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Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Mitarb.]
Inventarisation, Dokumentation und Pflege von Museumsgut — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 1: München: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, 1978

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Bachmann, Karl Werner: Konservatorische Gesichtspunte zur Inventarisation von Kunstgegenständen
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https://doi.org/10.11588/diglit.70268#0016
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eher Schaden als Nutzen, wenn einer solchen Erfassung
falsche Beobachtungen und unfachmännische Einschät-
zungen zugrunde liegen. Ist man im Zweifel, sollte man
keine Vermerke machen, sondern erst einen Restaurator
zu Rate ziehen.
Alte Bezeichnungen am Original
An Sammlungen können als Hinweise auf frühere Restau-
rierungen, Inschriften, aufgeklebte Zettel, Stempel, Fir-
menzeichen und andere Markierungen vorkommen. Häu-
fig glaubt man, diese Mitteilungen und Zeichen seien nicht
mehr aktuell, sie stören und werden entfernt. Andererseits
können Zettel sich auch unbemerkt lösen, Siegel abbrök-
keln und Schriften verwischen. Dem Restaurator könnte
unter Umständen eines dieser Zeichen Aufschlüsse geben
und seine praktische Arbeit unterstützten. Jedes dieser
Merkmale, das die Tatsache eines restauratorischen Ein-
griffs am Original offenbart, sollte ausführlich in das Inven-
tar aufgenommen werden.
Die Restaurierungsberichte
Ist für die Restaurierung eines Kunstwerkes ein Konzept zu
erarbeiten, fragt man nach etwaigen Voruntersuchungen
oder früheren Restaurierungen. Verständlicherweise ge-
ben hier die alten Restaurierungsprotokolle und Doku-
mentationen die ergiebigste Antwort. Auf solche Unterla-
gen sollte das Inventar deutlich Hinweis geben. Als Bei-
spiel für einen Restaurierungsbericht, der stets vor allen
Restaurierungsmaßnahmen zu Rate gezogen wurde, sei
hier auf das vielteilige Protokoll zu Tizians Gemälde »Der
Zinsgroschen« in Dresden aufmerksam gemacht. Im Ge-
mäldeinventar wird der von 1826 bis heute lückenlos ge-
führte Bericht ausdrücklich erwähnt.- Ein derart umfas-
sendes Protokoll verpflichtet schließlich geradezu die wei-
ter mit dem Gemälde befaßten Restauratoren, Nieder-
schriften über ihre Maßnahmen anzufügen. So waren nach
der Bergung des beschädigten Bildes auch die russischen
Restauratoren gehalten, dem Protokollschema folgend,
einen Arbeitsbericht zu geben - Ob ausführliche Berichte
oder scheinbar belanglose ältere Informationen, jede Mit-
teilung kann bei der Instandsetzung von Kunstgut hilfreich
sein- Den Restauratoren sollte man immer Arbeitsbe-
richte und Fotos abverlangen und im Inventar auf dieses
Dokumentationsmaterial aufmerksam machen.
Eintragungen bei ausgeliehenen Objekten
Im heutigen Ausstellungsbetrieb verleiht und verschickt
man ohne viel zu zögern fast jeden Kunstgegenstand. Ob-
wohl es bekannt ist, daß damit den Kunstwerken geschadet
wird, glauben manche Leihgeber nicht zurückstehen zu
dürfen. Um hier die schlimmsten Schäden zu verhüten,
sollten diejenigen Objekte im Inventar bezeichnet werden,
die wegen ihrer Empfindlichkeit auf keinen Fall ausgelie-
hen werden dürfen. Unter den Gutachtern, welche diese
Kunstgegenstände auswählen, müßten Restauratoren ver-
treten sein- Bei Sammlungsstücken, die häufig aus dem
Hause gegeben werden, wäre im Inventar, als Merkzeichen
für eine verstärkte Kontrolle, die Anzahl der Ausleihen mit
der Angabe des Ortes und der Dauer zu notieren.

