Konservatorische Gesichtspunkte zur Inventarisation
von Kunstgegenständen
Als wissenschaftlich genau beschreibende Bestandsauf-
nahme macht das Museumsinventar Angaben zu jedem
einzelnen Sammlungsobjekt. Diese Angaben sind neben
den Hinweisen, die man durch eine direkte Begutachtung
des Kunstgegenstandes erhält, für die konservatorische
Betreuung des Museumsbesitzes von Bedeutung. Je fun-
dierter unsere Kenntnisse über ein einzelnes Objekt sind,
um so gezielter können alle Maßnahmen zu dessen Erhal-
tung sein. Oft kann der Restaurator dem Inventar nur wenig
entnehmen, oder er stößt auf falsche, bzw. ungenaue Mit-
teilungen. Es fehlen ihm dann Fakten, die für die Pflege
und die Bewahrung der Sammlung von Nutzen sein könn-
ten. In solchem Fall wäre die Behandlung eines Kunstob-
jektes von der Erfahrung des Restaurators ganz allein ab-
hängig und es verbliebe bei bestimmten Maßnahmen ein
unnötiger Rest von Zufälligkeiten. Obwohl mit der Praxis
des Inventarisierens im Museum nicht vertraut, möchte ich
aus der besonderen Sicht des Restaurators zu diesem
Thema in Stichpunkten einige Gedanken beitragen:
Die Formblätter
Die meisten Inventare werden heute als Kartei geführt, der
die einzelnen Blätter zu entnehmen sind. Das bedeutet,
daß die Karten im Laufe der Zeit abnutzen, unleserlich
werden oder sogar verlorengehen. Zur Sicherheit sollte
daher neben der reinen Arbeitskartei ein gebundenes Ex-
emplar des Inventars bestehen, dessen Seiten fortlaufend
numeriert sind. Obwohl die Formblätter der Kartei schon
den jeweiligen Sachgruppen der Sammlung entsprechen,
sind die vorgedruckten Felder für alle wichtigen Vermerke
oft zu klein. Selten ist Platz für ein Foto vorgesehen oder
noch vorteilhafter, eine eigene, geordnete Fotosammlung
angelegt. In der Rubrik für die Masse wird nicht immer be-
achtet, daß die Höhe vor der Breite angegeben werden soll,
wie es bei Gemälden bereits verbindlich ist.
Die Terminologie
Jeder Tatbestand muß mit den richtigen Fachausdrücken
geschildert werden. Hier einige Beispiele aus der Restau-
rierung: konservieren, restaurieren und renovieren sind
Tätigkeitsbegriffe, die sich wesentlich voneinander unter-
scheiden. Sehr häufig werden diese Bezeichnungen in ei-
nem falschen Zusammenhang gebraucht. Nicht anders
verhält es sich mit den Begriffen »Reinigung«, »Freile-
gung« und »Firnisabnahme«, des weiteren werden die
Ausdrücke »Dublierung«, Rentoilage« und »Marouflage«
oft unrichtig angewandt. Der Unterschied zwischen einem
»Spann«- und einem »Keilrahmen« ist meist nicht bekannt.
- Es gibt genügend Fachliteratur, der man den jeweils rich-
tigen Terminus technicus entnehmen kann. Kürzer und
präziser als mit einem zutreffenden Fachausdruck lassen
sich technische Gegebenheiten kaum schildern. Die rich-
tige Terminologie ist gerade für das Inventar, in dem es auf
knappe und zugleich genaue Formulierungen ankommt,
besonders wichtig.
Die Gegenstandsbeschreibung
Die Beschreibung des Kunstgegenstandes sollte lückenlos
sein und sowohl mit Skizzen als auch mit Fotos ergänzt
werden. Wichtig wäre dabei, auf die am Stück verwendeten
Materialien und die Techniken einzugehen. Originale An-
stückungen, bei Gemälden vom Künstler vorgenommene
Formatisierungen und alle anderen Veränderungen aus
der Entstehungszeit des Kunstwerkes sollten vermerkt
werden. Die technische Vielfalt ist an manchen Objekten
so groß, daß bei deren Feststellung und Beschreibung die
Hilfe eines Restaurators erforderlich ist. Besteht in diesem
Bereich Klarheit, so ist eine gute Grundlage für die sachge-
rechte Präsentation, die Aufbewahrung oder die Behand-
lung eines Kunstgegenstandes geschaffen. Spätere mate-
rialbedingte Veränderungen ließen sich auf diese Weise
berücksichtigen. Technische Mängel könnten rechtzeitig
erkannt und möglichen Schäden vorgebeugt werden-
Zur Vorgeschichte des Kunstgegenstandes
Für den gesicherten Fortbestand eines Objekts können
hierzu Vermerke im Inventar von Bedeutung sein. Zum
Beispiel Angaben über den Herkunftsort, seine dortige
Verwahrung und über seine frühere Funktion. Diesen De-
tails ließe sich entnehmen, ob das betreffende Samm-
lungsstück an seinem Herkunftsort im Vergleich zum Mu-
seum wesentlich anderen Temperatur-, Luftfeuchtigkeits-
und Lichtverhältnissen ausgesetzt war. Möglichst genau
ist auf den Erhaltungszustand eines Objekts einzugehen.
