Zu Theorie und Praxis der Inventarisation von Museumsgut
Die folgenden Erfahrungen und Empfehlungen beziehen
sich auf das Inventarisieren von musealen Objekten, die
eine kunsthistorische, kulturgeschichtliche oder volks-
kundliche Aussage haben. Zeugnisse der belebten und
unbelebten Natur, sowie Objektgruppen mit eigenen Re-
geln der Registrierung, z.B. Bücher und Archivalien, sind
hier ausgenommen.
Die Inventarisation gehört zu den wichtigsten Arbeiten im
Museum, weil sie die Substanzen einer Sammlung zugäng-
lich macht. Dies geschieht durch Messung, Beschreibung
und Bestimmung. Dabei hält das Inventar jene originalen
Gegebenheiten fest, die durch die museale Aufbewahrung
zerstört werden.
Da nachträgliche Recherchen erfahrungsgemäß sehr
schwierig, oft genug unmöglich sind, sollten alle ur-
sprünglichen Angaben, die am Objekt selbst nicht ablesbar
sind, in einem Eingangsbuch festgehalten werden. Dazu
zählen u.a. der Fund- oder Standort, der Benutzer, die
mundartliche Bezeichnung etc. Aber auch die Art der Er-
werbung und eventuell der Kaufpreis sollten auf diese
Weise vermerkt werden (siehe Musterbeilage!). Dies ist nur
eine Minimalforderung. In keinem Fall ist ein solches Ein-
gangsbuch gleichzusetzen mit dem Inventar.
Wichtigste Aussage des Inventars ist in erster Linie die Be-
schreibung, die das betreffende Objekt, auch innerhalb ei-
ner Gruppe ähnlicher Gegenstände, unverwechselbar be-
stimmt. Ein praktischer Fall zur Veranschaulichung: Im
Lager eines Kunstdiebes werden diverse Stücke sicherge-
stellt, über deren Herkunft der Täter jede Aussage verwei-
gert. Der Fall ist sofort geklärt, wenn der geschädigte Be-
sitzer mit einer eindeutigen Inventarbeschreibung, am be-
sten in Verbindung mit einer Fotografie, seine Ansprüche
geltend machen kann. Eine derartige, bei staatlichen Ein-
richtungen verwaltungsrechtlich vorgeschriebene Form
des Inventars, ist bereits seit dem 19. Jahrhundert üblich.
Erst durch eine sachgemäße Erfassung der einzelnen
Sammlungsgegenstände, versehen mit den notwendigen
Angaben wie Erhaltungszustand, Herkunft, Datierung etc.,
ergibt sich ein Überblick, der Voraussetzung für die spä-
tere Aufstellung sein muß.
Das Inventar ist wichtigste Quelle und Vorarbeit für einen
wissenschaftlich fundierten Museumskatalog. Der Inven-
tarisator braucht allerdings nicht zu liefern, was später ei-
nem spezialisierten Katalogbearbeiter in Zusammenarbeit
mit Fachkollegen vorbehalten sein soll: etwa die Lösung
strittiger Zuschreibungs- und Datierungsprobleme, iko-
nographische Deutungen, Vergleiche mit anderen Stük-
ken etc.
Schon im Eingangsbuch (manchmal auch «Renner« ge-
nannt) wird die Inventarnummer vergeben und am besten
gleich am Gegenstand angebracht. (Konservatorische
Hinweise hierzu an anderer Stelle). Die Idee, bereits in die
Inventarnummer zusätzliche Informationen zu packen, hat
zu einer ganzen Reihe mehr oder weniger handlicher Sy-
steme geführt:
a) Kombinationen von Buchstaben und Zahl:
Abkürzungen für Materialien (z.B. »Ker« für Keramik),
Stilepochen (z. B. »R« für Renaissance) oder Provenienzen
(z. B. »M« für Maillinger-Sammlung) in Verbindung mit ei-
ner laufenden Nummer.
b) Kombinationen von zwei Zahlen:
77/15 die erste Zahl gibt das Erwerbungsjahr oder
VI/15 den Standort (Raumnummer) an.
Vor allem eine Kopplung der Inventarnummer mit einer
Standortangabe hat scheinbare Vorteile, weil sie das Auf-
finden des Gegenstands erleichtert. Da aber innerhalb ei-
nes Museums einzelne Objekte sehr oft wandern, ist von
einem solchen Verfahren dringend abzuraten. Eine verän-
derliche Standortkartei erfüllt diese Aufgabe weit besser.
