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'O SEN02.' ’IATPOZ

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des Steines und die Deutung seines bildnerischen Schmuckes, die auf die
Zeit der großen Pest bezogen wird, gleichfalls der dritten Phase an:
Lukian hat dem fivd-og zuliebe, den er erzählen will (cap. 9), den Namen
Toxaris und das skythische Pferdeopfer, mit dem der fremde Heros (auch
noch zu seiner Zeit!) angeblich geehrt wird, glatt erfunden, in der Ab-
sicht, damit eine Vorstellung von der langen Dauer des Toxaris gewidmeten
Kultus und dem hohen Alter seines Grabsteines zu erwecken. Das soll
nur dazu dienen, der ersten Phase seines Berichtes die erwiinschte Glaub-
würdigkeit zu verschaffen. Nach ihr soll der Skythe Toxaris friiher als
Anacharsis nach Athen gekommen sein, die Freundschaft und Unter-
weisung Solons genossen haben und dort auch gestorben und begraben sein.

Als tatsächlicher Kern der ganzen, von Erfindung so stark durch-
setzten Erzählung Lukians bleibt aber das iibrig, was er voranstellt
(cap. 1): ivteftvovai (avTcto) igevco iutqcö ol ’A&rjvaZoi' tovto yaQ iovvo/ia
ijQcog yevö/ievog (,en)eY.Tr\öaTO. Es ergibt sich damit folgender Sachver-
halt1). Im Kerameikos befand sich ein altes, zu Lukians Zeit schon stark
verwittertes und vom Erdboden halb iiberdecktes Grab, das einem nicht
näher bekannten, allgemein 6 igevog iaTQÖg benannten Heros angehörte,
dem von alters her die wundertätige Kraft, Fieberkranke zu heilen, zu-
geschrieben wurde. Darum wurde er auch bereits zur Zeit der großen
Pest von vielen, die von ihm Linderung und Beseitigung der todbringenden
Seuche erhofften, in ihrer Angst mit Opfern und Spenden angegangen.
Der ihrn damals in besonderem Maße oder vielleicht — auf Grund einer
durch die iiberhitzte Phantasie jener Schreckenszeit entstandenen Wunder-
erzählung — zum ersten Mal erwiesene Kult ist eine jener Bemühungen
frommen Glaubens, der von dem Eingreifen irgend einer höheren Macht
das Ende der Seuche, wenn auch vergeblich, erhoffte (Thuk. II 47, 4).
Der Name der Frau, durch deren Angaben nach Lukians Bericht die all-
gemeine Aufmerksamkeit auf das Grab und den Heros gelenkt wurde,
sowie der ihres Mannes spielen dabei eine ganz nebensächliche Rolle.

') In der Hauptsache dürfte ich mich mit Rohde in Übereinstimmung
befinden, der Psyche II6 352, Anm. bemerkt, den Eigennamen des eevog ictxQög
könne Lukian allenfalls erfunden haben, sicherlich aber nicht, was er von dessen
Kult berichte. Es ist dabei nicht ganz klar, ob nach Rs. Meinung auch das
Pferdeopfer erfunden ist, aber wohl anzunehmen, da Name und diese Art Opfer
zusammengehören. Ist das eine Lukians Zutat, so muß es das andere auch sein.
 
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