Vermerke über die Zugehörigkeit von Rahmen
Im Inventar sollte die künstlerische Einheit von Gemälde
und Rahmen berücksichtigt werden. Die originale Rah-
mung fördert ganz wesentlich die Ausstrahlungskraft einer
Malerei. Sie darf nicht einer Mode wegen vertauscht oder
ausgewechselt werden - In den Depots und auf den Dach-
böden mancher Museen stößt man häufig auf leere histori-
sche Rahmen. Solche Rahmen sind zu inventarisieren,
denn sie gelten heute nicht mehr als nur dekoratives Bei-
werk, sondern mit besonders kostbaren Exemplaren be-
fassen sich bereits spezielle Ausstellungen.
Die Bezeichnung der Kunstgegenstände
Die Inventarisation eines Objektes beschränkt sich nicht
allein auf die Erfassung in einem Formblatt, sondern der
Gegenstand selbst wird entsprechend gekennzeichnet. Er
erhält eine Klebemarke, wird numeriert oder gestempelt.
Vielfach geschieht das unsachgemäß,.so daß die Kunst-
werke dabei Schaden nehmen. Darüber hinaus beein-
trächtigen auffällig angebrachte Inventarzeichen die äst-
hetische Wirkung eines Kunstgegenstandes.- Bei Lein-
wandgemälden dürfen Aufkleber niemals an der Rückseite
des Bildträgers befestigt werden, denn sie fixieren das
Gewebe und bewirken, daß die Leinwand partiell nicht ar-
beiten kann. Auf diese Weise entstehen gegenüber der üb-
rigen Leinwand Spannungen, die den Klebezettel sich an
der Bildseite im Laufe der Zeit abzeichnen lassen. An die-
ser Stelle kann es dann zu einer abweichenden Kraquele-
bildung und zu ausgeprägten Falten in der Leinwand
kommen. Schließlich führt der Schaden bis zu Verlusten
originaler Substanz. Daher sollten Aufkleber bei Lein-
wandbildern nur auf dem Keil- oder Spannrahmen ange-
bracht werden. Da Klebezettel sich lösen und verlorenge-
hen können, werden statt dessen häufig Inventarnummern
direkt auf die Malerei, die Fassung einer Skulptur oder auf
gleichermaßen empfindliche Teile eines Kunstgegenstan-
des geschrieben. Sei es, daß die Schreibfarbe chemisch
einwirkt, irreversibel ist oder nur mit starken Lösemitteln
wieder entfernt werden kann, in jedem Fall wird hier die
originale Oberfläche gefährdet und beeinträchtigt. Eine
Inventarnummer, die wir ohne Schwierigkeiten von einer
Malfläche entfernen konnten, zeichnete sich danach noch
längere Zeit als Schatten ab. Die Ziffern hatten das Licht
abgeschirmt und dort war die Malerei nachgedunkelt. Die
direkte Bezeichnung sollte daher nur auf den dafür am be-
sten geeigneten Partien wie Rückseiten, Innenseiten und
Standflächen angebracht werden. Das Kennzeichen darf
aber nicht so versteckt liegen, daß manz. B. ejnen empfind-
lichen Kunstgegenstand erst drehen und wenden muß, um
es zu finden- Grafiken, Autografen und Bücher werden
durch Inventarstempel leicht verdorben. Manche Stempel
befinden sich sehr nahe, oft auch inmitten der Darstellung
oder des Textes. Sind Blätter einmal in dieser Weise ver-
schandelt, so gibt es meistens keine Abhilfe mehr. Die stark
färbende Stempelfarbe ist in das Papier eingedrungen und
nicht selten hat ein scharfkantiger Stempel das Blatt zu-
sätzlich beschädigt. In solchen Fällen kann man mit Recht
von einer Wertminderung sprechen. Diese Blätter sind, so-
bald an ihnen einmal andere Schäden auftreten, für den
Restaurator ein Problem, da sich die Stempelfarbe bei je-

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