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Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Engelhardt, Bernd [Oth.]; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Contr.]; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege / Aussenstelle Landshut [Contr.]
Archäologische Denkmalpflege in Niederbayern: 10 Jahre Aussenstelle des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in Landshut (1973 - 1983) — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 26: München: Lipp, 1985

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Karl Schmotz

Zur Baugeschichte der Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Deggendorf

Vorbericht zu den archäologischen
Untersuchungen
Im Winter 1981/82 sollte es durch die Installierung einer Fuß-
bodenheizung zu erheblichen Eingriffen in den Kirchenbo-
den kommen, was unweigerlich zur Zerstörung
archäologischer Befunde führen mußte. Daß unter dem Pfla-
ster der Kirche mit Sicherheit ältere Fundamente liegen, war
schon aus dem relativ geringen Alter des heutigen Gottes-
hauses und der bis ins 10. Jahrhundert zurückreichenden
Tradition dieses Platzes1 zu erschließen. Als dann fast von ei-
nem Tag auf den anderen mit den Bauarbeiten begonnen
wurde, mußte rasch eine archäologische Untersuchung in
die Wege geleitet werden, die möglichst ohne Beeinträchti-
gung des Baufortschrittes durchzuführen war. Daß die Krei-
sarchäologie Deggendorf mit dieser Aufgabe allein, noch
dazu mit nur wenigen im Winter beschäftigten Arbeitskräften,
nicht fertig werden würde, war von vornherein klar. In dieser
schwierigen Situation gewährte das Bayer. Landesamt für
Denkmalpflege mit der Abstellung von Personal2 tatkräftige
Unterstützung. Man konnte von Glück sprechen, daß in die-
sem strengen Winter keine weitere Ausgrabung durchzufüh-
ren war, sonst hätte es um die Forschungen in der
Stadtpfarrkirche sehr schlecht ausgesehen. Für die rasch
gewährte Amtshilfe gebührt dem damaligen Abteilungsleiter
in München, unserem unvergessenen Dr. Rainer Christlein
und dem Leiter der Außenstelle Landshut, Dr. Bernd Engel-
hardt großer Dank. Trotz aller Anstrengungen wäre der archä-
ologischen Untersuchung kein solcher Erfolg beschieden
gewesen, hätte nicht Herr Stadtpfarrer Pommer so großes In-
teresse an der Geschichte seiner Kirche bekundet und alle
nur mögliche Unterstützung gegeben.
Was war nun bis zum Beginn der Ausgrabung von den vorba-
rocken Kirchen bekannt? Eigentlich nur so viel, daß der heu-
te noch stehende Chor samt Turm3 und Sakristei aus der
späten Gotik stammt, und daß die älteste Kirche, deren Aus-
sehen unbekannt war, 1240 abgebrannt und 1242—1250 wie-
der aufgebaut worden sei4. Von dieser spätromanischen
Kirche sollte das in der Wasserkapelle eingemauerte Tympa-
non stammen5. Außerdem war zu vermuten, daß die gotische
Kirche nicht vollendet wurde6.
Als der Bagger die ersten Bodenplatten abhob, hatten wir al-
so nur eine sehr dürftige Vorstellung von den mittelalterli-
chen Kirchenbauten. Während der etwa zwei Monate
dauernden archäologischen Untersuchung wurde es immer
mehr zur Gewißheit, daß nicht nur eine vorgotische Kirche an
diesem Platz gestanden hatte. Die romanischen Reste waren
am besten im Bereich des Kirchenschiffes zu fassen, da im
Chor bei der Beseitigung der romanischen Mauern in spät-
gotischer Zeit mit Ausnahme der nördlichen Seitenapsis al-
lein die untersten Fundamentlagen erhalten blieben, und der
genaue Verlauf des aufgehenden Mauerwerkes nur unsicher

rekonstruiert werden kann. Die Ursache des schlechten Er-
haltungszustandes der romanischen Fundamente im Chor-
bereich ist leicht zu erkennen. Hier steht nämlich der Fels
sehr hoch an, weshalb sich eine tiefe Fundamentierung er-
übrigte. Andere Verhältnisse herrschen dagegen im Kirchen-
schiff. Dort mußte das natürliche Gefälle des Geländes vor
allem nach Norden und Westen durch Aufschüttungen aus-
geglichen werden. Da sich aber aus statischen Gründen in
den aufgefüllten Bereichen keine sichere Fundamentierung
durchführen läßt, mußten die Grundmauern bis auf das An-
stehende hinabgeführt werden. Zwar waren auch dort nicht
unerhebliche Teile der Fundamente entfernt worden, um in
den jüngeren Bauten wieder Verwendung zu finden, doch lie-
ßen sich eindeutig mit Bauschutt verfüllte Ausbruchgräben
nachweisen.
Um das Abrutschen zu verhindern, mußte das aufgefüllte Ge-
lände durch eine Mauer, die auch Verteidigungszwecken
diente, gesichert werden. Die Entstehungszeit dieser auf ei-
ner größeren Strecke noch ursprünglich erhaltenen Mauer ist
zwar unbekannt, doch besteht durchaus die Möglichkeit, daß
sie schon beim Bau der ersten Kirche erforderlich war. Ihr
recht archaisches Erscheinungsbild kann vielleicht diese
Vermutung stützen.
Der Plan Abb. 1 zeigt den gesamten archäologisch erfaßten
Befund, aus dem sich drei romanische und eine gotische
Bauphase erschließen lassen. Die Rekonstruktion (Abb. 2)
erfolgte nach Abwägung verschiedener Möglichkeiten7 und
besitzt einen sehr hohen Wahrscheinlichkeitsgrad. In diesem
Vorbericht, der die wichtigsten Ergebnisse zusammenfassen
soll, kann nicht auf jedes Problem eingegangen werden.
Dies bleibt einer späteren Gesamtpublikation vorbehalten.
Die ältesten nachweisbaren Spuren menschlicher Siedlungs-
und Bautätigkeit innerhalb der heutigen Kirche reichen bis in
vorchristliche Zeit zurück. Direkt unterhalb der Kanzel erhiel-
ten sich die Überreste eines keltischen Siedlungsplatzes,
ausgewiesen durch Pfostenspuren und Abfallgruben, in de-
nen Graphittonkeramik und das Bruchstück eines Saprolit-
ringes zum Vorschein kam, die eine Datierung in das 2. oder
1. Jahrhundert v. Chr. erlaubten (Abb. 3). Daß diese frühen
Siedlungsreste überhaupt noch erhalten waren, ist wegen
der starken Störungen durch neuzeitliche Gräber ein großer
Zufall. Daß die Kelten diesen Platz nutzten, ist an und für sich
nichts Besonderes, daß sie aber das Gelände auffüllten und
planierten, also einen großen Aufwand trieben, um dort über-
haupt siedeln zu können, mußte einen triftigen Grund haben.
Möglicherweise wollten sie einen in den Bayerischen Wald
und nach Böhmen führenden Handelsweg überwachen oder
den auch für diese Zeit vorauszusetzenden Schiffsverkehr
auf der Donau im Auge behalten.

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