Nachteile können sich auch ergeben, wenn ein Gegen-
stand durch seine Inventarnummer bereits einer bestimm-
ten Sachgruppe zugeteilt wird. Nur ein Beispiel: einen höl-
zernen Schlaghandschuh für das Pallonespiel erkennt der
Inventarisator nicht und ordnet ihn wegen seines Ausse-
hens als Folterinstrument der Sachgruppe »Rechtsalter-
tümer« zu. Dort bleibt er nun, weil falsch etikettiert, für
ewig unerkannt. Auch ergeben sich bei einer höheren Zahl
von Sachgruppen (etwa durch Zahlen verschlüsselt) eine
Menge von Doppel- oder Mehrfachzuordnungen, die nur
durch ein schwieriges Verweissystem zu bewältigen sind.
Eine nach Abschluß der Inventararbeit erstellte Sachkartei
ist viel genauer.
Das Reservieren bestimmter Nummerngruppen innerhalb
fortlaufender Zahlen für bestimmte Sachgruppen (z.B.
1-500 Gemälde, 501-1000 Graphik usw.) kann für den Wis-
senden eine praktische Hilfe sein, führt aber bei Auffüllung
des Nummernvorrats durch Neuzugänge ins Abseits. Ge-
mäldeinventare des 19. Jahrhunderts laufen oft in alphabe-
tischer Reihe. Ein Bild des Malers Hans von Aachen konnte
etwa die Nummer 1 bekommen, ein Bild von Zurbaran die
Nummer 10000. Alle anderen Bilder bekamen interploie-
rende Nummern. Fragwürdig wurde dieses System späte-
stens dann, wenn als Folge kunsthistorischen Fleißes Zu-
schreibungen geändert wurden. Wenn nun dergestalt der
Name Spranger an den Anfang rückte, war das schöne Al-
phabet kaputt.
Stets bedenklich ist ein nachträglicher Wechsel der Num-
merierweise. Das Nebeneinander von alter und neuer In-
ventarnummer birgt den Keim zu endloser Verwirrung. Oft
sollte aus diesem Grunde, trotz besseren Wissens, eine be-
reits angefangene, alte Inventarisierungsweise beibehal-
ten werden (in unklaren Fällen steht die Museumsabtei-
lung des Amtes beratend zur Seite).
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Die folgenden Erfahrungen und Empfehlungen beziehen
sich auf das Inventarisieren von musealen Objekten, die
eine kunsthistorische, kulturgeschichtliche oder volks-
kundliche Aussage haben. Zeugnisse der belebten und
unbelebten Natur, sowie Objektgruppen mit eigenen Re-
geln der Registrierung, z.B. Bücher und Archivalien, sind
hier ausgenommen.
Die Inventarisation gehört zu den wichtigsten Arbeiten im
Museum, weil sie die Substanzen einer Sammlung zugäng-
lich macht. Dies geschieht durch Messung, Beschreibung
und Bestimmung. Dabei hält das Inventar jene originalen
Gegebenheiten fest, die durch die museale Aufbewahrung
zerstört werden.
Da nachträgliche Recherchen erfahrungsgemäß sehr
schwierig, oft genug unmöglich sind, sollten alle ur-
sprünglichen Angaben, die am Objekt selbst nicht ablesbar
sind, in einem Eingangsbuch festgehalten werden. Dazu
zählen u.a. der Fund- oder Standort, der Benutzer, die
mundartliche Bezeichnung etc. Aber auch die Art der Er-
werbung und eventuell der Kaufpreis sollten auf diese
Weise vermerkt werden (siehe Musterbeilage!). Dies ist nur
eine Minimalforderung. In keinem Fall ist ein solches Ein-
gangsbuch gleichzusetzen mit dem Inventar.
Wichtigste Aussage des Inventars ist in erster Linie die Be-
schreibung, die das betreffende Objekt, auch innerhalb ei-
ner Gruppe ähnlicher Gegenstände, unverwechselbar be-
stimmt. Ein praktischer Fall zur Veranschaulichung: Im
Lager eines Kunstdiebes werden diverse Stücke sicherge-
stellt, über deren Herkunft der Täter jede Aussage verwei-
gert. Der Fall ist sofort geklärt, wenn der geschädigte Be-
sitzer mit einer eindeutigen Inventarbeschreibung, am be-
sten in Verbindung mit einer Fotografie, seine Ansprüche
geltend machen kann. Eine derartige, bei staatlichen Ein-
richtungen verwaltungsrechtlich vorgeschriebene Form
des Inventars, ist bereits seit dem 19. Jahrhundert üblich.
