenen Arm. Betrachten wir gleich gewandete
Figuren mit gesenktem linken Arm, den bekleideten stehenden Jüngling
von der Akropolis (Schrader, Auswahl archaischer Marmorfiguren
Taf. XII f.) und die Statuetten der Schreiber (Schrader S. 47, Abb. 51
und 52)2), so sehen wir, daß das Himation auf den Arm herunterfällt
und ihn bedeckt. Bei unserem Torso aber schieben sich die Falten des
Himations auf der Schulter zusammen und hängen an der linken Körper-

a) Im Bruch der Winkel einer recht glatt gearbeiteten Stückungsbettung,
von deren Kanten die nach oben verlaufende 87 mm, die vordere 35 mm, die
nach rechts (hinten) gehende 31 mm lang ist. Links davon auf der Bruch-
fläche das Ende eines Dübellochs, das von der Einsatzmulde wagerecht nach
vorne ging bis zu etwa 75 mm Entfernung von der der Brust parallel liegenden
Fläche des Einsatzwinkels. Erhaltene Breite 35 mm, Höhe (Dicke des Diibels)
etwas mehr als 10 mm. Von dieser Dübelscheide ab nach oben und nach unten
Reste eines Bohrlochs, das von der Schulter in die Tiefe ging für einen Stift
oder Bleiverguß, der den Diibel hielt (nach Studniczkas Mitteilungen).

2) Vgl. Perrot-Chipiez VIII 633, Fig. 322; Lechat, La sculpture attiqne
268 ff. Fig. 20—22.
 
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