MICHELAGNOLO BUONARROTI
Axe zu einer vollständig befriedigenden Harmonie der Gruppierung
geführt; es darf vielleicht sogar behauptet werden, dass bei der
geringen Ausdehnung die für die Verwirklichung dieses Gedankens
zur Verfügung stand, ein vollkommen befriedigender harmonischer
Aufbau kaum möglich war, und an den der Zahl „zwei“ inne-
wohnenden ästhetischen Eigenschaften und Gesetzen gescheitert wäre.
Zeichnungen in München und London.
FIG. 2, UNTERE HÄLFTE ex® Es darf daher schon aus
diesem Grunde nicht allzusehr befremden, wenn wir hören, dass
in einem dritten Projekte Michelangelo, auch vor dieser Wand,
nur noch einen Sarkophag für beide Brüder zusammen projektiert
hatte. Den graphischen Beweis hierfür liefert die untere Hälfte
der bereits in Fig. 2 abgebildeten Zeichnung Aristotiles da San-
gallo in München, auf deren oberen Hälfte er das erste Modell
Michelangelos für die Fassade von S. Lorenzo abgebildet hatte.
Die Angabe Aristotiles, dass diese Komposition von Michelangelo
für Lorenzo sei und die Angabe, dass in dem Mittelfeld eine
Madonna, in den Seitennischen Figuren, alles aber innerhalb eines
Bogens käme, beweist zur Genüge, dass wir hier einen Ent-
wurf für die dritte Wand mit dem Grabmal Lorenzos il Magni-
fico und seines Bruders Giuliano vor uns haben.
Neben der Zeichnung steht in der echten Handschrift Ari-
stotiles da Sangallo mit all den Eigentümlichkeiten seiner Ausdrucks-
weise zuerst als Überschrift auf beiden Seiten:
Di michelagnolo • in Scto. Lorenzo. Dann links:
in su lo coperchio • della cassa • una ■ fiura adiacere •
e insul dado apie della cassa un altra a sedere •
questa e facta a caso senza veder molto quella.
Weiter unten: il dado dapie non so come si stia par-
ticularmente cioe delli adornamenti. Rechts: E pila-
stri sotili e lunghi, e sono piramidati • e da chapo al
quadro non e finito ne mancho in su icantonj • chre-
do ci vadia spogle • io non lo so. Weiter unten: questa
sipoltura e fra una a.rcho come apar qui abasso
pocho isfondo cioh.
Fig. 23. Vergleicht man die hier abgebildete eigenhändige
Skizze Michelangelos (British Museum, 1859, 5. 14, 823) mit
der eben beschriebenen Komposition auf Fig. 2, so wird es offen-
bar, dass wir hier genau dieselbe Komposition in etwas anderer
Durchbildung vor uns haben.
Nur sind auch auf diesem Sarkophage, wie auf jenen der
Gräber seitwärts zwei ruhende Figuren. Am Boden sieht man
eine liegende Figur, wie sie Aristotile erwähnt und als oberen
Abschluss Guirlanden und Trophäen, an die sich Aristotile zu
erinnern glaubte. Auch vor den Seitenfeldern in der Höhe des
Sarkophags sind sitzende Figuren angedeutet.
Fig. 16. Die hier skizzierte eigenhändige Komposition
Michelangelos befindet sich auf der Rückseite von Fig. 23. Es
ist nicht möglich anzugeben, für welche Phase der Entwickelung
dieser Projekte diese Idee bestimmt war. Es kann eine Variante
für das erste Projekt sein, aber auch eine des dritten. Endlich
darf vielleicht an eine andere Bestimmung dieser Skizze gedacht
werden. Es sieht fast aus, als ob hier ein Sarkophag unter
einem Altartisch gedacht sei; in welchem Falle dann das Grab
eines der beiden Brüder hier seinen Platz gefunden hätte und die
ganze Skizze eine Komposition des Altaraufbaues zeigen würde.
