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Stegmann, Carl von; Geymüller, Heinrich von; Stegmann, Carl von [Editor]; Geymüller, Heinrich von [Editor]
Die Architektur der Renaissance in Toscana: dargestellt in den hervorragendsten Kirchen, Palästen, Villen und Monumenten nach den Aufnahmen der Gesellschaft San Giorgio in Florenz; nach Meistern und Gegenständen geordnet (Band 7): Raffaelo, Antonio da Sangallo der Jüngere, Baccio d'Agnolo, Rovezzano, Giuliano di Baccio d'Agnolo, Bandinelli, Peruzzi, Vignola, Folfi — München: Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G., 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.55573#0050
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MICHELAGNOLO BUONARROTI

dessen Tympanon die Inschriftstafel. Der untere Bogen mit seinen
Pfeilern hat Flachrustica, ist von breiten kannelierten Pilastern
begleitet, deren mageres Kapital die Tropfen der glatten Tri-
glyphen trägt, über welchen das Gesims mit Segmentgiebel vor-
springt. Flügel mit je einem Fenster und einem Mezzanin und
einem Rundschild darüber, verlängern die Komposition zu beiden
Seiten. Zinnen, die mit einer Art von jonischen Kapitalen abgedeckt
sind, schliessen sie ab. Über dem Thor selbst erhebt sich, turm-
artig, ein oberes Geschoss durch wappenhaltende Engel und einem
blinden Rundfenster in der Mitte, an den Seiten durch gekuppelte
Lisenen gegliedert und von einem gebrochenen S-Giebel bekrönt1).
Unter den Thüren, werden wir ein älteres Vorbild sehen.
Um dieselbe Zeit fertigte Michelangelo Zeichnungen für
andere Stadtthore Roms2). Die streng komponierte und ge-
gliederte Aussenfront der Porta del Popolo wird ihm zugeschrieben.
Es ist ein Rundbogenthor mit dorischen Säulen, als rhythmische
Travee gegliedert; die Attika hat kräftige Lisenen und wird von
einem Motiv von Wappen zwischen Füllhörnern bekrönt.
In Rom werden ferner mehrere grössere Gartenportale
Michelangelo zugeschrieben3). Ihr Charakter ist ein ernsterer.
Verschiedene Formen von Rustica an den Schichten, Keilsteinen
oder Säulentrommeln, wechseln mit glatt profilierten Partien oder
Trommeln ab. Das Kurvenspiel tritt in verschiedener Weise hinzu.
A NDERE ARBEITEN IN ROM Santa Maria degli
Angioli kann wegen der vielen im Saale der Thermen Diokle-
tians gegebenen Elemente kaum als eine architektonische Kom-
position Michelangelos angesehen werden. Sein Anteil an der
Erbauung der Villa di Papa Giulio beschränkt sich auf eine be-
gutachtende Durchsicht der Entwürfe Vasaris. Nirgends erkennt
man die Formen Michelangelos4). Die Detaillierung weist haupt-
sächlich auf Vignola hin.
Über das Modell eines schönen Palastes neben San Rocco
für Giulio III., welches dann Pius IV. 1560 dem Herzog Cosimo
schenkte5), ist mir nichts näheres bekannt, und über den Anteil
Michelangelos an der Erbauung des Collegio della Sapienza,
wage ich hier keine Vermutungen aufzustellen.

VI.

GLIEDERUNG,

DETAILS UND PROFILIERUNG.


HÜREN UND FENSTER DER STRENGEN
RICHTUNG Fenster des Erdgeschosses des
Palazzo Medici Riccardi. Hier hat Michelangelo

die Profilierung auf ein Minimum reduziert, ohne ins Arme zu
zu fallen. Die grossen Konsolen unter der Fensterbank und die
unter dem Gesims, sind vorn und seitwärts ganz glatt, ebenso

die Streifen zwischen diesen und der Fensterbank.