Erst durch eine sachgemäße Erfassung der einzelnen
Sammlungsgegenstände, versehen mit den notwendigen
Angaben wie Erhaltungszustand, Herkunft, Datierung etc.,
ergibt sich ein Überblick, der Voraussetzung für die spä-
tere Aufstellung sein muß.
Das Inventar ist wichtigste Quelle und Vorarbeit für einen
wissenschaftlich fundierten Museumskatalog. Der Inven-
tarisator braucht allerdings nicht zu liefern, was später ei-
nem spezialisierten Katalogbearbeiter in Zusammenarbeit
mit Fachkollegen vorbehalten sein soll: etwa die Lösung
strittiger Zuschreibungs- und Datierungsprobleme, iko-
nographische Deutungen, Vergleiche mit anderen Stük-
ken etc.
Schon im Eingangsbuch (manchmal auch «Renner« ge-
nannt) wird die Inventarnummer vergeben und am besten
gleich am Gegenstand angebracht. (Konservatorische
Hinweise hierzu an anderer Stelle). Die Idee, bereits in die
Inventarnummer zusätzliche Informationen zu packen, hat
zu einer ganzen Reihe mehr oder weniger handlicher Sy-
steme geführt:
a) Kombinationen von Buchstaben und Zahl:
Abkürzungen für Materialien (z.B. »Ker« für Keramik),
Stilepochen (z. B. »R« für Renaissance) oder Provenienzen
(z. B. »M« für Maillinger-Sammlung) in Verbindung mit ei-
ner laufenden Nummer.
b) Kombinationen von zwei Zahlen:
77/15 die erste Zahl gibt das Erwerbungsjahr oder
VI/15 den Standort (Raumnummer) an.
Vor allem eine Kopplung der Inventarnummer mit einer
Standortangabe hat scheinbare Vorteile, weil sie das Auf-
finden des Gegenstands erleichtert. Da aber innerhalb ei-
nes Museums einzelne Objekte sehr oft wandern, ist von
einem solchen Verfahren dringend abzuraten. Eine verän-
derliche Standortkartei erfüllt diese Aufgabe weit besser.
Nachteile können sich auch ergeben, wenn ein Gegen-
stand durch seine Inventarnummer bereits einer bestimm-
ten Sachgruppe zugeteilt wird. Nur ein Beispiel: einen höl-
zernen Schlaghandschuh für das Pallonespiel erkennt der
Inventarisator nicht und ordnet ihn wegen seines Ausse-
hens als Folterinstrument der Sachgruppe »Rechtsalter-
tümer« zu. Dort bleibt er nun, weil falsch etikettiert, für
ewig unerkannt. Auch ergeben sich bei einer höheren Zahl
von Sachgruppen (etwa durch Zahlen verschlüsselt) eine
Menge von Doppel- oder Mehrfachzuordnungen, die nur
durch ein schwieriges Verweissystem zu bewältigen sind.
Eine nach Abschluß der Inventararbeit erstellte Sachkartei
ist viel genauer.
Das Reservieren bestimmter Nummerngruppen innerhalb
fortlaufender Zahlen für bestimmte Sachgruppen (z.B.
1-500 Gemälde, 501-1000 Graphik usw.) kann für den Wis-
senden eine praktische Hilfe sein, führt aber bei Auffüllung
des Nummernvorrats durch Neuzugänge ins Abseits. Ge-
mäldeinventare des 19. Jahrhunderts laufen oft in alphabe-
tischer Reihe. Ein Bild des Malers Hans von Aachen konnte
etwa die Nummer 1 bekommen, ein Bild von Zurbaran die
Nummer 10000. Alle anderen Bilder bekamen interploie-
rende Nummern. Fragwürdig wurde dieses System späte-
stens dann, wenn als Folge kunsthistorischen Fleißes Zu-
schreibungen geändert wurden. Wenn nun dergestalt der
Name Spranger an den Anfang rückte, war das schöne Al-
phabet kaputt.
Stets bedenklich ist ein nachträglicher Wechsel der Num-
merierweise. Das Nebeneinander von alter und neuer In-
ventarnummer birgt den Keim zu endloser Verwirrung. Oft
sollte aus diesem Grunde, trotz besseren Wissens, eine be-
reits angefangene, alte Inventarisierungsweise beibehal-
ten werden (in unklaren Fällen steht die Museumsabtei-
lung des Amtes beratend zur Seite).
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