Der VON MICHELANGELO BEGONNENE SAR-
KOPHAG Das Vorhandensein dieser zwei Zeichnungen,
welche beweisen, dass Michelangelo für dieses Doppelgrab schliess-
lich nur noch einen Sarkophag projektiert hatte1), dürfte für die
Frage entscheidend sein, ob Michelangelo nicht auch mit der
Ausführung dieses Sarkophags begonnen und mit derselben weit
fortgeschritten war. Letztere Ansicht schien durch die Stelle eines
Briefes von Vasari und einer anderen im Tagebuch Lapinis berechtigt
und für diese Auffassung dürften die beiden Zeichnungen Fig. 2
und 23 entscheidend sein. Wir lassen die beiden Stellen folgen.
In dem Brief, den Vasari am 5. Oktober 1569 an Gondi,
Bischof von Paris, schreibt, um das Interesse der Katherina von
Medici für diese Gräber zu erwecken, steht: E per dare fine
a un cassone, ehe e di marmo, il quäle aveva fatto
Michelangelo Buonarroti per mettervi i corpi di Lo-
reno vecchio e Giuliano suo fratello, padri di due
papi, Sua Eccellenza l’ha fatto murare in detta sag-
grestia, e addi 22 di Maggio, come sa la Signoria
Vostra, ehe fu presente quando questi corpi furono
scassati per mettergli in detto cassone di marmo.2)
Aus diesen Worten, wenn sie Vasari genau abgewogen hat,
sollte man schliessen, dass der Cassone bereits von Michelangelo
aus Marmor begonnen wurde, somit nichts Provisorisches dar-
stellen sollte, und somit nicht der jetzige postamentartige Cassone
sein könne.
Die andere Stelle befindet sich im Tagebuch des Floren-
tiners Agostino Lapini.3) Er schreibt:
A di 3 Giugno 1559 in sabato dopo Vespro si
traslatarono i corpi del Magnifico Lorenzo et di
Giuliano amendua de’ Medici . . . e si messono nella
sagrestia nuova in uno cassone grande ch’iv’e nel
entrare a mano sinistra di marmo, ecc.4)
Del Moro5) und nach ihm Dott. Marrai,6) nehmen an, es
sei der Cassone grande, von dem Agostino Lapini spricht, sowie
der Cassone Vasaris jenes mit Marmor verkleidete Postament,
welches die ganze Breite der Arkade einnimmt und auf welchem
jetzt die Figuren stehen, und in welchem die beiden Särge auf-
gefunden wurden. Sie stützen sich hierbei auf die Worte Vasaris:
S. Eccellenza l’ha fatto murare in detta sagrestia,
welche nach ihnen das Herstellen des Cassone durch Aufmauern
bedeuten, und keinen Sinn bei der Herstellung eines monolithen
Sarkophags und seines Deckels hätten.
1) Dass diese Lösung die reifste unter allen Studien Michelangelos zeigt,
geht daraus hervor, dass Fig. 23 die einzige ist, in welcher die Gliederung der
Wand derjenigen in den ausgeführten Seitengräbern sehr nahe entspricht.
2) Milanesi G., Le Opere di G. Vasari, a. a. O., Bd. VIII, S. 440.
3) Lapini war Bibliothekar der Famiglie Pucci, sein Tagebuch endigt 1596.
4) Siehe noch Franceschini, P., La tomba di Lorenzo dei Medici detto
il Magnifico, Firenze 1897, S. 24 und Note, S. IX.
5) Brief in der Florentiner Zeitung II Fieramosca vom 13. August 1896. Ab-
gedruckt bei Franceschini, P., La tomba di Lorenzo dei Medici ecc. a. a. O., S. 47.
6) Marrai Dott. B., Gli sproni di S. Maria del fiore, la tomba di Lorenzo
dei Medici detto il Magnifico ecc. Firenze 1897, S. 29 ff.