Sehr streng im Charakter, fast altetruskisch, wenn auch
nicht ganz in den gewöhnlichen Verhältnissen, sind die Fenster

im Inneren des Saals der Laurenziana (Bl. 3, 7) in welchem,
abgesehen von der bizarren Idee, zwei vollständige Thür-
umrahmungen mit Giebeln um dieselbe Thüröffnung zu machen,
auch der Eindruck der zwei HauptthLiren ein strenger ist.
Die Glätte der Profilierung steigert diesen Eindruck, wenn auch
die Reihenfolge der Profilglieder und ihre Verhältnisse nicht die
üblichen sind (Bl. 7 u. 8).
Die Tabernakelfenster an den Palästen auf dem Kapi-
t o 1 und am äusseren von Sankt Peter, sind, abgesehen von ihrem
verkröpften Gebälk, ebenso streng gebildet, wie jene Raffaels im
Palazzo Pandolfini in Florenz, die auf einem Vorbild Bramantes
beruhen6). An Mehreren werden wir das Verhältnis von 1:2 sehen.
Schöne strengklassische Verhältnisse und Gliederung zeigt
im Museo Buonarroti Rahmen 34, Nr. 40: ein Tabernakel ver-
mutlich für die Umrahmung eines Altargemäldes. Eng-
gekuppelte korinthische Säulen je zwei auf einem hohen Piede-
stal, tragen ein Gebälk mit Spitzgiebel von schöner Neigung und
bilden mit dem hohen, durchgehenden Sockel den Rahmen.
Zurückliegend, an der Mauer, tragen nochmals zwei gekuppelte
Pilaster oder Säulen eine Verlängerung des Gebälkes, von dem
aus Konsolen seitwärts die über dem Giebel zurückliegende
Attika stützen.

1 HÜREN UND FENSTER DER BAROCKEN
RICHTUNG Auf Bl. 4, Fig. 2 geben wir eine im Museo
Buonarroti befindliche eigenhändige Zeichnung Michelangelos für
die im Vestibül gelegene Thür des Saales der Laurenziana.
Sie entspricht wie Bl. 5 zeigt im wesentlichen der Ausführung.
Nur die leichten wie Seitenkonsole disponierten Guirlanden, welche
die Inschriftstafel mit dem Gesims verbinden, sind nicht aus-
geführt worden und die unteren Ohren der äusseren Umrahmung
sind durch andere Profile ersetzt.
Thüren im Charakter der porta pia®^
Eine im Museo Buonarroti befindliche Zeichnung Michelangelos,
wegen ihrer Sicherheit offenbar aus früheren Jahren, zeigt eine
mit der Porta Pia sehr verwandte Komposition, je-
doch mit zwei Stufen, scheinbar vor einem turmartigen Vorbau
von gleicher Breite. Hier braucht er dorisierende Halbsäulen und
alle Glieder des Gebälks sind vollständig vertreten. Nur die
Glieder unter der Hängeplatte sind verkröpft; letztere geht durch
und wird von einem ebenfalls nicht gebrochenen Segmentgiebel
bekrönt. Dieser aber wölbt sich vor einem Spitzgiebel, der dem
Gesims des Aufbaues über den zurückliegenden Thürpfosten ent-
spricht. Ein Wappenschild, von Konsolen gehalten und zwischen
zwei kleinen Fenstern am turmartigen Hinterbau, bekrönt den
Giebel, in dessen Tympanon eine Guirlande hängt. Im Gegen-
satz zur Porta Pia zeigt diese eigenhändige aus früherer Zeit
stammende Zeichnung Michelangelos die seinen besseren Kom-
positionen eigene feste Eleganz der Verhältnisse und stramme
Elastizität, während dem er schon 1559 für Reinzeichnungen
sich Pietro Calcagnis bedienen musste.7)

1) Eine Skizze Michelangelos zum Thor befindet sich im Teyler Museum
zu Haarlem (siehe Marcuard, F. von, Bl. XVI), neben Studien für die Kuppel
der Peterskirche.
2) Siehe: Vasari, G., Bd. VII, S. 260.
3) Abgebildet im Cours d’Architecture von Daviler, architecte du Roy,
Paris, Ausgabe von 1696, S. 261 ff.

4) Siehe: Vasari, Vita di Michelangelo, VII, 228 und Vita des Vasari, VII, 694.
5) Siehe: Vasari, Bd. VII, S. 233.
6) Abgebildet in unserem Raffaello studiato come Architetto, Milano,
1884, S. 56, Fig. 29.
7) Siehe: Milanesi, G., Lettere a. a. O. S. 551 und 552. Ferner: Vasari,
Vita di Michelangelo VII, S. 262.

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