Es muß vermerkt werden, wenn ein Gegenstand nicht mehr
komplett ist oder wenn er aus einem vielteiligen Kunstwerk
herausgelöst wurde. Durch diesen Hinweis im Inventar
aufmerksam gemacht, kann der Restaurator, wenn er ein
derartiges Stück bearbeiten soll, evtl, vergleichende Stu-
dien treiben und so seine Tätigkeit auf einer soliden
Grundlage beginnen. Hierfür ein Beispiel aus der Praxis:
Am Herlin-Altar in Nördlingen restaurierten wir zwei im
Schrein befindliche Engelsskulpturen. Von den zwei Ge-
genstücken war ein Engel verschollen, während der ande-
re, wie aus dem Inventar des Pfarramtes hervorging, heute
in die Pfalzgalerie Kaiserslautern gehört. Das Studium die-
ses Engels, besonders seiner gut erhaltenen Fassung, war
für das Endergebnis unserer Restaurierung mitbestim-
mend.- Alle vergangenen Restaurierungen sind ebenso
wie andere spätere Eingriffe möglichst vollständig aufzu-
zählen und zu schildern. Diese Dokumentation der Verfas-
sung eines Kunstgegenstandes könnte den heutigen wie
den zukünftigen Restauratoren Anhaltspunkte über die
Beurteilung von verschiedenartigen Alterungsprozessen
der originalen Substanz geben, und es ihnen erleichtern,
geeignete Gegenmaßnahmen zu treffen. Es bringt jedoch
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von Kunstgegenständen
Als wissenschaftlich genau beschreibende Bestandsauf-
nahme macht das Museumsinventar Angaben zu jedem
einzelnen Sammlungsobjekt. Diese Angaben sind neben
den Hinweisen, die man durch eine direkte Begutachtung
des Kunstgegenstandes erhält, für die konservatorische
Betreuung des Museumsbesitzes von Bedeutung. Je fun-
dierter unsere Kenntnisse über ein einzelnes Objekt sind,
um so gezielter können alle Maßnahmen zu dessen Erhal-
tung sein. Oft kann der Restaurator dem Inventar nur wenig
entnehmen, oder er stößt auf falsche, bzw. ungenaue Mit-
teilungen. Es fehlen ihm dann Fakten, die für die Pflege
und die Bewahrung der Sammlung von Nutzen sein könn-
ten. In solchem Fall wäre die Behandlung eines Kunstob-
jektes von der Erfahrung des Restaurators ganz allein ab-
hängig und es verbliebe bei bestimmten Maßnahmen ein
unnötiger Rest von Zufälligkeiten. Obwohl mit der Praxis
des Inventarisierens im Museum nicht vertraut, möchte ich
aus der besonderen Sicht des Restaurators zu diesem
Thema in Stichpunkten einige Gedanken beitragen:
Die Formblätter
Die meisten Inventare werden heute als Kartei geführt, der
die einzelnen Blätter zu entnehmen sind. Das bedeutet,
daß die Karten im Laufe der Zeit abnutzen, unleserlich
werden oder sogar verlorengehen. Zur Sicherheit sollte
daher neben der reinen Arbeitskartei ein gebundenes Ex-
emplar des Inventars bestehen, dessen Seiten fortlaufend
numeriert sind. Obwohl die Formblätter der Kartei schon
den jeweiligen Sachgruppen der Sammlung entsprechen,
sind die vorgedruckten Felder für alle wichtigen Vermerke
oft zu klein. Selten ist Platz für ein Foto vorgesehen oder
noch vorteilhafter, eine eigene, geordnete Fotosammlung
angelegt. In der Rubrik für die Masse wird nicht immer be-
achtet, daß die Höhe vor der Breite angegeben werden soll,
wie es bei Gemälden bereits verbindlich ist.