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Axe zu einer vollständig befriedigenden Harmonie der Gruppierung
geführt; es darf vielleicht sogar behauptet werden, dass bei der
geringen Ausdehnung die für die Verwirklichung dieses Gedankens
zur Verfügung stand, ein vollkommen befriedigender harmonischer
Aufbau kaum möglich war, und an den der Zahl „zwei“ inne-
wohnenden ästhetischen Eigenschaften und Gesetzen gescheitert wäre.
Zeichnungen in München und London.
FIG. 2, UNTERE HÄLFTE ex® Es darf daher schon aus
diesem Grunde nicht allzusehr befremden, wenn wir hören, dass
in einem dritten Projekte Michelangelo, auch vor dieser Wand,
nur noch einen Sarkophag für beide Brüder zusammen projektiert
hatte. Den graphischen Beweis hierfür liefert die untere Hälfte
der bereits in Fig. 2 abgebildeten Zeichnung Aristotiles da San-
gallo in München, auf deren oberen Hälfte er das erste Modell
Michelangelos für die Fassade von S. Lorenzo abgebildet hatte.
Die Angabe Aristotiles, dass diese Komposition von Michelangelo
für Lorenzo sei und die Angabe, dass in dem Mittelfeld eine
Madonna, in den Seitennischen Figuren, alles aber innerhalb eines
Bogens käme, beweist zur Genüge, dass wir hier einen Ent-
wurf für die dritte Wand mit dem Grabmal Lorenzos il Magni-
fico und seines Bruders Giuliano vor uns haben.
Neben der Zeichnung steht in der echten Handschrift Ari-
stotiles da Sangallo mit all den Eigentümlichkeiten seiner Ausdrucks-
weise zuerst als Überschrift auf beiden Seiten:
Di michelagnolo • in Scto. Lorenzo. Dann links:
in su lo coperchio • della cassa • una ■ fiura adiacere •
e insul dado apie della cassa un altra a sedere •
questa e facta a caso senza veder molto quella.
Weiter unten: il dado dapie non so come si stia par-
ticularmente cioe delli adornamenti. Rechts: E pila-
stri sotili e lunghi, e sono piramidati • e da chapo al
quadro non e finito ne mancho in su icantonj • chre-
do ci vadia spogle • io non lo so. Weiter unten: questa
sipoltura e fra una a.rcho come apar qui abasso
pocho isfondo cioh.
Fig. 23. Vergleicht man die hier abgebildete eigenhändige
Skizze Michelangelos (British Museum, 1859, 5. 14, 823) mit
der eben beschriebenen Komposition auf Fig. 2, so wird es offen-
bar, dass wir hier genau dieselbe Komposition in etwas anderer
Durchbildung vor uns haben.
Nur sind auch auf diesem Sarkophage, wie auf jenen der
Gräber seitwärts zwei ruhende Figuren. Am Boden sieht man
eine liegende Figur, wie sie Aristotile erwähnt und als oberen
Abschluss Guirlanden und Trophäen, an die sich Aristotile zu
erinnern glaubte. Auch vor den Seitenfeldern in der Höhe des
Sarkophags sind sitzende Figuren angedeutet.
Fig. 16. Die hier skizzierte eigenhändige Komposition
Michelangelos befindet sich auf der Rückseite von Fig. 23. Es
ist nicht möglich anzugeben, für welche Phase der Entwickelung
dieser Projekte diese Idee bestimmt war. Es kann eine Variante
für das erste Projekt sein, aber auch eine des dritten. Endlich
darf vielleicht an eine andere Bestimmung dieser Skizze gedacht
werden. Es sieht fast aus, als ob hier ein Sarkophag unter
einem Altartisch gedacht sei; in welchem Falle dann das Grab
eines der beiden Brüder hier seinen Platz gefunden hätte und die
ganze Skizze eine Komposition des Altaraufbaues zeigen würde.
Der VON MICHELANGELO BEGONNENE SAR-
KOPHAG Das Vorhandensein dieser zwei Zeichnungen,
welche beweisen, dass Michelangelo für dieses Doppelgrab schliess-
lich nur noch einen Sarkophag projektiert hatte1), dürfte für die
Frage entscheidend sein, ob Michelangelo nicht auch mit der
Ausführung dieses Sarkophags begonnen und mit derselben weit
fortgeschritten war. Letztere Ansicht schien durch die Stelle eines
Briefes von Vasari und einer anderen im Tagebuch Lapinis berechtigt
und für diese Auffassung dürften die beiden Zeichnungen Fig. 2
und 23 entscheidend sein. Wir lassen die beiden Stellen folgen.
In dem Brief, den Vasari am 5. Oktober 1569 an Gondi,
Bischof von Paris, schreibt, um das Interesse der Katherina von
Medici für diese Gräber zu erwecken, steht: E per dare fine
a un cassone, ehe e di marmo, il quäle aveva fatto
Michelangelo Buonarroti per mettervi i corpi di Lo-
reno vecchio e Giuliano suo fratello, padri di due
papi, Sua Eccellenza l’ha fatto murare in detta sag-
grestia, e addi 22 di Maggio, come sa la Signoria
Vostra, ehe fu presente quando questi corpi furono
scassati per mettergli in detto cassone di marmo.2)
Aus diesen Worten, wenn sie Vasari genau abgewogen hat,
sollte man schliessen, dass der Cassone bereits von Michelangelo
aus Marmor begonnen wurde, somit nichts Provisorisches dar-
stellen sollte, und somit nicht der jetzige postamentartige Cassone
sein könne.
Die andere Stelle befindet sich im Tagebuch des Floren-
tiners Agostino Lapini.3) Er schreibt:
A di 3 Giugno 1559 in sabato dopo Vespro si
traslatarono i corpi del Magnifico Lorenzo et di
Giuliano amendua de’ Medici . . . e si messono nella
sagrestia nuova in uno cassone grande ch’iv’e nel
entrare a mano sinistra di marmo, ecc.4)
Del Moro5) und nach ihm Dott. Marrai,6) nehmen an, es
sei der Cassone grande, von dem Agostino Lapini spricht, sowie
der Cassone Vasaris jenes mit Marmor verkleidete Postament,
welches die ganze Breite der Arkade einnimmt und auf welchem
jetzt die Figuren stehen, und in welchem die beiden Särge auf-
gefunden wurden. Sie stützen sich hierbei auf die Worte Vasaris:
S. Eccellenza l’ha fatto murare in detta sagrestia,
welche nach ihnen das Herstellen des Cassone durch Aufmauern
bedeuten, und keinen Sinn bei der Herstellung eines monolithen
Sarkophags und seines Deckels hätten.
1) Dass diese Lösung die reifste unter allen Studien Michelangelos zeigt,
geht daraus hervor, dass Fig. 23 die einzige ist, in welcher die Gliederung der
Wand derjenigen in den ausgeführten Seitengräbern sehr nahe entspricht.
2) Milanesi G., Le Opere di G. Vasari, a. a. O., Bd. VIII, S. 440.
3) Lapini war Bibliothekar der Famiglie Pucci, sein Tagebuch endigt 1596.
4) Siehe noch Franceschini, P., La tomba di Lorenzo dei Medici detto
il Magnifico, Firenze 1897, S. 24 und Note, S. IX.
5) Brief in der Florentiner Zeitung II Fieramosca vom 13. August 1896. Ab-
gedruckt bei Franceschini, P., La tomba di Lorenzo dei Medici ecc. a. a. O., S. 47.
6) Marrai Dott. B., Gli sproni di S. Maria del fiore, la tomba di Lorenzo
dei Medici detto il Magnifico ecc. Firenze 1897, S. 29 ff.
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