Die Terminologie
Jeder Tatbestand muß mit den richtigen Fachausdrücken
geschildert werden. Hier einige Beispiele aus der Restau-
rierung: konservieren, restaurieren und renovieren sind
Tätigkeitsbegriffe, die sich wesentlich voneinander unter-
scheiden. Sehr häufig werden diese Bezeichnungen in ei-
nem falschen Zusammenhang gebraucht. Nicht anders
verhält es sich mit den Begriffen »Reinigung«, »Freile-
gung« und »Firnisabnahme«, des weiteren werden die
Ausdrücke »Dublierung«, Rentoilage« und »Marouflage«
oft unrichtig angewandt. Der Unterschied zwischen einem
»Spann«- und einem »Keilrahmen« ist meist nicht bekannt.
- Es gibt genügend Fachliteratur, der man den jeweils rich-
tigen Terminus technicus entnehmen kann. Kürzer und
präziser als mit einem zutreffenden Fachausdruck lassen
sich technische Gegebenheiten kaum schildern. Die rich-
tige Terminologie ist gerade für das Inventar, in dem es auf
knappe und zugleich genaue Formulierungen ankommt,
besonders wichtig.
Die Gegenstandsbeschreibung
Die Beschreibung des Kunstgegenstandes sollte lückenlos
sein und sowohl mit Skizzen als auch mit Fotos ergänzt
werden. Wichtig wäre dabei, auf die am Stück verwendeten
Materialien und die Techniken einzugehen. Originale An-
stückungen, bei Gemälden vom Künstler vorgenommene
Formatisierungen und alle anderen Veränderungen aus
der Entstehungszeit des Kunstwerkes sollten vermerkt
werden. Die technische Vielfalt ist an manchen Objekten
so groß, daß bei deren Feststellung und Beschreibung die
Hilfe eines Restaurators erforderlich ist. Besteht in diesem
Bereich Klarheit, so ist eine gute Grundlage für die sachge-
rechte Präsentation, die Aufbewahrung oder die Behand-
lung eines Kunstgegenstandes geschaffen. Spätere mate-
rialbedingte Veränderungen ließen sich auf diese Weise
berücksichtigen. Technische Mängel könnten rechtzeitig
erkannt und möglichen Schäden vorgebeugt werden-
Zur Vorgeschichte des Kunstgegenstandes
Für den gesicherten Fortbestand eines Objekts können
hierzu Vermerke im Inventar von Bedeutung sein. Zum
Beispiel Angaben über den Herkunftsort, seine dortige
Verwahrung und über seine frühere Funktion. Diesen De-
tails ließe sich entnehmen, ob das betreffende Samm-
lungsstück an seinem Herkunftsort im Vergleich zum Mu-
seum wesentlich anderen Temperatur-, Luftfeuchtigkeits-
und Lichtverhältnissen ausgesetzt war. Möglichst genau
ist auf den Erhaltungszustand eines Objekts einzugehen.
Es muß vermerkt werden, wenn ein Gegenstand nicht mehr
komplett ist oder wenn er aus einem vielteiligen Kunstwerk
herausgelöst wurde. Durch diesen Hinweis im Inventar
aufmerksam gemacht, kann der Restaurator, wenn er ein
derartiges Stück bearbeiten soll, evtl, vergleichende Stu-
dien treiben und so seine Tätigkeit auf einer soliden
Grundlage beginnen. Hierfür ein Beispiel aus der Praxis:
Am Herlin-Altar in Nördlingen restaurierten wir zwei im
Schrein befindliche Engelsskulpturen. Von den zwei Ge-
genstücken war ein Engel verschollen, während der ande-
re, wie aus dem Inventar des Pfarramtes hervorging, heute
in die Pfalzgalerie Kaiserslautern gehört. Das Studium die-
ses Engels, besonders seiner gut erhaltenen Fassung, war
für das Endergebnis unserer Restaurierung mitbestim-
mend.- Alle vergangenen Restaurierungen sind ebenso
wie andere spätere Eingriffe möglichst vollständig aufzu-
zählen und zu schildern. Diese Dokumentation der Verfas-
sung eines Kunstgegenstandes könnte den heutigen wie
den zukünftigen Restauratoren Anhaltspunkte über die
Beurteilung von verschiedenartigen Alterungsprozessen
der originalen Substanz geben, und es ihnen erleichtern,
geeignete Gegenmaßnahmen zu treffen. Es bringt jedoch
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